+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Sammelort für alle Kriegsschäden

Der Europarat gründet ein Schadensregister für die Zerstörungen in der Ukraine - nicht alle machen mit. London und Berlin äußern sich zu Kampfjets.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht per Video zum Gipfel des Europarates

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht per Video zum Gipfel des Europarates Foto: Kay Nietfeld/dpa

Sechs Länder machen nicht mit beim Schadensregister

Der Europarat hat ein Schadensregister für die Zerstörungen in der Ukraine ins Leben gerufen. Das war angekündigt – allerdings machen nicht alle Länder mit. Insgesamt haben sich 40 der 46 Staaten des Europarats dazu bereit erklärt, beizutreten oder dies in der Zukunft zu tun.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist das Register ein „wesentlicher Beitrag zu den internationalen Bemühungen, Russland für die Folgen seines brutalen Handelns zur Rechenschaft zu ziehen“, wie er am Mittwoch in Reykjavik sagte.

Vorerst nicht beteiligen werden sich Armenien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Ungarn und die Türkei. Dafür sind die EU, Kanada, Japan und die USA dabei, wie der Europarat am Mittwoch in Reykjavik bei seinem Gipfel mitteilte. Dieser Gipfel fand zum ersten Mal seit 18 Jahren statt und sollte Solidarität mit der Ukraine bezeugen und dabei ein Signal der Einigkeit in Richtung Russland schicken.

Mit dem Schadensregister sollen die Zerstörungen in der von Russland angegriffenen Ukraine dokumentiert werden, um Russland dafür zur Rechenschaft ziehen zu können. Es gilt als erster Schritt auf dem Weg zu möglichen Entschädigungszahlungen an die Ukraine. Die Idee geht auf eine Resolution der Vereinten Nationen zurück und soll nun unter dem Dach des Europarats umgesetzt werden. Dabei sollen Informationen und Beweise über alle Schäden, Verluste und Verletzungen gesammelt werden, die der Ukraine seit dem russischen Angriff zugefügt wurden.

Das Schadensregister soll in Den Haag in den Niederlanden angesiedelt werden, aber eine Außenstelle in der Ukraine erhalten. Es wird zunächst für die Dauer von drei Jahren eingerichtet. Alle Mitglieder und Beobachter des Europarates können teilnehmen sowie weitere Länder, die dies beantragen und die zugelassen werden. Sie zahlen dann voraussichtlich Beiträge, um das Register zu finanzieren.

Es soll aber auch noch ein zusätzliches Instrument geben, das künftige Entschädigungen möglich machen soll. Dafür könnte eine Kommission eingesetzt werden und ein Entschädigungsfonds. Ein genaues Format gibt es dafür noch nicht. Unklar ist außerdem, wie ein solcher Entschädigungsfonds aufgebaut sein müsste. Immer wieder wird ins Spiel gebracht, dafür beschlagnahmte russische Vermögenswerte im Ausland heranzuziehen. Das gilt aber als juristisch sehr schwierig.

Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, bezeichnete die Entscheidung für das Register als „historisch“. Es sei eines der ersten rechtlich bindenden Instrumente, um Russland für seine Taten zur Verantwortung ziehen zu können. (dpa)

London: Nur Ausbildung am Kampfjet, keine Lieferung

Großbritannien ist dem Eindruck entgegengetreten, es arbeite aktiv daran, die Ukraine mit Kampfjets auszustatten. „Großbritannien wird der Ukraine keine Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen“, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace bei einem Besuch in Berlin am Mittwoch. Es gehe allenfalls darum, ukrainische Piloten auszubilden, damit diese künftig in der Lage seien, westliche Kampfjets fliegen zu können. Gebraucht würde vor allem Jets des US-Typs F-16, die nicht in den Beständen der britischen Luftwaffe seien. „Was wir machen können, ist Training und Unterstützung“, sagte Wallace.

Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bekräftigte nach einem Treffen mit Wallace, dass die Bundeswehr keine Kampfjets an die Ukraine abtreten werde. Deutschland könne hier „keine aktive Rolle spielen“, sagte Pistorius bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Das sind alles keine Fragen, die in Berlin entschieden werden.“ Die Bundeswehr habe hier weder die Kapazitäten noch die Kompetenzen. Deutschland sei indes Experte bei Panzern und Luftverteidigung und werde sich darüber hinaus darauf konzentrieren, Munition zu liefern. Zudem sehe sich Deutschland in der Pflicht, bei der Instandsetzung etwa von Panzern zu helfen.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministerium hatte zuvor positiv auf Berichte über einen niederländisch-britischen Vorstoß zur Bildung einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine reagiert. Das Ministerium begrüße jede Initiative, die es der Ukraine leichter mache, ihre Verteidigung zu organisieren, sagte er in Berlin. Für die Bundeswehr sei derzeit aber klar, dass keine Flugzeuge aus eigenen Beständen dafür bereitgestellt würden. Die Luftverteidigung der Ukraine habe „höchste Priorität“, betonte der Sprecher. Deutschland beteilige sich daran mit der Bereitstellung modernster Flugabwehrsysteme. Es habe sich bewährt, dass jeder Alliierte das bereitstelle, was er am besten könne. (rtr)

Erst der vierte Gipfel in mehr als 70 Jahren

Die 46 Länder des Europarats wollen bei ihrem Gipfel am Mittwoch im isländischen Reykjavik ein Register für die Kriegsschäden in der Ukraine beschließen. Die UN-Generalversammlung hatte am 14. November 2022 den Auftrag erteilt, die in der Ukraine entstandenen Schäden zu dokumentieren. Das Minister-Komitee des Europarates entschied am 12. Mai, ein solches Register unter seinem Dach aufzubauen.

Der Europarat war 1949 als Hüter von Demokratie und Rechtsstaat in Europa gegründet worden. Er ist von der EU unabhängig. Ihm gehören auch deutlich mehr Länder an als der EU – fast alle europäischen Staaten. Russland war nach Beginn seiner Invasion in der Ukraine ausgeschlossen worden, Belarus ist suspendiert und nur noch als Beobachter vertreten. Die Ukraine ist seit Mitte der 90er Jahre Mitglied. Das jetzige Treffen ist erst der vierte Gipfel des Rats in mehr als 70 Jahren.

Russlandfreundliche Staats- und Regierungschefs wie der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kamen jetzt nicht nach Island. Zum Auftakt stellte sich der Europarat jetzt klar an die Seite der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. (dpa/rtr)

Kiew: Mehr als 200.000 russische Soldaten getötet

Russland hat in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Angaben aus Kiew zufolge mehr als 200.000 Soldaten verloren. In den vergangenen 24 Stunden seien 610 feindliche Soldaten getötet worden, damit belaufe sich die Gesamtzahl der russischen Verluste auf 200.590 Soldaten, teilte der ukrainische Generalstab am Mittwoch in seinem morgendlichen Lagebericht mit. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen. Das russische Militär hat zuletzt im September die eigenen Toten auf knapp 6.000 Soldaten beziffert. Nach Einschätzung von Militärexperten machen beide Seiten überhöhte Angaben zu den auf der jeweils anderen Seite getöteten Soldaten, während die eigenen verschwiegen werden. (dpa)

Peking moniert Ukraine-Flaggen an westlichen Botschaften

China hat mehrere westliche Botschaften in Peking für das Hissen der ukrainischen Flagge kritisiert. Die Volksrepublik habe in einem Schreiben zwar nicht ausdrücklich Bezug auf das Zeigen der ukrainischen Flagge durch Vertretungen anderer Länder genommen, aber ihre Missbilligung dennoch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, sagten vier Diplomaten der Nachrichtenagentur Reuters.

