Vorwahl in Frankreich: Sozialisten steuern auf Linksruck zu
Bei Frankreichs Sozialisten hat sich in der ersten Runde der Vorwahl überraschend Benoît Hamon durchgesetzt. Expremier Manuel Valls landete auf dem zweiten Platz.
Valls war ursprünglich als Favorit ins Rennen gegangen. Doch Hamon lag mit 36,3 Prozent gut fünf Prozentpunkte vor ihm – und bekam zudem noch am Sonntagabend die Unterstützung des Drittplatzierten Arnaud Montebourg, der knapp 18 Prozent holte. Damit erscheint ein Linksruck der Sozialisten vorgezeichnet.
Valls griff Hamons Programm noch am Sonntagabend frontal an. Es gehe jetzt um eine Entscheidung „zwischen nicht zu realisierenden und nicht zu finanzierenden Versprechen und einer glaubwürdigen Linken, die die Verantwortung für das Land übernimmt.“ Für die Stichwahl sei noch nichts entschieden.
Die Sozialistische Partei ist nach fünf schwierigen Regierungsjahren und dem Verzicht Hollandes auf eine neue Kandidatur schwer angeschlagen. Egal welcher der beiden Finalisten das Rennen macht: Umfragen für die Präsidentschaftswahl sehen ihn bislang abgeschlagen, zuletzt sogar auf dem fünften Platz. Als Favoriten für die Stichwahl im Mai gelten der Konservative François Fillon und die Rechtspopulistin Marine Le Pen von der Front National.
750 Euro Grundeinkommen
Hamon begrüßte das Ergebnis der ersten Vorwahlrunde als „klare Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung“. Er hatte vor allem mit der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für Schlagzeilen gesorgt, das langfristig 750 Euro pro Monat erreichen könnte. Die Kosten dafür werden auf mindestens 300 Milliarden Euro jährlich geschätzt.
Valls dagegen steht für einen eher reformorientierten und wirtschaftsfreundlichen Kurs und gehört damit zum rechten Flügel der Sozialisten. Im Wahlkampf verteidigte er die teils heftig kritisierte Regierungspolitik unter Hollande.
In der Schuldenpolitik will Valls etwa die europäische Defizitgrenze von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten, während Hamon ein Moratorium für den Euro-Stabilitätspakt fordert, der die Drei-Prozent-Grenze setzt. Am Mittwochabend treffen die beiden in einem TV-Duell aufeinander.
Konkurrenz von Links
Die Lage für Frankreichs Sozialisten wird noch dadurch erschwert, dass das linke Lager zersplittert auftritt. Unabhängig von der Vorwahl bewerben sich unter anderen der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon und der aus der PS ausgetretene frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron um das höchste Staatsamt im Élyséepalast. Der Polit-Jungstar Macron konnte zuletzt in Umfragen Boden gutmachen und lag mit etwa 20 Prozent auf Platz drei.
Insgesamt hatten sich sieben Politiker der Sozialisten und mehrerer verbündeter Kleinparteien beworben. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Einschätzungen der Organisatoren zwischen 1,5 und 2 Millionen Wählern. Das ist weniger als bei der linken Vorwahl vor fünf Jahren und deutlich weniger als beim bürgerlichen Lager, wo im November mehr als 4 Millionen Menschen abstimmten. Abstimmen konnten alle Franzosen, die im Wählerregister stehen, sie mussten sich aber per Unterschrift zu den Werten des linken Lagers bekennen.
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