Vor den Jamaika-Finanzverhandlungen: Alle für die schwarze Null
Nach Union und FDP bekennen sich auch die Grünen zum Verzicht auf neue Schulden. Alle müssen sich von teuren Wünschen verabschieden. Eine Analyse.
An diesem Dienstag wird es bei den Jamaika-Sondierungen um Finanzen und Steuern gehen. Die Verhandler von CDU, CSU, FDP und Grünen wollen in einem vertiefenden Gespräch abstecken, wie ein Finanzrahmen aussehen könnte. Schon jetzt ist klar: Jamaika bleibt finanzpolitisch konservativ. Die schwarze Null, durch die der Staat ohne neue Schulden auskommt, wird durch das mögliche Bündnis nicht angetastet – und Investitionen werden beschnitten.
„Ich kann mich nicht dran erinnern, dass einer der Gesprächspartner die schwarze Null, also die Nullverschuldung infrage gestellt hat“, sagte Parteichef Cem Özdemir am Montag mit Blick auf die ersten Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen. Das stehe nicht zur Disposition. So ein Bekenntnis freut Union und FDP. CDU und CSU sehen Schäubles Sparkurs als großen Erfolg. Auch FDP-Chef Christian Lindner sagte der Süddeutschen Zeitung, ein Verzicht auf die schwarze Null sei ein „fatales Signal nach Europa“. Zwar ist der Staat durch die Schuldenbremse sowieso zur Disziplin verpflichtet, doch die schwarze Null ist ein noch ambitionierteres Ziel.
Der Spielraum der bindungswilligen Jamaikaner wird dadurch eingeengt. Denn dem Versprechen, ohne Schulden auszukommen, wird wohl der Verzicht auf neue Einnahmen gegenüberstehen. Die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm zwar, sehr reiche Menschen stärker zu belasten – durch eine Vermögensteuer, eine Reform der Erbschaftsteuer und einen moderat höheren Spitzensteuersatz. Doch werden sie sich hier kaum verkämpfen. Union und FDP lehnen solche Steuererhöhungen vehement ab.
Selbst die Forderungen der Union sind zu hoch
CDU-Haushaltsexperten haben das zur Verfügung stehende Geld und die teuren Wünsche der Partner gegenübergestellt. Das Papier, das der taz vorliegt, beziffert den Spielraum im Haushalt für die nächsten vier Jahre auf 30 Milliarden Euro. Darin heißt es unmissverständlich: „Die finanzwirksamen Forderungen der Wahlprogramme von FDP und Grünen übersteigen den verfügbaren Haushaltsspielraum um ein Vielfaches.“
Allein die bereits bezifferbaren Forderungen betrügen bei der FDP zusammengerechnet 180 Milliarden Euro, bei den Grünen rund 150 Milliarden Euro. Auch die Forderungen der Union stünden nicht im Einklang mit dem Spielraum von 30 Milliarden Euro. Als besonders belastend schätzen die CDU-Haushaltsexperten Maßnahmen ein, die den Haushalt jedes Jahr belasten.
Es ist ein Dilemma
Die Prioritäten sind sehr unterschiedlich: Die CSU will etwa die Mütterrente ausbauen, mit der sie schon 2013 in den Wahlkampf gezogen war. Dies kostet in den nächsten vier Jahren 28 Milliarden Euro. Die FDP pocht auf eine Steuersenkung. Die von ihr geforderte schnelle Abschaffung des Solidaritätszuschlags schlüge ab 2020 mit rund 20 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche. Profitieren würden alle Steuerzahler, die den Soli berappen – besonders stark Gutverdiener. Die Grünen wünschen sich ein Familienbudget, ein Maßnahmenpaket, das Kinderarmut bekämpfen und Alleinerziehende sowie Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen entlasten soll. Kosten bis 2021: 48 Milliarden Euro.
Auch Wünsche der CDU sind extrem teuer. Die Regierungschefs der Nato haben 2014 verabredet, dass alle Länder darauf hinarbeiten sollen, von 2024 an 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Kanzlerin Merkel hatte hier mehr Engagement Deutschlands angekündigt. Doch die Erreichung des Zweiprozentziels würde „eine Ausgabensteigerung um illusorische 112 Milliarden Euro erfordern“, heißt es in dem Papier der CDU-Haushälter.
Die Jamaika-Verhandler stehen also vor einem Dilemma. Da sie sich freiwillig ein finanzpolitisches Korsett schneidern – schwarze Null plus Verzicht auf Steuererhöhungen –, werden sie sich von vielen Herzenswünschen trennen müssen.
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