„Nutzen sie das Äußere der Gebäudeeinrichtungen nicht für die Zurschaustellung politisierter Propaganda“, erklärte das chinesische Außenministerium in einem von Reuters eingesehenen Schreiben. vom 10. Mai an „alle Botschaften und Vertretungen internationaler Organisationen in China“. Unter anderem haben Deutschland, Großbritannien, Polen, die EU und Kanada mit dem Zeigen der blau-gelben Flagge der Ukraine ihre Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land zum Ausdruck gebracht. China beansprucht eine neutrale Rolle, ist zugleich aber ein enger Partner Russlands. (rtr)

London: Erfolge gegen Kinschal-Raketen peinlich für Moskau

Die jüngsten ukrainischen Erfolge gegen russische Raketenangriffe sind nach Einschätzung britischer Geheimdienste für Russland ein herber Rückschlag. Die Ukraine habe mehrere Hyperschallraketen vom Typ Kinschal abgeschossen, mit denen Russland die Flugabwehr des angegriffenen Landes ins Visier genommen habe, teilte das Verteidigungsministerium in London am Mittwoch mit. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte das System als unbesiegbar gepriesen. Dass zudem an einem einzigen Tag zwei russische Kampfjets und zwei Hubschrauber über dem westrussischen Gebiet Brjansk abgeschossen wurden, sei besorgniserregend für die russische Luftwaffe, hieß es weiter. (dpa)

UN-Sprecher begrüßt afrikanisches Vermittlungsangebot

UN-Sprecher Stéphane Dujarric hat ein Vermittlungsangebot einer afrikanischen Delegation für den Krieg in der Ukraine begrüßt. Ramaphosa hatte am Dienstag erklärt, er habe UN-Generalsekretär António Guterres über seine Pläne informiert, zusammen mit den Präsidenten Sambias, Senegals, des Kongos, Ugandas und Ägyptens zu vermitteln. Der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selensykyj hätten in Telefonaten zugestimmt, eine entsprechende Friedensmission in Moskau und Kiew zu empfangen, teilte das Büro Ramaphosas mit. (ap)

130 Millionen Dollar Fiananzilfe aus Südkorea für Ukraine

Südkorea stellt der Ukraine Finanzhilfen in Höhe von 130 Millionen Dollar zur Verfügung. Das von Wirtschafts- und Finanzminister Minister Choo Kyung-ho und der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko unterzeichnete Paket beinhalte Spenden und Hilfskrediten, teilt Südkoreas Finanzministerium mit. Südkorea ist ein wichtiger Hersteller von Artilleriegeschossen. Unter Verweis auf die Beziehungen zu Russland liefert Südkorea keine tödlichen Waffen an die Ukraine. Die Regierung in Seoul könnte nach den Worten des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol von ihrer Einstellung jedoch abrücken, wenn die Zivilbevölkerung in der Ukraine in großem Umfang angegriffen werde oder eine Situation entstehe, die „die internationale Gemeinschaft nicht hinnehmen kann“. (rtr)

Schäden an Patriot-Abwehrsystem durch Beschuss

Ein Patriot-Raketensystem in der Ukraine ist US-Regierungsvertretern zufolge wahrscheinlich durch einen russischen Angriff beschädigt worden. Es scheine ersten Informationen zufolge nicht zerstört worden zu sein und es sehe nicht so aus, als müsse es aus der Ukraine abgezogen werden, sagen zwei US-Beamte unter der Bedingung der Anonymität der Nachrichtenagentur Reuters. Russlands Verteidigungsministerium hatte zuvor erklärt, Russland habe in der Nacht ein US-Patriot-Luftabwehrsystem mit einer Rakete vom Typ Kinschal zerstört. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte hingegen, die Luftabwehr habe 100 Prozent der am Dienstag auf ukrainische Ziele abgefeuerte russische Raketen abgefangen. (rtr)

Prigoschin will toten US-Kämpfer übergeben

Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat am Dienstag den Tod eines freiwilligen Kämpfers aus den USA bekannt gegeben, der im Osten der Ukraine auf Seiten Kyjiws gekämpft habe. In einem von russischen Militärbloggern verbreiteten Video präsentierte Prigoschin den Leichnam eines Soldaten inmitten von Trümmern, bei dem es sich um einen US-Bürger handeln soll. Die Angaben Prigoschins waren zunächst nicht von unabhängiger Seite zu überprüfen. In einer am Dienstagabend von seinem Pressedienst veröffentlichten Mitteilung bekräftigte Prigoschin, dass er den Toten auf jeden Fall den US-Behörden übergeben werden. (afp)

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