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Vorwürfe gegen Berliner Grünen-PolitikerGelbhaar gibt nicht auf

Der umstrittene Berliner Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar will die Neuabstimmung über seine Bundestags-Direktkandidatur in Pankow verschieben lassen.

Sieht sich als Opfer einer Intrige: Grünen-Bundestagsabgeordneter Stefan Gelbhaar Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin dpa | Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar will weiterhin in Berlin-Pankow für das Direktmandat bei der Bundestagswahl kandidieren. Der 48-Jährige, gegen den mehrere Frauen Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben haben, will eine Verschiebung der für Mittwoch angekündigten Wahlversammlung erreichen, bei der über die Direktkandidatur abgestimmt werden soll, wie ein Sprecher des Kreisverbands Pankow sagte. Gelbhaar hat die Vorwürfe gegen ihn als „frei erfunden“ zurückgewiesen.

Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet und sich auf ein Schreiben von Gelbhaars Anwalt an das Landesschiedsgericht der Partei berufen. In einem „Antrag auf einstweilige Anordnung“ werde dem Kreisvorstand der Grünen in Pankow „aufgegeben“, die Wahlversammlung um eine Woche auf den 15. Januar oder einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, so der Spiegel.

Der Kreisvorstand habe den Antrag in Kopie erhalten, sagte der Sprecher. Im Vorstand gebe es derzeit Gespräche dazu. Kurz nach Beginn des neuen Jahres hatte der Vorstand Gelbhaar dazu aufgefordert, auf eine Kandidatur zu verzichten.

Lagodinsky will nicht mehr kandidieren

Für Mittwoch hatten mehrere Grüne ihre Kandidatur angekündigt, darunter die 34-jährige Ostberlinerin Julia Schneider, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, und der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky. Der 49-jährige Lagodinsky, der wie Gelbhaar zum in Pankow starken Realo-Flügel gehört, habe inzwischen allerdings einen Rückzieher gemacht, so der Sprecher des Kreisverbands.

Grünen-Bundesvorsitzender Felix Banaszak sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv zu Gelbhaars Direktkandidatur: „Das ist seine Entscheidung.“ Er selbst habe keinen Kontakt zu ihm aufgenommen, um ihn zum Rückzug aufzufordern. Der Kreisvorstand, der das getan habe, habe aber sein Vertrauen. Die Grünen in Pankow hätten es sich nicht leicht gemacht. „Und deshalb habe ich keinen Grund, an deren Vorgehen zu zweifeln.“

Gelbhaar hatte an Silvester auf seiner Website ausführlich Stellung bezogen. „Die Vorwürfe sind gelogen“, erklärte er. Bei dem Vorgang müsse es sich „um eine in Teilen geplante Aktion“ handeln mit dem Ziel, ihn massiv zu diskreditieren – die damit adressierten Parteilinken bei den Grünen weisen Gelbhaars Unterstellung von sich. Mitte November war der Bundestagsabgeordnete bei einer früheren Wahlversammlung mit 98,4 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten für Pankow gewählt worden.

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6 Kommentare

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  • „ Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet …“



    der spiegel hat den Fall Relotius noch überhaupt nicht überwunden:



    Teilweise geht den JournalistInnen immer noch die Erregung medialer Aufmerksamkeit vor journalistischen Grundprinzipien (siehe Vicky Bargels Bericht über die Eröffnung des Buchladens des Katapult-Magazins aus Greifswald in Cottbus-Sonneberg ta6496972.emailsys...3/1996ef8193.html)



    Das Spiegelchen sollte als Quelle für die TAZ ausscheiden … wie BamS und Konsorten!

  • Bei dieser unappetitlichen Geschichte gibt es nur Verlierende.



    Sollten die Vorwürfe stimmen, wäre Gelbhaar nicht tragbar. Er ist durch die Vorwürfe ohnehin schwer beschädigt, wenn nicht erledigt.



    Sollten die Vorwürfe erstunken und erlogen sein, wirft das ein wahrhaft schlechtes Bild auf diesen Kreisverband, in dem Intrigantentum das politische Handeln bestimmt. Rufmord ist hier Mittel zum Zweck.



    Der Lack blättert langsam ab von dieser Partei.

  • „Die Grünen in Pankow hätten es sich nicht leicht gemacht. Und deshalb habe ich keinen Grund, an deren Vorgehen zu zweifeln.“

    Wissen die mehr? wer hier nicht zweifelt ist wohl ein Heuchler. Passt zu den Grünen/Team Robert.

  • Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass der Beschuldigte gegen Bild einen juristischen Erfolg erzielte. Er geht gegen andere Kernvorwürfe von Betroffenen in anderen Medien juristisch vor.



    Was an dem Fall irritiert, ist, dass Informationen über die Fälle trotz Vertraulichkeit innerhalb der Ombudsstelle der Grünen an die Medien gelangten.



    Wenn es um so viel geht - immerhin die Karriere von Gelbhaar - warum geben die Betroffenen nicht öffentlich Auskunft? Wovor haben sie Angst? Dass Aussage gegen Aussage steht, nichts beweisbar ist? Es eine Kultur von Sexismus in allen Lebensbereichen gibt?

    Dafür spricht laut Handelsblatt ein ähnlicher Fall bei einem Milliardenfonds: Flaschendrehen mit dem halbnackten Chef im Hotel Edelweiss in Zürs: Das Motto lautet „Stay sexy in a distant universe“.

    Und in dem Zusammenhang sei auch die Causa Mischke erwähnt: Top-Moderatorenposten für einen, der in seinem Buch die Werte des Feminismus beim Thema Sex mit Füssen tritt. Und die ARD-Verantwortlichen (wer eigentlich genau?) dachten sich bei der Personalie rein gar nichts? hinterließen einen Scherbenhaufen im Bereich der Kultur der ARD, als es zu Protesten gegen Mischke in der Kulturwelt kam.

  • Das Canceln auf Verdacht und ohne konkrete Beweise vorzulegen ist auf erschreckende Weise zu einer Art Volkssport geworden. Wenn es etwas justiziables gibt, dann sollten sich Gerichte darum kümmern und es sollte nicht einer zweifelhaften Selbstjustiz nachgegeben werden. Fast 100 Prozent haben Gelbhaar zum Direktkandidaten gewählt. Gab es die sog. Vorfälle erst danach oder warum kommt erst jetzt die ganze Sache auf die Agenda?

  • Der Mann wurde ja wohl mit 98,4 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten für Pankow gewählt.



    Gab es bei der Wahl Unregelmäßigkeiten ?



    Oder kann bei den Grünen jeder Vorstand einfach eine Wahl annullieren, wenn ihm das Ergebnis nicht gefällt ?