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Vor dem FDP-BundesparteitagVon den Grünen lernen?

Die FDP debattiert über mehr Frauenförderung und Verständnis für Klimaproteste. Denn ihre Umfragewerte stagnieren.

Und nun? FDP-Chef Christian Lindner Foto: dpa

Berlin taz | Die FDP ist zurzeit vielleicht die konstanteste unter den im Bundestag vertretenen Parteien. Sie hat mit Christian Lindner den zweitdienstältesten Parteichef, liegt in den Umfragen konstant zwischen acht und zehn Prozent und hält jeden Parteitag im ehemaligen Kreuzberger Postbahnhof ab. Dennoch gibt es vor dem Bundesparteitag am Wochenende eine gewisse Unruhe bei den Liberalen.

Auch dazu hilft ein Blick auf die Umfragezahlen: Die acht bis zehn Prozent versprechen ausreichend Sicherheit, dass die FDP nicht wieder zur „außerparlamentarischen Opposition“ wird, wie Lindner die Zeit von 2013 bis 2017 nennt, als die Liberalen nicht im Bundestag vertreten waren.

Aber es wäre auch ein Ergebnis unter den 10,7 Prozent von 2017 – ein Ergebnis, das Lindner angelastet würde. Und zudem, bleiben die Umfragewerte der Grünen so wie heute, ginge die FDP 2021 als kleinster Partner in Gespräche über eine mögliche Jamaika-Koalition. Falls sie überhaupt gebraucht würde.

Muss die FDP also grüner werden, damit sie in einer Koalition den Grünen ausreichend Paroli bieten kann? Bisher hat die FDP sich durch einen scharfen Kurs von den Grünen abgegrenzt und sie als irrational oder als Verbotspartei gebrandmarkt – in der Migrationsfrage ebenso wie in der Umweltpolitik. Das hat der FDP eine überwiegend männliche Stammwählerschaft gesichert, denen die Merkel-CDU zu grünennah und die AfD zu völkisch ist.

Leistung als Kriterium

Lindner setzt nun auf mehr Wählerinnen durch mehr Frauen an der FDP-Spitze. Die bisherige, eher glücklose Generalsekretärin Nicola Beer wurde Spitzenkandidatin für die Europawahl. Als ihre Nachfolgerin schlägt Lindner Linda Teuteberg vor, eine 38jährige Brandenburgerin, bisher migrationspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. In einem Jahr, in dem in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt wird, auch ein Signal nach Ostdeutschland.

Teutebergs Wahl am Wochenende gilt als unumstritten, auch wenn dafür in einer Rochade die bisherige Parteivizin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf eine erneute Kandidatur verzichtete. Weil Beer nun für den Vizeposten kandidiert, um Einfluss zu behalten, war für Strack-Zimmermann kein Platz mehr. Möglich, dass Beer dafür kurz vor den Europawahlen auf dem Parteitag einen Dämpfer bekommt.

Alle sind Profis: die Schüler, aber auch wir

Linda Teuteberg, FDP

Für mehr Zündstoff dürften aber Beschlüsse zur Frauenförderung in Parteigremien und auf -listen sorgen. Die Liberalen haben bisher keine Quote. Führende Männer wie Lindner oder Parteivize Michael Theurer hatten sich zuletzt aber offen für eine Quote gezeigt hatten, wenn der geringe Frauenanteil in Führungsämtern nicht anders zu erhöhen sei. Der Widerstand gegen eine Quote kam zuletzt vor allem aus Reihen von FDP-Frauen, die auf Leistung als Kriterium für ihre Wahl setzen.

Zielvereinbarungen statt Quote

Eine Kommission unter Leitung von Nicola Beer schlägt nun Zielvereinbarungen statt einer festen Quote vor, um den Anteil von Frauen in Führungsfunktionen und bei Mandaten zu steigern. Auch das ist umstritten. „Es ist unfassbar enttäuschend, dass richtigerweise gesagt wird, eine Quote wird den Frauen nicht gerecht und dann kommen Zielvereinbarungen, die de facto gleich wirken“, twitterte Tina Pannes, Vorsitzende der FDP Ratingen.

Auch beim Thema Ökologie könnte sich die FDP den Grünen annähern. Parteichef Lindner hatte in einem Bild am Sonntag-Interview auf die „Fridays for Forture“-Proteste noch mit dem Spruch reagiert, „von Kindern und Jugendlichen“ könne „man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen“. Das sei „eine Sache für Profis“

Teuteberg gab sich nun in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland versöhnlicher: „Alle in einer Demokratie sind Profis, an der Debatte teilzunehmen: die Schüler, aber auch wir.“

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8 Kommentare

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  • Der Beitrag deutet es bereits an: Der bisherige FDP-Sprech könnte in Zusammenhang mit der politischen Richtungsänderung einer Revision unterworfen werden. Überholte Begriffe wandern in den Müll und werden durch „modernere“ ersetzt. Dann sollten die Grünen auf der Hut sein, sonst könnte es ihnen gehen, wie der Linkspartei mit der AfD: Erstere musste erleben, dass Letztere ihre Schlagworte und Kampfbegriffe, wie „System“, „Bürgerprotest“, „Lügenpresse“ usw. vereinnahmt und erfolgreich genutzt hat.



    Mein unernst gemeinter Vorschlag: Ur-grüne Kampfbegriffe urheberrechtlich schützen lassen, um missbräuchliche Verwendung zu verhindern!

  • Ich finde es ja wunderbar, dass ausgerechnet die Ost- Frauen den Leistungsgedanken derartig verinnerlicht haben, dass sie einer Frauenförderung im Wege stehen. So geht Gehirnwäsche! Aber das ist eben die FDP: nicht nur hart gegen die anderen, so wie bei der AFD, nein auch hart gegen sich selber. Aber wer will schon Politikerinnen wählen die ihre eigene Benachteiligung leugnen? Na ja, vielleicht Männer. So weit der lustige Teil. Das Rumgerudere gegenüber den neuen ökologischen Bewegungen ist hingegen ein ziemliches Trauerspiel. Und zwar nicht etwa, weil die FDP eine peinliche Desorientierung im Umgang mit Greta und co. präsentiert, sondern weil sie eben nur über den Umgang, sprich die Abwehr, nachdenkt. Eine wirkliche Diskussion über die Forderungen wird verweigert, ja sie muss verweigert werden wenn die FDP die FDP bleiben will. 10 Prozent will man holen? Denkbar. Aber wofür?

  • Keine "Profis" mehr von der FDP.



    Die Liberalen haben sich schließlich die letzten 200 Jahre vehement dafür eingesetzt, dass es soweit kommen konnte.



    Jetzt ist Umwelt- und Klimaschutz angesagt.

  • Herr Reeh, wieso erfahre ich in der taz nichts davon, dass die



    FDP den Enteignungsartikel aus dem Grundgesetz streichen will?!

    • @Frau Kirschgrün:

      Weil das ein alter Hut ist. Das schrieb die taz bereits vor Wochen. Weshalb sollte man das nochmal durchkauen?

      • @Kriebs:

        Uuups, hab' ich auf taz verpennt…