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Vorkaufsrecht in der Warschauer StraßeFür das „Haus mit dem Balkon“ schwindet die Hoffnung

Be­woh­ne­r:in­nen des maroden Hauses in der Warschauer Straße haben die Finanzverwaltung gebeten, ihr Zuhause zu retten – die soll Hilfe verweigern.

Die Be­woh­ne­r:in­nen des „Hauses mit dem Balkon“ bangen um ihr Zuhause Foto: Sandra Juto

Berlin taz | Das Wohnhaus an der Ecke Warschauer Straße/Kopernikusstraße ist wohl eines der prägnanteren in der Stadt. Gut sichtbar eine Holzkonstruktion, die x-förmig den darüber liegenden Balkon stützt. Kultig vielleicht, aber vor allem auch marode, klagen Bewohner:innen. Seit Jahrzehnten verwahrlost das Gebäude, das derzeit einem Luxemburger Fond gehört. Mehrere Wohnungen stehen leer.

Kürzlich weckte die Ankündigung des Baustadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), das Vorkaufsrecht für das Gebäude ziehen zu wollen, Hoffnung bei den Mieter:innen. Doch diese droht jetzt zerstört zu werden. Denn nachdem Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) angekündigt hatte, den Fall zu prüfen, ging laut Medienberichten am Donnerstagnachmittag die Absage von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bei den Be­woh­ne­r:in­nen der Warschauer Straße 25 ein.

Das wiederum dementiert die Pressestelle der Finanzverwaltung gegenüber der taz. Ein Schreiben des Finanzsenators, in dem das Vorkaufsrecht grundsätzlich ausgeschlossen werde, gebe es nicht. Tatsächlich aber hat Evers den angedachten Plan abgelehnt, das Haus durch die landeseigene Wohnungsgesellschaft Berlinovo zu erwerben und an eine Genossenschaft zu übergeben. Das teilte er den Haus­be­woh­ne­r:in­nen in einer E-Mail mit, die der taz vorliegt.

Der Vorschlag, das Gebäude an eine Genossenschaft weiterzuverkaufen, unterliege nicht der „satzungsgemäßen Tätigkeit“ von Berlinovo, heißt es darin. Darüber hinaus sei der Ankauf des Hauses unwirtschaftlich, Zuschüsse stünden für das Vorhaben ebenfalls nicht zur Verfügung.

Das Hauptproblem liege aber in der Zuständigkeit, so der Finanzsenator in dem Schreiben. Die liege bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, die sich mit dem Fall bisher aber gar nicht beschäftige, wie der taz auf Nachfrage mitgeteilt wird. Dennoch könne Senator Evers das Anliegen und die Sorgen der Haus­be­woh­ne­r:in­nen nachvollziehen, schreibt er weiter.

„Herber Schlag für die Hausgemeinschaft“

Kritik an Evers’ Reaktion kommt von Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünenfraktion für Wohnen und Mieten: „Die plötzliche Absage des Finanzsenators ist ein herber Schlag für die betroffene Hausgemeinschaft“, schreibt sie in einer Mitteilung. Sie befürchte ein „Behörden-Pingpong“, ein Hin- und Herschieben der Verantwortung.

Dafür bleibt jedoch keine Zeit. Bereits am kommenden Donnerstag läuft die Frist ab, um das Vorkaufsrecht zu ziehen. Neben der Berlinovo seien auch „weitere sechs landeseigene Wohnungsunternehmen in der Lage, das Vorkaufsrecht auszuüben“, so Schmidberger. Dafür bedürfe es aber des politischen Willens.

Das Vorkaufsrecht sieht sie auch als Druckmittel auf den bisherigen Eigentümer, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser würde er sich unter anderem verpflichten, keine Maßnahmen zu ergreifen, die Mieterhöhungen nach sich ziehen. „Das Vorkaufsrecht ist eines der wenigen Instrumente, die die Bezirke haben, um Mie­te­r*in­nen zu schützen“, so Grünenpolitikerin Schmidberger. Die Finanzverwaltung teilte der taz unterdessen mit, dass es vorrangiges Ziel sei, „die Investoren zum Abschluss einer Abwendungsvereinbarung zu bewegen“.

Noch halten die Bewohnerinnen des „Hauses mit dem Balkon“ ihre Hoffnungen hoch: Bis die Frist am 12. Juni verstreicht, könne auch eine der anderen landeseigenen Wohnungsgesellschaften das Vorkaufsrecht ausüben, wenn es dafür den politischen Auftrag gebe. Viele der Haus­be­woh­ne­r:in­nen sind auf soziales Wohnen und die niedrigen Mieten angewiesen. Auf dem freien Wohnungsmarkt hätten sie kaum eine Chance.

Am Freitag findet um 18 Uhr eine Kundgebung von Mieter:innen, Kie­zan­woh­ne­r:in­nen und Po­li­ti­ke­r:in­nen an der Kreuzung Warschauer Straße/Kopernikusstraße statt.

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5 Kommentare

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  • Es ist einfach traurig, dass ein Immobilienfond aus Luxemburg die Macht und Möglichkeit hat, über so viele unterschiedliche Leben hinweg zu entscheiden.



    Erst wird ein Häuserblock über Jahre vernachlässigt und freigewordene Wohnungen nicht neu vermietet, obwohl hier Wohnungen so dringend benötigt werden, um im Anschluss aus der Spekulationsmasse ein großes Geschäft zu erzielen.

    Die Berliner Antwort: Schulterzucken.

    Wie schön könnte das Leben sein, wenn Artikel 14 (2) einmal wirklich Anwendung finden würde.

    Naja, hoffentlich besinnt sich noch eine verantwortliche Person in den nächsten Tagen, um eine tragfähige Lösung - auch im Wohle der aktuellen Bewohnerinnen - zu finden. Wäre zu begrüßen.

    • @Tilman Bahls:

      Sollte das Haus nicht für die Bewohner gekauft werden? Im Artikel ist von Mietern die Rede.

      • @Dr. McSchreck:

        Können Sie Ihre Frage konkretisieren? Mir ist nicht genau klar, worauf Sie hinaus möchten.

        Im allgemeinen denke ich, dass Häuser für die jeweiligen Bewohnerinnen da sein sollte. Häufig sind Bewohnerinnen auch Mieterinnen.

        • @Tilman Bahls:

          Sie schreiben, dass die Wohnungen nicht neu vermietet wurden - der Bezirk will das Haus für die Mieter erhalten.

          Im übrigen würde "die Häuser für die Bewohner" bedeuten, dass alles bleibt, wie es ist. Für Neuankömmlinge eher schlecht.

          • @Dr. McSchreck:

            Aktuelle sind wohl 12 von 28 Wohneinheiten unvermietet. So schlecht müsste es also für Neuankömmlinge nicht sein, wenn denn Interesse bestehen würde, diese auch zu vermieten.

            Zwischen einem Willen und der tatsächlichen Umsetzung können manchmal Welten liegen. Willenszusagen sind günstiger als handeln.

            Für Neuankömmlinge ist es sowieso eher schlecht. Schauen Sie sich die aktuell aufgerufenen Mietpreise an.

            Noch ist anscheinend nichts entschieden. Hoffen wir das Beste für die aktuellen Bewohnerinnen und das hoffentlich auch bald die 12 leerstehenden Wohnungen an Neuankömmlinge vermietet werden können.