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Vorwürfe gegen Grünen Stefan GelbhaarBelästigte er Parteikolleginnen?

Die Anschuldigungen gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar wegen sexueller Belästigung verdichten sich. Er streitet alles ab.

Stefan Gelbhaar weist die Vorwürfe entschieden zurück und sieht darin eine gezielte Hetzjagd auf ihn Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stehen schwere Vorwürfe wegen sexueller Belästigung im Raum. Sie waren bislang wenig konkret, doch nun hat der Berliner Bundestagsabgeordnete die Beschuldigungen gegen ihn auf seiner Homepage veröffentlicht. Und sogleich dementiert.

Laut eigener Aussage informierte die Ombudsstelle der Grünen ihn am 13. Dezember 2024 über die Vorwürfe, jedoch ohne Details zu nennen. Am 27. Dezember seien ihm dann 5 konkrete Vorwürfe von Jour­na­lis­t*in­nen übermittelt worden. Zuvor hatten Betroffene dem rbb ihre Erfahrungen mit Gelbhaar geschildert, teils mit eidesstattlicher Versicherung.

Die Vorwürfe wiegen schwer. Eine Parteikollegin wirft dem Verkehrspolitiker vor, er habe sie nach einer Parteiveranstaltung nach Hause gebracht, sei gegen ihren Willen geblieben, habe sich neben sie gelegt, sie geküsst und ihre Kleidung ausgezogen. Am nächsten Morgen sei sie nackt aufgewacht, die Kleidung teils gerissen. Eine andere beschuldigt ihn, ihr ohne Zustimmung an Brust und Gesäß gefasst zu haben, eine weitere Frau soll er geküsst haben, anschließend gelacht und gesagt, dass sie ihr Gesicht sehen müsse. Als sie ihn damit konfrontierte, habe er entgegnet, dass ihr sowieso niemand glauben würde. Nach einem Treffen der Grünen Jugend Nord-Berlin im Jahr 2021 hätten sich mehrere Frauen an den Vorstand gewandt und von „unangenehmen Erfahrungen“ mit ihm berichtet.

Gelbhaar streitet die Vorwürfe allesamt ab: Sie seien „frei erfunden“, „gelogen“, „vage“ und „unkonkret“, schreibt er in einer detaillierten Stellungnahme auf seiner Website. Er sieht darin eine Hetzjagd auf seine Person: „Das Ziel ist, mich massiv zu diskreditieren, überdies Teile der Partei in Aufruhr zu versetzen und der Partei zu schaden.“ Gegen die „Falschbehauptungen“ wolle er juristisch vorgehen.

Viertes Ombudsverfahren gegen Gelbhaar

Bislang erstattete keine der Personen, die Vorwürfe gegen Gelbhaar erhoben, Anzeige. Laut rbb zögerten Betroffene aus Karriereängsten, sich durch eine Anzeige zu erkennen zu geben, da Gelbhaar in der Partei gut vernetzt sei. Es ist nicht das erste Ombudsverfahren gegen den Grünen-Politiker. Auf seiner Internetseite berichtet er über zwei weitere Verfahren 2009 und 2021 wegen als unangebracht empfundenen Äußerungen und Nachrichten. Nach rbb-Informationen gab es 2023 ein drittes Verfahren. Konsequenzen blieben in allen Fällen aus.

Das könnte sich nun ändern: Nach Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte Dezember verzichtete Gelbhaar unter parteiinternem Druck auf seine Kandidatur für den aussichtsreichen Listenplatz 2. Der Posten ging stattdessen an den Neuköllner Abgeordneten Andreas Audretsch, der zugleich Wahlkampfmanager von Spitzenkandidat Robert Habeck ist.

An seiner Kandidatur als Direktkandidat im Wahlkreis Pankow hält Gelbhaar jedoch fest. Im November war er mit 98,4 Prozent der Stimmen gewählt worden. Darüber soll am 8. Januar erneut abgestimmt werden, teilte der Vorstand des Kreisverbandes Pankow der taz mit. Einen Gegenkandidaten gibt es bislang nicht.

Aufgeheizte Stimmung im Kreisverband

Die aktuelle Situation sei für den Kreisverband „sehr belastend“, so der Vorstand zur taz. „Damit umzugehen ist eine große Herausforderung für unsere Mitglieder.“ Einige sollen laut rbb angekündigt haben, keine Wahlplakate mit Gelbhaars Bild aufzuhängen, falls er als Direktkandidat aufgestellt bleibe. In Chatgruppen der Pankower Grünen sollen manche ihre Ablehnung kundtun, während andere ihm den Rücken stärken.

Der Kreisvorstand betont: „Unsere Partei steht für einen respektvollen Diskurs. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser erhalten bleibt und alle Menschen sich in unserer Partei sicher und wohl fühlen.“ Auch die Landesvorsitzenden der Berliner Grünen, Nina Stahr und Philmon Ghirmai, sagten dem rbb, dass sie die Anschuldigungen ernst nähmen und die Beschwerdestrukturen prüfen würden.

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11 Kommentare

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  • Beides wäre ein Fehler:



    Den Vorwürfen nicht prüfend nachzugehen, schließlich sind eidesstattliche Erklärungen im Raum.



    Den Vorwürfen ungeprüft zu glauben, denn zuweilen wird eben auch mit solchen Manövern gearbeitet, um jemanden "weg" zu bekommen.



    Warten wir doch auf Klärung der Sachlage.

