Vorbereitung auf den 1. Mai: Kreuzberg bringt sich in Stellung

Überall im Kiez laufen die Planungen für den 1. Mai auf Hochtouren. Das MyFest wird kleiner, der Görli wird umzäunt, der Sperrmüll muss weg.

Menschenmengen in Kreuzberg

Voll, voller, MyFest Foto: dpa

BERLIN taz | Cengiz Demirci ist noch etwas außer Atem, als er zu seinem Bauwagen zurückkommt. Es ist Freitagmittag. Demirci hatte gerade noch auf dem Platz vor dem früheren Pamukkale-Brunnen vor seinem zum Büro umfunktionierten Bauwagen gesessen, als eine Gruppe von Schwarzen schreiend mit Fäusten aufeinander losgeht. Demirci rennt sofort los. Einen Moment sieht es so aus, als komme der Parkmanager selbst unter die Fäuste, aber er setzt sich durch. Auf Rädern hinzueilende Parkwächter, Parkläufer genannt, trennen die Streithähne endgültig.

Zurück am Bauwagen hat Demirci für den Vorfall nur noch ein Achselzucken übrig. Soll heißen: kein großes Ding. Wichtigeres steht an: der 1. Mai. 60 Toi­letten muss er aufstellen und Hydranten im Park anschließen lassen, mit der BSR die Müllentsorgung regeln.

Am Dienstag in einer Woche ist es wieder so weit, dass die amüsiersüchtigen Massen in Kreuzberg einfallen. Viele Zehntausende sind es jedes Jahr, stetig werden es mehr. Neben dem Myfest, das seit 2003 rund um die Oranienstraße stattfindet, steigt die Party zunehmend auch im Görlitzer Park.

Dieses Jahr hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Grünanlage erstmals unter dem Titel „Maigörli“ zur Veranstaltungszone erklärt. Das heißt: Auch für den Park gibt es nun ein Sicherheitskonzept und Auflagen, wie Einlasskontrollen und ein Glasflaschenverbot. Sobald die Kameras des Polizeihubschraubers anzeigen, dass mehr als 12.000 Leute im Görli sind, sollen die 17 Tore geschlossen werden.

Die Megaparty

Vom Parkmanager Demirci einmal abgesehen, ruht die Verantwortung für das Gelingen der Megaparty auf den Schultern von Susanne Hilmer und Halis Sönmez. Bei einem Rundgang durch den Kiez überzeugten die sich am Freitag vom Stand der Vorbereitungen. Hilmer – Marke humorvoll, weiß aber genau, was sie will – ist Büroleiterin von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne).

Der 52-jährige Sönmez ist Chef der Myfest-Crew. Sönmez begleitet das Myfest von Beginn an. Mitglieder seiner Familie seien die Ersten gewesen, die sich 2003 trauten, einen Essensstand auf der Straße zu errichten, erzählt er. 2003, das war die Zeit, in der der 1. Mai in Kreuzberg noch regelmäßig in Randale endete. Das Myfest mit kulinarischer Versorgung und Kulturprogramm wurde gegründet, um die Krawalle zu beenden.

Bei mehr als 12.000 Menschen im Görli werden die 17 Tore geschlossen

Die Rechnung ging auf. Inzwischen kloppen sich die Anwohner fast um die Standgenehmigungen, weil die Geschäfte am 1. Mai so gut laufen. Seit die Polizei angeordnet hat, dass es mehr Fluchtwege geben muss, ist die Zahl der Stände deutlich zurückgegangen. In Höchstzeiten erteilte das Bezirksamt 400 Genehmigungen, dieses Jahr sind es nur noch rund 100. Auch bei den Bühnen ist das so. Früher gab es 18 Bühnen, diesmal sind es 9.

