Vorwahlen bei den US-Demokraten: Sanders kämpft weiter

Der Politiker will weiter Druck auf das Establishment der Demokraten ausüben. Nur mit progressiver Politik könne Biden Präsident Trump schlagen.

Weggeworfenes Wahlplaket für bernie Sanders in Burlington

Das war's: weggeworfene Wahlwerbung für Bernie Sanders in Burlington im US-Bundesstaat Vermont Foto: reuters

BERLIN taz | Bernie Sanders hat am Mittwoch seine Mission aufgegeben, bei der Wahl im November Präsident der USA zu werden und in diesem Amt das Land grundlegend umzugestalten. Dies sei für ihn eine sehr schwere Entscheidung gewesen, sagte er seinen AnhängerInnen in einer Videobotschaft. Aber es sei für ihn rechnerisch wohl nicht mehr möglich, die Nominierung der Demokratischen Partei zu gewinnen, nannte er als einen Beweggrund.

Deshalb rief er seine AnhängerInnen auf, Joe Biden zu unterstützen, den ehemaligen Vizepräsidenten unter Barack Obama und nach den bisherigen Vorwahlen führenden demokratischen Kandidaten.

In einem Interview mit dem TV-Host Stephen Colbert nannte Sanders Biden am Mittwochabend „einen sehr anständigen Menschen“, mit dem er schon in der Obama-Ära gut zusammengearbeitet habe. Biden verfolge andere politische Ziele als er selbst, aber er hoffe, ihn nun in eine progressivere Richtung zu bewegen. Vor allem werde er alles tun, um sicherzustellen, dass Donald Trump nicht wiedergewählt werde.

Sanders machte deutlich, dass er nicht aus dem Wahlkampf verschwinden werde, als habe es seine Kandidatur und die von ihm aufgebaute Bewegung nie gegeben. Er wolle bei den noch anstehenden Vorwahlen weiter Delegierte sammeln und den Druck auf das Partei-Establishment beibehalten, um so die Demokraten in eine progressivere Richtung zu drängen. „Während ich meine Kandidatur beende, geht der Kampf für mehr Gerechtigkeit weiter“, schrieb er auf Twitter.

Höherer Mindestlohn

Sanders fordert vor allem eine allgemeine staatlich organisierte Gesundheitsversorgung, einen höheren Mindestlohn und den Erlass aller Schulden, die Studierende für ihre Hochschulausbildung angesammelt haben.

Gerade die Corona-Pandemie, die die USA besonders hart getroffen hat, legt die eklatanten Schwächen des US-Gesundheitssystems offen. Sie bestehen weiter – trotz der Reform, die Obama durchsetzte und deren Rücknahme Präsident Trump schon in seinem Wahlkampf 2016 ankündigte. Das ist ihm allerdings nur zu einem kleinem Teil gelungen, da eine große Mehrheit der Bürger nach anfänglicher Skepsis inzwischen Obamacare unterstützt.

Dies sei „die furchterregendste und gefährlichste Periode in der modernen Geschichte unseres Landes“, sagte Sanders vor einer Woche in einem Interview mit der Wochenzeitung The Nation.

Das Land stehe vor einer Wirtschaftskrise von bisher nie gesehenen Ausmaßen, aber auch vor einer gewaltigen Krise des Gesundheitssystems, die den Tod von Hunderttausenden zur Folge haben könnte. „Wir müssen uns fragen, wie wir im reichsten Land der Welt in solch eine Lage kommen konnten“, sagte Sanders.

Keine andere Wahl

Die Krise habe die harte soziale Realität der heutigen USA in klaren Umrissen sichtbar gemacht. Sie bestehe darin, dass Leute in ihren Jobs ihre Gesundheit riskieren, weil sie sich mit dem Coronavirus infizieren könnten. Ihnen bleibe aber keine andere Wahl, weil sie das Geld brauchen, sagte Sanders in dem Interview.

Er kritisierte auch das vom Kongress Ende März verabschiedete Rettungspaket, für das 2 Billionen Dollar vorgesehen sind, denn 500 Milliarden davon könne Trump an seine Freunde in den Großkonzernen verteilen. Gut seien an dem Rettungspaket lediglich die direkten Zahlungen von 1.200 Dollar an jeden Erwachsenen und 500 Dollar an jedes Kind.

Die Wahlkampagne habe sich durch die Corona-Pandemie dramatisch verändert, sagte Sanders. Er müsse – wie Joe Biden auch – sich nun über das Internet, über soziale Medien und Livestreams an seine UnterstützerInnen wenden.

Einige seiner Livestreams seien von zwei Millionen Menschen verfolgt worden. Das sei „wirklich ziemlich gut“, aber die Möglichkeiten, Wahlkampf zu führen, blieben sehr eingeschränkt. Dabei wäre es gerade jetzt so wichtig, die politischen Alternativen darzulegen, bedauerte Sanders.

Nicht vor den Kopf stoßen

Joe Biden, der jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach im August auf dem Parteikonvent zum offiziellen Kandidaten gekürt wird, hat stets deutlich gemacht, dass er Sanders’ Reformeifer nicht teilt. Er steht nun vor der Aufgabe, jenes überwiegend junge, progressive Segment der Demokratischen Partei nicht vor den Kopf zu stoßen, damit sie dann auch im November tatsächlich zur Wahl gehen und ihm ermöglichen, Trump aus dem Weißen Haus zu drängen.

In einer ersten Reaktion lobte Biden, dass Sanders mit seinen Ideen eine breite politische Bewegung geschaffen habe. Und Sanders sagte in dem Interview mit Stephen Colbert, Biden habe verstanden, dass „er, um den Präsidenten zu schlagen, um Trump zu schlagen, neue Leute in seine politische Welt hereinlassen und sich in eine andere Richtung als bisher bewegen muss“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.