  • Ja, der Furor funktioniert auch im eigenen Haus

  • wenn die "Anschuldigungen" stimmen, sollten die Frauen so mutig sein und Anzeige erstatten (sind denn alle nur auf Karriere aus?); folgerichtig wäre dann ein Parteiausschluss...

  • Wird er sich anzüglich benommen haben ? Schon möglich. Stimmen die schweren anonym vorgebrachten Vorwürfe ? Vermutlich eher nicht .Besteht eine elementares Interesse der Grünen Parteispitze Audretsch in den Bundestag zu bringen ? Definitiv mit 100 %. Ist dies durch ein Grünes Direktmandat in Pankow gefährdet ? Sehr gefährdet. Kann dieser Gefahr Abhilfe geschaffen werden, indem Pankow kein Grünes BT Direktticket erwirbt ? Ja. Sinkt durch die Gelbhaar Anschuldigungen die Möglichkeit, egal welches Kandidaten, dass Grüne Pankow wieder das Direktmandat holt ? Definitiv. Ist es Zufall, dass sowohl die Möglichkeit des Scheiterns des Audretsch BT Mandats trotz Listenplatztes zeitglich mit dem darauf folgenden Vorwürfen des "dafür mit seinen möglichen Direkteinzug in den BT verantwortlichen Bezirk Pankow " im gleichen Treffen thematisiert wurden ? Hm. Man wünscht sich, naiv sein zu können.

    • @Jesus vom Himmel:

      "Stimmen die schweren anonym vorgebrachten Vorwürfe ? Vermutlich eher nicht ."

      Was wissen Sie, was wir nicht wissen? Hat ihr Führungsoffizier nähere Informationen?

  • Falsch:



    "Die Anschuldigungen gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar wegen sexueller Belästigung verdichten sich."

    Richtig: "Einige der im Dezember erstmals vorgebrachten Vorwürfe wurden der Presse zugespielt, diese hat Gelbhaar dazu befragt, und erst seitdem weiß er nach seinen Angaben überhaupt, was ihm vorgeworfen werde - und hat dem widersprochen. Genauer Ort, Uhrzeit und Details waren da nicht angegeben, und die Mehrzahl der Vorwürfe kennt er noch gar nicht."

    Vorher gab es recht harmlose Äußerungen, die aber jemanden gestört hatten.

  • Der Begriff "sexuelle Belästigung" ist zu unklar.

    Zwei ältere Vorwürfe, laut Geldhaars Webseite beigelegt:

    2021 eine Instagram-Nachricht in einem halbjährigen, freundschaftlichen Austausch, : „Was machst, wann sehen wir uns mal wieder? :) Wann lädst mich zu Dir ein? :)“.

    2009 der Satz (mündlich) "Das ist aber eine schöne Familiensituation" in einer kleinen Gruppe.

    Ist das jeweils schon "sexuelle Belästigung"?

    Man kann jemanden ja nicht nur ins Bett zu sich einladen. Zugegeben, in Berlin lädt man Fremde häufig nur ins Café zu Gesprächen (!) ein, im ländlichen Raum und vor 20+ Jahren häufiger nach Hause.

    Andere Vorwürfe, die nach meinem Verständnis schon mehr sind als nur Belästigung, und abgestritten werden:

    Er habe im Februar 2023 "ihre Brust angefasst und geknetet ... . Die andere Hand legte er auf das Gesäß der Frau."

    Von Nov. 2023: "Er half ihr aus der Jacke und wollte dann gegen ihren Willen andere Kleidungsstücke ausziehen. Er kniete mit einem Bein auf ihren Beinen und hielt ihre Arme fest, so dass die Frau nicht treten konnte. ...Die Frau wachte am nächsten Morgen nackt auf, die Kleidung war teils gerissen. "

    Eine Woche vor der Listenaufstellung vorgeworfen ?!!

    • @meerwind7:

      Wenn man Ihnen erklären muss, was zur "sexuellen Belästigung" gehört, sollte man Sie möglichst weit von Frauen weghalten. Wie wäre es, Frauen als gleichberechtigte Menschen zu respektieren, sie zu behandeln wie auch Sie selbst behandelt werden möchten? Wenn Sie dies tun, wird Ihnen garantiert keine Frau sexuelle Belästigung vorwerfen.

  • Oh so was. Auch bei den Grünen gibt es anscheinend nicht nur Heilige.



    Wenn das stimmt, muss die Partei ihn rauswerfen.

  • Die Berliner Grünen sind schon ein besonders peinlicher Verein.

    • @Ted007:

      Kein spezifisches Berlin-Problem. Das "Schöne" : Bei CDU, SPD, Die Linke, FDP, BSW & AFD genau das Gleiche. Vieles betrifft die Jugendorganisationen, aber wenn man in die Landesverbände guckt, wird es nicht besser: Intrigen, Machtkämpfe, bodenlose Social-Media-Beiträge (der Grüne-Jugend-Chefin-Böller-Spruch war wenigstens witzig). Da wird mit Grauen Wölfen abgekumpelt (CDU, SPD) oder Islamisten (waren bis auf BSW auch alle schon dabei), Grußadressen an Figuren wie Musk und Milei abgesetzt (FDP), irgendwelche Putin-Apparatschiks besucht (SPD, AfD, BSW) oder der hinterletzte Dorf-Nazi macht den lästigen Schreibkram im Büro (AfD) und was weiß ich für Leute noch (eine CSU-Delegation hat in den Achtzigern die Colonia Dignidad besucht). Das wird dann alles als normaler Vorgang dargestellt. Meist auch völlig ohne Konsequenzen.

      Und dann gibt es ja noch den Bundestag....