Vorwürfe gegen Thomas Strobl: Untersuchungsausschuss eingesetzt
Ein mutmaßlicher Übergriff eines Polizisten und ein CDU-Innenminister, der wohl Dokumente durchstach: Jetzt will Baden-Württembergs Landtag aufklären.
Auf Antrag von SPD und FDP soll das Gremium mit Zustimmung der Regierungsfraktionen und auch der AfD nun Licht in eine verworrene Affäre bringen, die immer größeren Druck auf Kretschmanns grün-schwarze Koalition ausübt. Grüne und CDU stimmten zu, weil der Schwerpunkt des Untersuchungsauftrags auf den mutmaßlichen sexuellen Übergriffen liegt. CDU und Grüne verhinderten mit ihrer Mehrheit allerdings, dass der Ausschuss den zugespitzten Titel „Machtmissbrauch“ trägt. Zudem soll das Gremium schon bis Herbst 2023 seinen Bericht vorlegen.
Dass die Regierungsfraktionen einem Ausschuss zustimmen, den sie ohnehin nicht verhindern können, bringt Strobl und den unsouverän agierenden Kretschmann zumindest kurzfristig aus dem Dauerfeuer von Medien und Opposition. Doch die Affäre selbst birgt weiter Sprengstoff.
Der Innenminister hat zugegeben, ein Schreiben des Anwalts des beschuldigten Polizeiinspekteurs an einen Journalisten der Stuttgarter Nachrichten weitergegeben zu haben. Den Grund dafür konnte er bisher nicht plausibel erklären. Der Datenschutzbeauftragte hatte das vergangene Woche als klaren Rechtsbruch gewertet. Seit zwei Wochen ermittelt zudem die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats und Anstiftung dazu gegen Strobl und den Journalisten.
Untersuchungsausschuss klärt Umstände
Aber auch in der eigentlichen Affäre könnte der Untersuchungsausschuss den Minister weiter in die Enge treiben. Dem suspendierten Polizeiinspekteur Andreas R. wirft die Staatsanwaltschaft vor, in einer Videobesprechung eine Kriminalkommissarin, die in den höheren Dienst wechseln wollte, die Beförderung gegen Sex angeboten zu haben.
Der Untersuchungsausschuss soll nun ermitteln, ob R., der als Wunschkandidat Strobls galt, rechtmäßig auf den hohen Posten gekommen ist und ob bereits früher Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn bekannt waren, die bei der Beförderung nicht beachtet wurden. Auch das könnte für den Innenminister heikel sein.
Ermittlungen gegen Strobl dauern an
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Strobl wegen dessen Durchstecherei laufen weiter. Nachdem ihm in der vergangenen Woche der Landesbeauftragte für Datenschutz Stefan Brink einen klaren Rechtsbruch attestiert hatte, veröffentlichte das Innenministerium gestern ein Rechtsgutachten des bekannten Berliner Medienanwalts Christian Schertz.
Der hält Strobls Verhalten nicht nur für zulässig, sondern möglicherweise sogar für geboten. Aufgrund der Informationspflicht von Behörden liege es auf alle Fälle im Ermessen des Ministers, Dokumente, die nicht der Geheimhaltungspflicht unterliegen, zu Informationszwecken an die Presse weiterzugeben, schreibt Schertz. Anwaltsschreiben zählten nach allgemeiner Rechtssprechung nicht zu diesen geheimen Dokumenten.
Rückendeckung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Auch von Seiten der Landesregierung kann Strobl weiterhin mit Rückendeckung rechnen. Zumindest, solange die Staatsanwaltschaft ermittelt und der Ausschuss keine weiteren Verfehlungen zu Tage fördert. Ministerpräsident Kretschmann, der sich zwei Wochen geweigert hatte, zu der Sache Stellung zu nehmen, sagte gestern am Rande einer Kabinettssitzung zwar, die Affäre sei „eine politische Belastung“. Aber Kretschmann ist offenbar bereit, die auszuhalten und an seinem Vize festzuhalten. Denn Strobl ist für ihn ein Garant für eine stabile Koalition.
Auch die CDU, die nicht immer zufrieden war mit ihrem Vorsitzenden und Innenminister, hat Interesse an einem langsamen Ende der insgesamt glücklosen Ära Strobl. Im Oktober wählt die Südwestpartei turnusgemäß ihren Vorsitzenden. Es wird erwartet, dass dort der Fraktionschef Manuel Hagel zu Strobls Nachfolger an der Parteispitze gewählt wird. Danach hätte Strobl bis zum Ende des Untersuchungssauschusses noch mindestens ein Jahr Zeit, über einen Rücktritt als Innenminister nachzudenken.
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