Vorwürfe gegen Mitarbeiter: Kita in der Blechkiste
Nach Elternprotest gegen strafende Pädagogik wurden zwei Mitarbeiter der Kita Plaggenmoor freigestellt. Träger DRK sieht ungünstige Bedingungen als Mitursache.
„Die Kita-Aufsicht der Sozialbehörde wurde am Freitag, den 11. Mai, über die Vorwürfe von Eltern informiert“, sagt Sozialbehörden-Sprecher Marcel Schweitzer. Am Montag habe man eine Prüfung eingeleitet. Es hätten sich auch Zeugen gemeldet. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. „Ausgrenzende und erniedrigende Erziehungsmethoden sind nicht erlaubt“, so Schweitzer.
Die Kita-Aufsicht hat das Recht, Tätigkeiten zu untersagen. Laut Schweitzer war die Freistellung der zwei Mitarbeiter das Ergebnis einer solchen Untersagung. Dafür reichten – zum Schutz der Kinder – bereits Zeugenaussagen, die die Kita-Aufsicht glaubhaft findet. „Weitere Einzelheiten dürfen wir nicht mitteilen.“
„Hals über Kopf eröffnet“
„Das Problem ist, dass die Kita Hals über Kopf eröffnet worden ist“, erklärt der zuständige Harburger DRK-Geschäftsführer Harald Krüger. Im Oktober nahm sie ihren Betrieb in einem Containergebäude auf, einer „Blechkiste“, wie Krüger sagt.
Das DRK hatte zuvor 40 Kinder in einer nahen Flüchtlingsunterkunft betreut. Die Unterkunft wurde inzwischen geschlossen, doch da die Mütter weiter ihren Integrationskurs besuchen müssen und das DRK ab 2020 im dortigen Neubaugebiet Vogelkamp eine große Kita eröffnen will, habe man im Einvernehmen mit der Stadt diese provisorische Kita gebaut, sagt Krüger. Zu den 40 Kindern aus der Flüchtlingsunterkunft kamen dann 30 weitere aus der Nachbarschaft hinzu.
„Es gibt bei uns keine Kita, wo so wenig Fläche pro Kind ist“, sagt Krüger. „Die Rahmenbedingungen sind nicht attraktiv“. Es gibt nur einen Raum pro Gruppe für 20 Kinder, wenig Ausweichmöglichkeiten, wenig Schallschutz. Wenn es laut sei, würden die Erzieher auch lauter sprechen. Und draußen im eingezäunten Außengelände stünden keine Bäume. Es gibt keine Vordächer und auch sonst kaum Sonnenschutz.
Harald Krüger, DRK Harburg
Innerhalb der ersten Monate hätten sieben Kollegen gekündigt. „Es fehlte die Zeit für Teambildung“, so Harburgs DRK-Chef. Zeit, die man bräuchte, um sich über die Haltung zum Kind und zum Kinderschutz zu verständigen. Teilweise habe man Zeitarbeitsmitarbeiter einstellen müssen.
„Das soll aber nichts entschuldigen“, sagt Krüger. „Die Empathie für die Bedürfnisse der Kinder und Eltern fehlte. Es wirkte in der tat lieblos und grau“. Die Kita habe auch zu wenig mit den Eltern gesprochen.
Zu den konkreten Vorwürfen könne er nichts sagen. „Ich bin nicht dabei gewesen, ich kann es nicht bestreiten“. Ein Vorfall mit einem Kind, dass nach dem Bericht einer kritischen Mitarbeiterin als Strafe mit dem Gesicht zur Wand stehen musste, habe sich ähnlich, aber anders abgespielt. „Ein Mitarbeiter sagt, er habe ein Mädchen, das unruhig war, aufgefordert, fünf Minuten neben ihm auf dem ,stillen Stuhl' zu sitzen, um zur Ruhe zu kommen.“
Der Mitarbeiter, dem dieser Vorfall zugeordnet wurde, sei verwechselt und fälschlicherweise freigestellt worden. Der Mitarbeiter werde nun rehabilitiert und komme zurück. Die zweite Kollegin, die barsch zu den Kindern war, bleibe freigestellt. Zudem gebe es nun eine zweite Kita-Leitung, externe Beratung und Fortbildung für das Team. Und für den Sonnenschutz wurden inzwischen Pavillons aufgestellt.
Behörde hätte nichts gegen noch konsequenteres Vorgehen
Aus Behördenkreisen hört man, dass man sich aus ein noch konsequenteres Vorgehen des DRK mit mehr personellen Konsequenzen vorstellen könne. „Der DRK hätte früher handeln müssen“, sagt Sabahattin Aras, Bezirkspolitiker der Linken.
Der CDU-Politiker Philipp Heißner bemängelt die fehlende Kontrolle. Es sei ein „skandalöses Versäumnis“, dass die Sozialsenatorin noch immer keine Kita-Inspektion geschaffen habe. Immerhin, hat sich der Senat aber nun mit den Kita-Verbänden auf ein Verfahren verständigt, dass Kontrollen ohne Anlass erlaubt.
Doch ob Kinder zu streng behandelt werden, kann laut Behördensprecher Schweitzer nicht allgemeingültig definiert werden. Es komme bisweilen vor, dass Eltern sich beschweren. Eine Statistik zu diesem Thema werde bei der Kita-Aufsicht aber nicht geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?