Vorstands-Triell bei der SPD Berlin: Da schaut auch die CDU genau hin
Berlins Sozialdemokraten können per Urwahl über ihre künftige Landesspitze entscheiden. Das betrifft auch den Koalitionspartner.
E s ist eine Umfrage unter SPD-Mitgliedern, es geht um den SPD-Landesvorsitz, und die drei Duos, die sich am kommenden Dienstag bei einem Triell erstmals zusammen präsentieren werden, sind erst mal nur eine Angelegenheit des Koalitionspartners. Und doch betrifft das, was sich in den nächsten Wochen bis Mitte Mai bei Berlins Sozialdemokraten abspielen wird, auch die CDU unmittelbar. Denn wer bei der SPD künftig Nummer 1 wird, ist durchaus bedeutsam für die Arbeit einer schwarz-roten Landesregierung.
Und da ist es durchaus möglich, dass auf das jetzige Duo aus Raed Saleh und Franziska Giffey, zudem Fraktionschef und Wirtschaftssenatorin, ein Vorsitzpaar folgt, das der CDU weit ferner steht. Eine Koalition mit der CDU basiere „immer nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner“, war jüngst von Kian Niroomand zu lesen, einem der jetzigen Vizevorsitzenden, der sich zusammen mit Jana Bertels bewirbt. Man müsse wieder dahin kommen, die Stadt politisch zu prägen – „und das geht am besten mit linken Koalitionen jenseits der CDU“.
Das mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner steht in gewissem Gegensatz zu Beteuerungen von Regierungschef Kai Wegner (CDU), aber auch von führenden SPDlern, man arbeite im Senat gut zusammen und bringe Dinge voran. Jüngstes Beispiel ist die Verwaltungsreform: Die strebte auch schon die von 2016 bis 2023 regierende Vorgängerkoalition aus SPD, Grünen und Linkspartei an. Sie kam aber nicht annähernd so weit wie Schwarz-Rot in seiner bislang noch nicht mal elfmonatigen Amtszeit.
Niroomand, Bertels und die sie tragenden Kräfte inklusive des Parteinachwuchses, der Jusos, wirken mit ihrer CDU-als-Notnagel-Haltung wie ein Teil einer Beziehung, der nur deshalb noch bleibt, weil Wohnungen knapp und zumindest die Bratkartoffeln des Partners doch lecker sind. Wegner und Kollegen werden also genau hinschauen, wie sich die drei Duos am Dienstagabend und in den folgenden Wochen präsentieren – und wie die Mitglieder darauf reagieren.
Vorwürfe gegen Saleh
Neben Niroomand und Bertels tritt dabei der aktuelle Co-Chef Saleh mit der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverordneten Luise Lehmann an. Saleh bezeichnet sich gern als links, ist aber letztlich pragmatisch. Was er als Weg sieht, zumindest zum Teil SPD-Politik durchzusetzen, interpretieren andere als Klammern an der Macht. Sie legen ihm nahe, von sich aus den Weg für eine Erneuerung freizumachen.
Klar im konservativen Parteiflügel verortet ist das dritte Duo: Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini. Über diese beiden sagte die langjährige Jusos-Landesvorsitzende Sinem Taşan-Funke jüngst laut Tagesspiegel: „Berlin braucht eine starke SPD, keine CDU light.“
Der niroomandsche Ansatz, die Parteiführung auf Distanz zu Regierung und Fraktion zu halten, um nicht aus einer Eingebundenheit heraus SPD pur zu verwässern, erinnert an eine ähnliche Kandidatur vor fast 12 Jahren. Da verdrängte der vormalige Friedrichshain-Kreuzberger Finanzstadtrat Jan Stöß den damaligen Landesvorsitzenden Michael Müller von der Parteispitze. Dort halten konnte er sich, bis Müller 2016, inzwischen Regierender Bürgermeister geworden, das Amt wieder für sich beanspruchte.
Was leicht außer Acht gerät bei der Suche der SPD-Linken nach „linken Koalitionen jenseits der CDU“: Statt einer solchen Regierung könnte der Weg auch in der Opposition enden. Denn eines hat CDU-Chef Kai Wegner mit Niroomand und Co. gemeinsam: Auch sein wahrer Wunschpartner sitzt gerade nicht im Senat. Als „meine Traumkoalition“ bezeichnete er gegenüber der taz noch kurz vor der Abgeordnetenhauswahl nicht Schwarz-Rot, sondern Schwarz-Grün.
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