piwik no script img

■ VorlaufAuf den Spuren des alten Vaters in Eritrea

„Asmara“. Arte, 0 Uhr

Irgendwann fangen Schriftsteller und Filmemacher an, ihre eigene Familie, ihre Heimatregion, ihre Vergangenheit zum Thema zu machen. Bei Paolo Poloni war das 1993, sein Vater Aurelio Poloni war 82 Jahre alt, der längst erwachsene Sohn trug Erinnerungen mit sich, wie er als Kind immer das Fotoalbum des Vaters hatte ansehen dürfen, in dem auch verschiedene Bilder aus Afrika eingeklebt waren, aus dem heutigen Eritrea, wo der Vater von 1935 bis 1950 gelebt hatte. Darunter ein Foto von sechs Schwarzen am Galgen – die Zungen hingen raus. Der Sohn war beeindruckt, der Vater schwieg.

Aurelio Poloni mochte nicht erzählen von seinem Leben in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, dabei war Paolo doch so stolz, in der Schule der einzige zu sein, dessen Vater in Afrika gelebt hatte. Der Film ist die Spurensuche des erwachsenen Paolo, zunächst in Lugano, wo die Eltern leben, mit Erinnerungen an das Schweizer Nest Schüpfheim, wo er als Kind der italienischen Ausländerfamilie groß geworden ist, schließlich, nach vorsichtigem Herantasten, gemeinsam mit dem Vater in Eritrea.

Der Junge stört den alten Mann. Der macht trotzdem mit. Als Automechaniker war er 1935 mit einer Panzerdivision nach Afrika gegangen, wo sich Mussolini anschickte, mit der Eroberung Abessiniens Ostfrika zu beherrschen. War der Vater Faschist? Na ja, er hatte einen Parteiausweis, oder nein, er hatte keinen, er hätte einen haben können, wegen der Arbeit, oder doch, er hatte einen, hat aber nie bezahlt, ach, wer weiß.

Dann die wichtigste Frage: Vater, hast du Kinder in Eritrea? Er weicht aus: „Ich weiß nicht... vielleicht...“ Er lächelt, schlägt vor, essen zu gehen. In Asmara suchen die beiden die alten Orte, finden sogar noch alte Bekannte des Vaters. Der Sohn erfährt, was er wissen wollte. Das Geheimnis, das der Vater ihm 40 Jahre lang vorenthielt, ist schließlich ganz anders, als der es sich vorgestellt hatte.

Paolo Polonis Film ist keine Abrechnung eines moralinsauren Besserwissers mit den Eltern. Es ist eine neugierige Auseinandersetzung mit dem Leben des Vaters – ganz ruhig, ganz detailliert, ganz liebevoll. Bernd Pickert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen