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Vorstand zur Fußball-Club-Genossenschaft„Wir arbeiten Genossenschaft“

Der Sportverein FC St. Pauli veranstaltet ein Fest, um die eigene Genossenschaftsidee zu feiern. Bei näherem Hinsehen ist es eher eine Fachmesse.

Geht dieser Tage mehrheitlich in Genossenschaftsbesitz über: das Millerntor-Stadion bei der 0:4-Klatsche gegen Mönchengladbach Foto: Christian Charisius/dpa
Jan Kahlcke

Interview von

Jan Kahlcke

taz: Herr Borcherding, mit der St. Pauli-Genossenschaft haben Sie über 29 Millionen Euro eingesammelt. Haben Sie schon das Millerntor-Stadion gekauft?

Andreas Borcherding: Gefühlt habe ich das schon längst verinnerlicht, dass wir das Stadion gekauft haben. Aber dahinter stehen geschätzt 20 zivilrechtliche Verträge, die wir abschließen und zum Teil notariell beglaubigen lassen müssen. Das sollte zeitnah klappen. Aber bis es im Handelsregister eingetragen ist, kann es noch ein paar Tage dauern.

taz: Gerade haben Sie die Warteliste noch mal geöffnet. Wollen Sie noch mehr Kapital einsammeln?

Borcherding: Nein, aber wir öffnen die Warteliste für potenzielle Nachrücker. Für die wenigen Fälle, in denen Leute ihre Anteilszeichnung storniert haben. Oder falls welche von denen, die ihren Anteil ansparen, das Ziel nicht erreichen. Was wir natürlich nicht hoffen. Wir haben nicht das Ziel, jetzt noch mal weitere Millionen einzusammeln. Das sind Themen, die uns in ein, zwei Jahren wieder beschäftigen könnten.

Bild: FCSPeG
Im Interview: Andreas Bocherding

61, ist ehrenamtlicher Vorstand der Football Cooperative St. Pauli von 2024 eG. Vorher war er 25 Jahre Partner in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers.

taz: Was für Themen?

Borcherding: Alles, was das Stadion betrifft – ob man es nachhaltiger ausbaut, ob man die Ecken schließt, ob man die Kapazität erweitert. Wir haben eine Riesen-Nachfrage nach Karten, könnten jedes Spiel 40- bis 50.000 Zuschauer haben, aber das Stadion fasst nur knapp 30.000. Auch viele andere Themen rund um den Verein sind vorstellbar.

taz: Was spricht dagegen, einfach immer weiter Anteile einzusammeln und damit die Kapitalbasis zu verbreitern, wie die taz es tut?

Borcherding: Wir haben da ein anderes Modell. Es basiert darauf, dass wir das Geld, das wir einsammeln, in die Beteiligung am Stadion investieren. Wir haben die klare Erwartung, dass wir über die Pachteinnahmen eine gewisse Rendite ausschütten können. Wenn wir jetzt weiter Geld einsammeln würden, müssten wir das auch wieder irgendwo investieren, um diesen Anspruch auch zu bedienen. Deswegen gibt es immer wieder Schritte, die mit Kampagnen unterfüttert werden.

Wir haben mit dem FC St. Pauli eine super Marke, mit der wir vielleicht dem etwas angestaubten Image von Genossenschaften etwas entgegensetzen können.

taz: Am Sonnabend wollen Sie die Genossenschafts-Idee feiern. Was ist der Anlass?

Borcherding: Der Anlass ist die große Resonanz in der genossenschaftlichen Welt. Ich war im vergangenen Jahr bei einer fantastischen Veranstaltung der taz-Genossenschaft in Berlin. Da haben wir gemerkt, dass wir mit dieser Idee der ersten Genossenschaft im Profifußball einen spannenden Impuls in die genossenschaftliche Welt gegeben haben. Wir haben mit dem FC St. Pauli eine super Marke, mit der wir vielleicht dem etwas angestaubten Image von Genossenschaften etwas entgegensetzen können. Wir sind gestartet mit dem Motto „Ein anderer Fußball ist möglich“ und wir wollen jetzt sagen: Auch ein anderes Wirtschaften ist möglich. Wie setzen wir das um? Auch indem wir das Stadion öffnen für solche Veranstaltungen, für andere Genossenschaften. Wir wollen ein Forum bieten.

taz: Und was genau passiert da?

Borcherding: Es ist eine Veranstaltung nicht nur für Fußballinteressierte, sondern auch für Leute, die nicht an dieser genossenschaftlichen Idee Spaß haben. Da geht es um Energie, bezahlbaren Wohnraum. Oder um die Frage, wie man ein Unternehmen an die Mitarbeitenden weitergeben kann, wenn man keine Nachfolge hat – das sind wichtige Fragen in unserer Wirtschaft, die viele umtreiben und wo nicht jeder als Erstes an Genossenschaften denkt. Dabei kann das eine Lösung sein. Eine solidarische Lösung, die darauf ausgelegt ist, dass viele an einem Strang ziehen.

Das Genossenschaftsfest

Coop-Fest Samstag, 8. November, 12-19 Uhr, danach Party 19-22 Uhr, Ballsaal im Millerntor-Stadion. Tickets 25,- bis 120,- EuroAuch die taz-Genossenschaft ist mit einem Stand vertreten

taz: Klingt gar nicht so nach Fest.

Borcherding: Stimmt, es ist eher eine Fachmesse. Es geht ums Netzwerken, darum, dass man sich fachlich austauscht. Wir wollen gemeinsam Inhalte erarbeiten. Man könnte sagen „wir feiern Genossenschaft“, aber „wir arbeiten Genossenschaft“ auch.

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