Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius: Es geht um jeden Quadratzentimeter
Nato-Chef Stoltenberg und Kanzler Scholz haben ihre Solidarität mit der Ukraine versichert. Uneins zeigten sie sich über die Höhe von Rüstungsausgaben.
In wenigen Wochen treffen sich die Vertreter:innen der Nato-Staaten zum Gipfel in Vilnius. Ihre Tagesordnung ist lang, die Stärke des Bündnisses wird genau beäugt werden. Deswegen listet Scholz gleich zu Beginn die erfolgreichsten aktuellen militärischen Projekte auf: Fast 17.000 deutsche Soldat:innen beteiligen sich an der Nato Response Force, derzeit läuft das internationale Manöver Air Defender, bei dem 25 Nationen mitmachen, Deutschland beteiligt sich an der „European Sky Shield“-Initiative.
Mit Deutschland läuft es im Bündnis, soll die Auflistung zeigen. Und um das unter Beweis zu stellen, wird sich Stoltenberg am Dienstag gemeinsam mit Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius ein Bild von der Mission Air Defender in Schleswig-Holstein machen. In der vergangene Woche vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie betont die Bundesregierung ihre Zusage, künftig mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben.
Scholz gibt sich zuversichtlich. „Wir haben alle Vorbereitungen getroffen“. Er meint das 100-Milliarden-Sondervermögen und die derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen. Für Stoltenberg ist klar, dass die zwei Prozent nur ein Mindestwert sein können. Genau darüber wird es etliche Diskussionen in Vilnius geben. Die baltischen Staaten haben bereits eine Erhöhung des Mindestziels gefordert. Auch der Beitritt der Ukraine zur Nato dürfte erneut Thema sein. Eine offizielle Einladung an die ukrainischen Vertreter:innen zum Gipfel wird es nicht geben. Aber es werde Gespräche geben, wie man die Ukraine der Nato näher bringen könne.
Es geht auch um die Zeit danach
Ende 2023 sollte eigentlich Schluss für Stoltenberg als Nato-Generalsekretär sein. Aber sowohl Scholz als auch Pistorius haben deutlich gemacht, dass sie einer Verlängerung nicht im Wege stehen. Danach sieht es derzeit nicht aus. In Vilnius dürfte daher die Verlängerung von Stoltenbergs Amtszeit bis zum Nato-Jubiläumsgipfel in Washington im Juli 2024 stehen.
Mitte der Woche findet zudem die nächste Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine statt. Nach Treffen in Lugano und Berlin kommen dieses Mal Regierungsvertreter:innen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen in London zusammen. Sie wollen mit ukrainischen Vertreter:innen darüber sprechen, wie Infrastruktur vor Ort erhalten und Firmen weiter arbeiten können – trotz Krieg.
Und es geht um die Zeit danach: Mehrere hundert Milliarden Euro werden für den Wiederaufbau notwendig sein, über mehrere Jahrzehnte hinweg. Die Privatwirtschaft wird stärker einbezogen werden müssen. Vereinbarungen soll es im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität und für mehr Rechtsstaatlichkeit geben.
Gerungen wird um sogenannte Kriegsrisikoversicherungen für Firmen und weitere Geldzusagen. Für die Bundesregierung sollen Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze teilnehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen