Vorwürfe gegen HSV-Spieler Bakery Jatta: Möglicherweise ein Tiefstapler
HSV-Profi Bakery Jatta ist angeblich nicht der, der er vorgibt zu sein. Selbst wenn das stimmen sollte, könnte er glimpflich davonkommen.
Gilt für Bakery Jatta die Unschuldsvermutung?
Die Unschuldsvermutung gilt nur im Strafrecht, nicht aber im Ausländerrecht. Doch auch dort ist ein rechtsstaatliches Verfahren vorgesehen, das nicht allein auf Gerüchten und Medienberichten basieren wird.
Welche Auswirkungen hätte eine Täuschung auf Jattas Aufenthaltsrecht?
Jatta kam als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland und hat keinen Asylantrag gestellt. Dies ist nicht unüblich, weil unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Regel nicht abgeschoben werden.
Als Jatta das nach seiner Schilderung entsprechende Volljährigkeitsalter erreichte, schloss der HSV mit ihm einen Arbeitsvertrag. Auf dieser Grundlage erhielt Jatta auch eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, die jüngst verlängert wurde.
Die Aufenthaltserlaubnis kann zurückgenommen werden, wenn sich herausstellt, dass Jatta bei der Identität getäuscht hat.
Welche Vorteile hätte Jatta eine Täuschung gebracht?
Im Asylverfahren hätte ihm die Täuschung über die Identität wohl nichts gebracht. Antragsteller aus Gambia haben minimale Asyl-Anerkennungsquoten. Vermutlich diente eine etwaige Identitätstäuschung nur der Vertuschung einer Altersmanipulation. Die Angabe eines niedrigeren Alters kommt bei jungen Flüchtlingen häufig vor, weil unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erst mal nicht abgeschoben und viel besser betreut werden als Erwachsene.
Muss Jatta im Falle einer Täuschung mit einer Abschiebung rechnen?
Wenn Jatta sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verliert, muss er das Land verlassen. Eine Abschiebung käme aber nur dann in Betracht, wenn er nicht freiwillig ausreist. Es ist allerdings denkbar, dass Jatta dann eine neue Aufenthaltserlaubnis mit korrekter Identität bekommt. Falls der HSV weiter an seinem Spieler interessiert ist, würde der Vertrag ja fortbestehen. Jatta hätte also ein (mehr als) ausreichendes Einkommen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Bei Profi-Sportlern liegt meist auch ein öffentliches Interesse vor. Aufenthaltsrechtlich könnte ein Schwindel in seinem Fall also glimpflich ausgehen.
Könnte der HSV den Vertrag mit Jatta auflösen?
Wenn ein Vertragspartner bei einem Arbeitsvertrag über seine Identität täuscht, ist dies keine bloße Formalie. Zumindest der damit verbundene Vertrauensbruch wiegt schwer. Der HSV könnte den Vertrag deshalb wegen arglistiger Täuschung anfechten. Er muss dies aber nicht tun. Schließlich war er mit Jatta als Spieler bisher auf und neben dem Platz durchaus zufrieden.
Was droht Jatta im Fall einer Täuschung strafrechtlich?
Ein Betrug liegt wohl nicht vor. Jatta hat den Vertrag mit dem HSV nicht deshalb erhalten, weil er über seine Identität getäuscht hat. Im Gegenteil, Jatta hat sogar seine bisherigen Erfahrungen als Jugendnationalspieler verschwiegen. Er wäre im Fall einer Täuschung kein Hochstapler, sondern ein Tiefstapler gewesen. Wenn sich dagegen herausstellt, dass der Pass, auf den sich Jatta beruft, gefälscht ist, wäre dies als Urkundenfälschung strafbar. Dazu gehört auch die Benutzung einer unechten Urkunde. Jatta könnte hier allerdings mit einer Geldstrafe davonkommen.
Verliert der HSV die Punkte aus dem Spiel gegen Nürnberg?
Nürnberg beruft sich darauf, dass Jatta nicht spielberechtigt war, falls seine Spielberechtigung auf einen falschen Namen lautet. Der Einsatz eines nicht-spielberechtigten Spielers führt zwar in der Regel dazu, dass das Spiel mit 2: 0 für die gegnerische Mannschaft gewertet wird. An eine jahrelange Identitätstäuschung hat hier aber sicher niemand gedacht. Der Ausgang des Verfahrens wäre also auch im Falle einer Täuschung sehr ungewiss.
Müssen auch noch andere HSV-Spiele überprüft werden?
Falls die fehlende Spielberechtigung im Spiel gegen Nürnberg ein Problem war, war sie dies auch in den drei Spielzeiten zuvor. Dem HSV drohen hier aber keine Sanktionen mehr. Einspruch gegen eine Spielwertung ist nämlich nur binnen zwei Tagen möglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit