Vor dem CDU-Parteitag: Immer Zoff um die Quote
In Lüneburg wollte die CDU eigentlich über Grundwerte diskutieren – und landete dann doch bei der Frauenquote. Es droht neuer, heftiger Streit.
Er geht mit dem Mikrofon im Publikum herum, fordert die Teilnehmer:innen auf, ihre Begriffe zu erläutern. Die CDU müsse Vertrauen zurückgewinnen, das sie in den letzten 16 Jahren verspielt habe, sagt ein Mann. Ein anderer wünscht sich Mut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Eine Frau fordert Bescheidenheit, sie stört „der ganze Nimbus, den sich unsere Führungskräfte geschaffen haben“. Dann hält Czaja plötzlich inne. „Keine Frauenquote einführen“ ist auf den Bildschirmen erschienen. „Wer hat das geschrieben?“
Der CDU-Generalsekretär ist an diesem Dienstagabend ins Castanea-Forum bei Lüneburg in Niedersachsen gekommen, ein Tagungszentrum mit Hotel, hinter den großen Fenstern des Saals liegt ein Golfplatz. „Der Rede WERT“ heißt die Veranstaltung, zu der die Partei ihre Mitglieder eingeladen hat. Es ist die dritte dieser Art, Czaja war bereits in Berlin und Weimar.
Die durch die verlorene Bundestagswahl gebeutelte CDU will sich inhaltlich neu aufstellen und dazu bis 2024 ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten, die Parteimitglieder sollen mit Hilfe von Formaten wie diesem einbezogen werden. Knapp 70 Christdemokrat:innen sind gekommen und sitzen um die runde Bühne mitten im Raum herum, wie meist bei der CDU deutlich mehr Männer als Frauen, viele von ihnen bereits ergraut.
Zerfleischt sich die CDU doch noch?
Carsten Linnemann, der Parteivize, der die Kommission zur Entwicklung des neuen Grundsatzprogramms leitet, hat die versammelten Christdemokrat:innen zu Beginn per Videoeinspieler begrüßt. „Wir brauchen eine zukunftsgerichtete Erzählung“, sagt Linnemann darin. „Und fünf bis zehn Positionen, die uns unterscheidbar machen.“ Einen Streit um die Einführung einer parteinternen Frauenquote dürfte er damit nicht gemeint haben.
In der ersten Reihe im Publikum meldet sich jetzt Uwe Dorendorf, Landtagsabgeordneter aus Lüchow-Dannenberg. Er sei gegen die Einführung der Frauenquote, sagt Dorendorf, weil das Politik von den Grünen sei und zudem ungerecht. Denn warum sollten den Frauen die Hälfte aller Posten zustehen, wenn sie nur 22 Prozent der Parteimitglieder stellen? Dorendorf redet sich in Rage. Da applaudiert die Hälfte des Saals.
Man merkt Czaja an, dass er diese Debatte jetzt nicht will. Aber unwidersprochen stehen lassen will er Dorendorfs Ausführungen ebenso wenig. Also fragt er Franziska Hoppermann, Bundestagsabgeordnete aus Hamburg und dort Landeschefin der FrauenUnion, sie ist als Podiumsteilnehmerin nach Lüneburg gereist. Hoppermann sagt, dass sie eine „Erfahrungsfeministin“ sei, und dass es mehr sichtbare Frauen brauche, um die CDU für Frauen attraktiv zu machen.
Dann erteilt Czaja Bernd Althusmann das Wort. Der CDU-Landeschef ist Spitzenkandidat für die niedersächsische Landtagswahl im Oktober, auch er hat sich bereits für die Quote ausgesprochen. „Wir müssen eine Einladung sein für die Gesellschaft da draußen“, sagt er. „Da hat sich einiges geändert.“ Dann sagt er noch, dass vom Parteitag im September nicht das Signal ausgehen dürfe, dass die CDU sich zerfleische.
Doch genau das befürchten in der Parteispitze einige. Der Parteitag findet in Hannover statt, wenige Wochen vor der Landtagswahl, er soll die Wahlkämpfer:innen unterstützen. Die Präambel zum neuen Grundsatzprogramm soll verabschiedet werden, die jetzt etwas aufgeladen Grundwertecharta heißt. In dem sechseitigen Papier geht es um das christliche Menschenbild und was die CDU unter einer bürgerlichen Partei versteht, auch um Gleichberechtigung und Diversität. Die Delegierten sollen inhaltlich diskutieren, der Parteitag soll ein Signal des Aufbruchs senden.
Doch da ist eben auch der Antrag der Struktur- und Satzungskommission, der unter anderem eine Einführung der Frauenquote vorsieht, ein ideologisch aufgeheiztes und zutiefst umstrittenes Thema. Friedrich Merz, der neue Parteichef, hat sich inzwischen für die Einführung ausgesprochen, aber eine Begrenzung auf fünf Jahre gefordert, er will so den Gegner:innen die Zustimmung erleichtern. Die einflussreiche Mittelstandvereinigung und auch die Junge Union sind bislang trotzdem bei ihrem Nein geblieben.
Und so könnte der CDU in Hannover genau das drohen, was unbedingt verhindert werden soll: Dass die CDU als zerstrittene und zutiefst gespaltene Partei dasteht, wieder einmal. Nimmt man das Treffen in Lüneburg als Gradmesser, scheint der Ausgang der Abstimmung völlig offen zu sein.
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