Vor dem G-20-Gipfel in der Türkei: Schwächelnde Schwellenländer
Die größten Industriestaaten der Welt treffen sich im türkischen Antalya. Inhaltlich wird es vor allem um die Probleme der Schwellenländer gehen.
Anders als beim G-7-Gipfel in Deutschland im Juni dieses Jahres wird am Sonntag auch der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Führer Xi Jinping in der Türkei erwartet, sodass praktisch der gesamte UN-Sicherheitsrat versammelt ist. Inhaltlich wird es vor allem um die Probleme der Schwellenländer gehen. Nachdem zuletzt die Eurokrise die Wirtschaftsgipfel beherrscht hatte, droht der Kollaps nun eher durch die Schwierigkeiten in China, Brasilien, Südafrika und der Türkei.
Die Erfolgsgeschichte der Schwellenländer ist vorbei. Der abgestürzte Ölpreis, die kommenden Zinserhöhungen der US-Notenbank und interne Probleme in vielen dieser ehemals rapide wachsenden Volkswirtschaften machen sie zu Risikoländern für Investoren und die europäische und amerikanische Exportwirtschaft. Die Folge sind Jobverluste und eine Zunahme der Armut in vielen der beim Gipfel vertretenen Länder.
Bestes Beispiel ist das Gastgeberland Türkei. Das Wachstum ist seit 2013 massiv eingebrochen, das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 12.000 auf 8.000 US-Dollar gefallen, und auch die Arbeitslosigkeit nimmt wieder stark zu. Wie die G-20-Staaten auf diese Entwicklung reagieren wollen, ist völlig unklar; offiziell sollen Beschlüsse zur Finanzmarktregulierung und gegen die weltweite Steuerflucht verabschiedet werden. Außerdem soll es eine Gesprächsrunde zur Energiepolitik geben und eine Vorbereitungsrunde auf den Klimagipfel in Paris Ende des Jahres.
Hochsicherheitsorgie in Antalya
Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dessen islamische Partei AKP gerade mit einem haushohen Wahlsieg ihre Macht für die nächsten Jahre gesichert hat, wird der Gipfel aber auch die Gelegenheit sein, sich als unverzichtbarer Partner im Bemühen um eine Ende des Krieges im benachbarten Syrien und bei der Bewältigung der damit verbundenen Fluchtbewegung nach Europa zu inszenieren. Zum Abendessen am Sonntag hat Erdoğan diese Themen auf die Tagesordnung setzen lassen.
Angesichts der geografischen Nähe von Syrien, des IS-Terrors und des Kriegs gegen die kurdischen PKK-Guerilla wird das Treffen vor allem aber eine Hochsicherheitsorgie werden. Der Flughafen von Antalya – Belek ist ein Vorort der türkischen Tourismusmetropole – wird teilweise für den Flugverkehr gesperrt, die Route nach Belek mit Tausenden Polizisten und Militärs gesichert und das Tagungsgelände so weiträumig abgesperrt, dass manche Anwohner entweder gar nicht mehr zu ihren Häusern kommen oder sie am besten für die Dauer des Treffens verlassen.
Die 30.000 Demonstranten, die in Antalya aus aller Welt erwartet werden, bekommen vom Gipfel nichts zu sehen. Protestiert werden darf nur in bestimmten Zonen, für vorübergehende Inhaftierungen wurden bereits Turnhallen vorbereitet. Der Vorsitzende der linken Gewerkschaftsföderation DISK, Kani Beko, sagte am Donnerstag, eine solche Tyrannei, wie sie derzeit in Antalya gegenüber der Zivilbevölkerung stattfinden würde, hätte die Stadt noch nie gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour