Vorkaufsrecht in der Warschauer Straße: Für das „Haus mit dem Balkon“ schwindet die Hoffnung
Bewohner:innen des maroden Hauses in der Warschauer Straße haben die Finanzverwaltung gebeten, ihr Zuhause zu retten – die soll Hilfe verweigern.
Kürzlich weckte die Ankündigung des Baustadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), das Vorkaufsrecht für das Gebäude ziehen zu wollen, Hoffnung bei den Mieter:innen. Doch diese droht jetzt zerstört zu werden. Denn nachdem Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) angekündigt hatte, den Fall zu prüfen, ging laut Medienberichten am Donnerstagnachmittag die Absage von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bei den Bewohner:innen der Warschauer Straße 25 ein.
Das wiederum dementiert die Pressestelle der Finanzverwaltung gegenüber der taz. Ein Schreiben des Finanzsenators, in dem das Vorkaufsrecht grundsätzlich ausgeschlossen werde, gebe es nicht. Tatsächlich aber hat Evers den angedachten Plan abgelehnt, das Haus durch die landeseigene Wohnungsgesellschaft Berlinovo zu erwerben und an eine Genossenschaft zu übergeben. Das teilte er den Hausbewohner:innen in einer E-Mail mit, die der taz vorliegt.
Der Vorschlag, das Gebäude an eine Genossenschaft weiterzuverkaufen, unterliege nicht der „satzungsgemäßen Tätigkeit“ von Berlinovo, heißt es darin. Darüber hinaus sei der Ankauf des Hauses unwirtschaftlich, Zuschüsse stünden für das Vorhaben ebenfalls nicht zur Verfügung.
Das Hauptproblem liege aber in der Zuständigkeit, so der Finanzsenator in dem Schreiben. Die liege bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, die sich mit dem Fall bisher aber gar nicht beschäftige, wie der taz auf Nachfrage mitgeteilt wird. Dennoch könne Senator Evers das Anliegen und die Sorgen der Hausbewohner:innen nachvollziehen, schreibt er weiter.
„Herber Schlag für die Hausgemeinschaft“
Kritik an Evers’ Reaktion kommt von Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünenfraktion für Wohnen und Mieten: „Die plötzliche Absage des Finanzsenators ist ein herber Schlag für die betroffene Hausgemeinschaft“, schreibt sie in einer Mitteilung. Sie befürchte ein „Behörden-Pingpong“, ein Hin- und Herschieben der Verantwortung.
Dafür bleibt jedoch keine Zeit. Bereits am kommenden Donnerstag läuft die Frist ab, um das Vorkaufsrecht zu ziehen. Neben der Berlinovo seien auch „weitere sechs landeseigene Wohnungsunternehmen in der Lage, das Vorkaufsrecht auszuüben“, so Schmidberger. Dafür bedürfe es aber des politischen Willens.
Das Vorkaufsrecht sieht sie auch als Druckmittel auf den bisherigen Eigentümer, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser würde er sich unter anderem verpflichten, keine Maßnahmen zu ergreifen, die Mieterhöhungen nach sich ziehen. „Das Vorkaufsrecht ist eines der wenigen Instrumente, die die Bezirke haben, um Mieter*innen zu schützen“, so Grünenpolitikerin Schmidberger. Die Finanzverwaltung teilte der taz unterdessen mit, dass es vorrangiges Ziel sei, „die Investoren zum Abschluss einer Abwendungsvereinbarung zu bewegen“.
Noch halten die Bewohnerinnen des „Hauses mit dem Balkon“ ihre Hoffnungen hoch: Bis die Frist am 12. Juni verstreicht, könne auch eine der anderen landeseigenen Wohnungsgesellschaften das Vorkaufsrecht ausüben, wenn es dafür den politischen Auftrag gebe. Viele der Hausbewohner:innen sind auf soziales Wohnen und die niedrigen Mieten angewiesen. Auf dem freien Wohnungsmarkt hätten sie kaum eine Chance.
Am Freitag findet um 18 Uhr eine Kundgebung von Mieter:innen, Kiezanwohner:innen und Politiker:innen an der Kreuzung Warschauer Straße/Kopernikusstraße statt.
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