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Vorkaufsrecht in der Karl-Marx-AlleeDen Deal verhindern

In der Karl-Marx-Allee will der Bezirk den Verkauf an die Deutsche Wohnen durchkreuzen. Auch die Mieter außerhalb de Milieuschutzes können hoffen.

Blick vom Strausberger Platz auf die karl-Marx.Allee Foto: dpa

BERLIN taz | „Kommerzallee“ steht auf einem von vielen Transparenten, die inzwischen aus den verkauften Häusern in der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain hängen. 700 Wohnungen hat sich die Deutsche-Wohnen-Tochter DWRE Alpha GmbH hier jüngst unter den Nagel gerissen, ein Geschäft im hohen dreistelligen Millionenbereich. Um den Deal noch zu verhindern, bleiben MieterInnen und Bezirk nur wenige Wochen Zeit.

Am besten stehen die Chancen bei dem Block D-Süd östlich der Straße der Pariser Kommune. Nur dieser, mit 87 Wohnungen, liegt im Milieuschutzgebiet. Hier will der Bezirk per Vorkaufsrecht zuschlagen. Etwa 30 Millionen Euro müsste die Wohnbaugesellschaft Mitte (WBM) dann auf den Tisch legen. Eine Muster-Abwendungsvereinbarung wurde dem Käufer bereits vorgelegt, sagt Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) auf Anfrage der taz.

Erst wenn die Deutsche Wohnen diese nicht unterschreibt, sich also weigert, für 20 Jahre die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten, kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden. Schmidt hatte angekündigt, in die Abwendungsvereinbarung auch die Begrenzung der Neuvermietungsmieten aufzunehmen und das Geschäft für den Käufer unattraktiv zu machen. Dass im Fall einer Weigerung der Deutschen Wohnen die WBM einspringt und dafür die nötigen Zuschüsse vom Senat bekommt, bezeichnet Schmidt als „wahrscheinlich“.

Doch auch die anderen mehr als 600 Wohnungen sollen nicht dem größten privaten Wohnungsunternehmen der Stadt überlassen werden. Am Montag erhielten alle BewohnerInnen der Blöcke C-Nord, C-Süd sowie D-Nord einen Brief vom Bezirk. Darin werden sie darüber informiert, dass die „Möglichkeit eines „treuhänderischen Kaufs“ geprüft werde. Die den MieterInnen zum Privatkauf angebotenen Wohnungen könnten dann in die Hände einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft gelangen.

Knebelverträge für die Mieter

Alle MieterInnen haben das Recht, ihre Wohnung selbst zu kaufen. Dafür haben sie zwei Monate Zeit. Eine skurrile Sonderklausel aus früheren Deals in der Karl-Marx-Allee verlangt aber, dass sie das Geld bar auf den Tisch legen müssen. Eine Belastung des zukünftigen Wohneigentums zur Kreditaufnahme, eine sogenannte Belastungsvollmacht, ist nicht möglich. Eine Einschränkung, die ganz offensichtlich verhindern soll, dass MieterInnen selbst ihre Wohnung kaufen.

Auch Roman F. der seit 2010 im Block C-Süd wohnt, ist seine 65 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung zum Kauf angeboten worden. Er kann sich nicht vorstellen, die Kaufsumme von 264.000 Euro aufzubringen und sagt: „Für die wenigsten steht das überhaupt zur Debatte.“ Nur vereinzelt hätten NachbarInnen das Geld, um in den Besitz ihrer Wohnung kommen.

Zweistelliger Millionenzuschuss

Den anderen möchte Schmidt durch das Treuhändermodell helfen. Seine Idee: Die Mieter würden vorab einen Vertrag mit einer Wohnungsbaugesellschaft abschließen. Nach dem Kauf der Wohnung würde diese sofort in das Eigentum der Gesellschaft übergehen, die sie dann wiederum an die MieterInnen vermietet. Um konkret kalkulieren zu können, wurden alle MieterInnen aufgerufen, ihre Mieten und angebotenen Verkaufspreise mitzuteilen.

„Ich rechne damit, dass 80 Prozent der Wohnungen über dieses Modell gekauft werden könnten“, sagt Schmidt. 20 Prozent würden dann selbst von den MieterInnen erworben. Schmidt rechnet mit einem „zweistelligen Millionenbetrag“, den der Senat zur Unterstützung der Wohnungsbaugesellschaften bereitstellen müsste.

Verhindert wäre damit ein Deal, den die bisherige Eigentümerin BGB-Gesellschaft Friedrichshain anscheinend schon lange geplant hatte. Bereits 2016 hatte sie die Wohnungen der drei Blöcke in Eigentumswohnungen aufteilen lassen und damit das attraktive Angebot für die Deutsche Wohnen geschnürt. Die Mieterinnen erfuhren davon erst jetzt.

Gefallen lassen wollen sie sich das nicht, wie Mieterbeiratssprecher Norbert Bogedein sagt. Aktiv seien mittlerweile eine Arbeitsgemeinschaft der Juristen, eine für Petitionen oder eine für Transparente. Eine Demo wird schon geplant.

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