Der Müll muss weg

Matratzen, Kühlschränke und sonstiger Sperrmüll auf der Straße, offene Container, Baugruben – alles wird bei dem Rundgang durch den Kiez dokumentiert. Urban Aykal, politischer Referent von Monika Herrmann, macht Fotos mit seinem Smartphone. „Urban, weil ich im Urban-Krankenhaus geboren worden bin“, erklärt der 44-Jährige grinsend. „Das ist leicht entzündlich“, zeigt Hilmer auf einen Torfhaufen am Spielplatz in der Manteuffelstraße. Jedes Mal, wenn sie mit spitzem Finger auf etwas deutet, heißt das: Bis zum 1. Mai ist das weg.

Auch Johannes Grüß macht Fotos und gibt Tipps. Der Berater für Logistik bei Großveranstaltungen, der in offenen Wanderschuhen und einem Rucksack neben Hilmer herschlappt, berät das Bezirksamt zum dritten Mal bei der Durchführung des Myfests. Der Job macht ihm sichtlich Spaß – „wenn man kreativ sein will“, hebt er manchmal an, bevor er eine Anregung gibt. Gerüchte, Grüß werde teuer bezahlt, werden vom Bezirksamt entschieden dementiert. Er arbeite auf Unkostenbasis, heißt es.

Nächster Halt: das Kreuzberg Museum in der Adalbertstraße. Im Dachgeschoss wird wie immer am 1. Mai die Koordinationsstelle einquartiert. Hilmer wird dort sitzen und Verbindungsleute von wichtigen Stellen wie Polizei, Feuerwehr, Sanitäter und Security. Am Freitag, bei der Besichtigung des Raums, geht es vor allem um Telefonanschlüsse und Internetverbindungen. Die Feuerwehr habe in diesem Jahr erstmals für das Myfest eine Karte mit Planquadraten erstellt, berichtet einer in der Runde. Auch für den Görli sei eine solche Karte in Arbeit.

„Dass ich das noch erleben darf“, entfährt es Grüß. Bei Großveranstaltungen auf der Straße des 17. Juni arbeite die Feuerwehr schon lange mit Planquadraten, erzählt er. Der Vorteil sei, dass man so bei Rettungseinsätzen viel präzisere Angaben machen könne, wo der Verletzte liege. „Wenn man sagen muss: an dem und jenem großen Baum mit der Blüte – das kann man doch vergessen“, beschreibt Grüß, was er für den 1. Mai im Görlitzer Park befürchtet hatte.

Kreuzberger Pappenheimer

Später auf der Straße sagt Grüß, das Myfest sei ein Serienmodell, der „Maigörli“ hingegen ein Sondermodell. „So was in dieser Form wird es nie mehr geben.“ Cengiz Demirci bestätigt das, als Hilmer und ihr mittlerweile stark zusammengeschmolzenes Team schließlich am Bauwagen im Görlitzer Park eintreffen. Aufgrund des Zeitdrucks habe man sich in diesem Jahr im Görli zu der Variante „Veranstaltung des Bezirksamts“ entschlossen, so Demirci. Bis zum nächsten Jahr werde man hoffentlich eine Alternative gefunden haben.

Hundert Security-Leute sollen im Park am 1. Mai dar­über wachen, dass das Grillverbot beachtet wird und keine wilden ­Raves gefeiert werden. Letztes Jahr, erzählt Demirci, sei der Park so voll gewesen, dass er die Tür seines Bauwagens nicht mehr aufbekommen habe. Insgesamt seien an dem Tag wohl an die 200.000 Menschen im Görli gewesen, schätzt er. Die Dächer der Gebäude im Park seien übervoll gewesen. „Was, wenn jemand runterfällt oder Panik ausbricht?“, habe er sich voller Angst gefragt.

„Natürlich werden Leute über den Zaun steigen“, sagt der Parkmanager und lacht. Demirci kennt seine Kreuzberger Pappenheimer. „Aber solange das Sicherheitskonzept zu 80 Prozent greift, ist mir das egal.“

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