G7-Gipfel in Japan: Kein Konsens in Sicht
Wie bringt man die Wirtschaft in Schwung? Das wollen die Staatschefs der G-7-Staaten auf ihrem Gipfel diskutieren – ausgerechnet in Japan.
Ise-Shima taz | In Japan findet sich kaum ein Fluss, der nicht begradigt ist, kaum eine Stadt, die nicht an ein Hochgeschwindigkeitsstreckennetz angeschlossen ist, und kaum ein Dorf, durch das nicht eine moderne Schnellstraße führt. Erst Ende April präsentierte die staatliche Bahngesellschaft JR Tokai auf ihrer Teststrecke einen neuen Typ ihrer Magnetschwebebahn Maglev. Mit 590 Stundenkilometern soll sie ab 2040 die Metropolregion Tokio mit der von Osaka verbinden. Bislang veranschlagte Kosten für dieses Mammutprojekt: 82 Milliarden US-Dollar.
All diese staatlich inszenierten Großprojekte dienen vor allem einem Ziel: der Ankurbelung der seit mittlerweile zwei Jahrzehnten stagnierenden japanischen Volkswirtschaft. Als Gastgeber des am Donnerstag beginnenden G-7-Gipfels in Ise-Shima will Japans Premierminister Shinzo Abe auch bei den anderen führenden Industrieländern für diesen nach ihm benannten Wirtschaftskurs (Abenomics) werben.
Dabei hat sich die japanische Regierung bereits eine Abfuhr eingeholt. Beim Vorbereitungstreffen der G-7-Finanzminister am vergangenen Wochenende in Sendai stellte sich vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen einen globalen Finanzstimulus quer. Für ihn ist der japanische Wirtschaftskurs ein Horrorszenario. Zwar ist Japans Arbeitslosenquote all die Jahre niedrig geblieben und blieben soziale Verwerfungen aus. Doch die Staatsverschuldung stieg. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, liegt sie inzwischen bei über 250 Prozent. Japan ist das am höchsten verschuldete Land der Welt.
Die G-7-Gruppe werde kein gemeinsames Konjunkturprogramm ausrufen, hieß es daher in einer gemeinsamen Erklärung der Finanzminister. Statt Konjunkturpaketen auf Pump werde die Gruppe auf einen „Dreiklang aus Fiskal- und Geldpolitik sowie Strukturreformen setzen“ – ein windelweicher Kompromiss und typisch, wenn keine Einigung gefunden wird.
Japan ist das am höchsten verschuldete Land der Welt
Nach außen hin scheint der Streit beigelegt. Doch hinter den Kulissen schwelen die Konflikte weiter. Die Japan Times zitiert einen japanischen Unterhändler, laut dem Abe auch weiter für seinen Kurs werben werde – zumal auch in der Geldpolitik die G-7-Staaten alles andere tun, als an einem Strang zu ziehen.
Befeuert wird Abenomics von einer extrem lockeren Geldpolitik. Die japanische Zentralbank hatte ab 2013 die Geldmenge in ungekanntem Ausmaß erhöht, um den Yen im Vergleich zum US-Dollar zu verbilligen. Das Ziel war, dadurch Japans Exportgüter auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger zu machen.
Lockere Geldpolitik
Die Europäische Zentralbank folgte diesem Schritt. Der Euro hat in den vergangenen zwei Jahren zwischen 20 und 30 Prozent gegenüber dem Dollar an Wert verloren. Seit Jahresbeginn schlagen wiederum die USA zurück und haben ihrerseits den Dollar abgewertet. Ein Abwertungswettlauf ist also längst im Gang.
Nun schieben sich die Akteure gegenseitig die Schuld zu. Japans Finanzminister Taro Aso drohte am Wochenende mit Interventionen, sollte der Yen gegenüber dem Dollar noch stärker zulegen. Sein US-Kollege Jack Lew wiegelte ab und meinte, die derzeitigen Schwankungen auf den Devisenmärkten spielten sich in „geordneten Bahnen“ ab. Schäuble und die anderen drei europäischen Finanzminister hielten sich in dieser Frage eher zurück. Wenn die Regierungschefs am Donnerstag zusammenkommen, will Abe diesen Konflikt erneut zur Sprache bringen.
Möglichst meiden wollen die Regierungschefs beim G-7-Gipfel hingegen das Thema Freihandelsabkommen. Nach den heftigen Protesten der vergangenen Wochen in zahlreichen europäischen Städten gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wächst auch in Japan der Widerstand gegen TPP, das transpazifische Pendant zu TTIP. Die japanische Sektion des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und Bauernverbände haben zu Protesten rund um den Tagungsort in Ise-Shima aufgerufen.
Leser*innenkommentare
Gabriel Renoir
Japan mit seinen 250% Staatsverschuldung ist noch einige Worte wert: Einmal zeigt es, dass Schuldenmachen, Notenpresse und massenhaft Infrastrukturprojekte allein nicht helfen. Daher kommen die Schulden: Es wird viele Geld in alles Mögliche gepumpt, um die Wirtschaft flottzumachen. Abes es hilft nicht, weil die Bevölkerung schrumpft und keine Einwanderung stattfindet. Da 90% der Staatsschulden bei der eigenen Bevölkerung liegen, sind die Zinsen und Risiken bisher beherrschbar. Wenn die Leute jedoch alt werden und das Geld abziehen, kann es gefährlich werden. Denn Steuern erhöhen ist in Japan auch nicht beliebt. Und die Steuern sind eher niedrig.
Justin Teim
Das Bild zeigt doch wie es wirklich aussieht - auf gestylte Papp-Kameraden als Blender.
Abgehoben - ohne wahren Bezug zu den Problemen der Welt - aber die Wirtschaft muss wachsen.