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Vor Gericht gegen den KlimawandelUlf verklagt Volkswagen

VW trage Mitschuld an der Erderhitzung, argumentiert ein Landwirt. Er will den Konzern zum Klimaschutz verpflichten lassen.

Ulf Allhoff-Cramer auf dem Gelände seines Hofs nahe Detmold Foto: Daniel Müller/Greenpeace

Berlin taz | Im Sommer 2018 wurde die Klimakrise für Ulf Allhoff-Cramer persönlich. Die Acker des Bio-Bauern, der seinen Hof bei Detmold hat, waren braun. Vertrocknet. „Die Tiere hatten nichts zu fressen und wir mussten denen im Sommer was von dem zu fressen geben, was eigentlich für den Winter gedacht war“, berichtet Allhoff-Cramer in einem Video der Umwelt-NGO Greenpeace. „Dass dann noch zwei Dürrejahre kommen, das war einfach unvorstellbar für uns“, sagt der Bauer. „Aber so war es.“

Das Video heißt „Warum verklagst du Volkswagen, Ulf?“. Denn genau das macht Allhoff-Cramer, zusammen mit drei anderen Personen und unterstützt von Greenpeace. Er will den Autokonzern als einen der großen Klimawandel-Verursacher zur Verantwortung ziehen. Am Freitag beginnt das Verfahren vor dem Landgericht Detmold.

Die Klä­ge­r:in­nen wollen, dass Volkswagen juristisch zum Klimaschutz verpflichtet wird, wie es bei Staaten wie den Niederlanden und auch Deutschland schon der Fall war. Sie argumentieren unter anderem mit einer Studie, die Greenpeace selbst einmal durchgeführt hat, nach der der CO2-Fußabdruck von VW in etwa dem von Australien entspreche – einem der ganz großen Verschmutzer unter den Staaten. Konkret soll der Autobauer bis 2029 nur noch maximal ein Viertel seiner verkauften Autos mit Verbrennungsmotoren ausrüsten dürfen. Und danach, ab 2030, soll damit ganz Schluss sein. Die Emissionen des Konzerns sollen bis dahin um 65 Prozent im Vergleich zu 2018 sinken.

VW habe „spätestens seit 1983“ von der Klimakrise und der Bedeutung der Autos dafür gewusst, meint Greenpeace mit Verweis auf eigene Recherchen. Statt das Geschäftsmodell daraufhin zu ändern, habe der Konzern dann in der Öffentlichkeit Zweifel an der Klimaschädlichkeit von Autos gesät und Klimaschutz in der Branche aktiv verhindert, kritisiert die NGO.

„Diese Fehlentscheidungen des Konzerns stehen für das langjährige Versagen der deutschen Wirtschaft im Klimaschutz“, meint der deutsche Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser, der auch einer der Klä­ge­r:in­nen ist. „Bei VW ist dies besonders skandalös, weil der Konzern seine Macht als größter europäischer Autohersteller gegen die Politik und das Allgemeinwohl eingesetzt hat.“

Den genauen Grund für Dürren zu finden ist kompliziert

Bei Volkswagen sieht man das anders. „In einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung sind die wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber zu treffen“, heißt es bei VW. Klagen gegen „einzelne herausgegriffene Unternehmen“ seien angesichts der Komplexität des Klimaschutzes ungeeignet. Das Unternehmen glaubt nicht an einen Erfolg der Klage und will die Abweisung beantragen.

Während es zum Beispiel bei Hitzewellen ganz deutlich ist, dass sie durch die Klimakrise praktisch überall häufiger und intensiver werden, ist die Lage bei Dürren komplizierter. Nicht nur die Niederschlagsmenge spielt eine Rolle. Wie viel Wasser letztlich im Boden oder in Gewässern bleibt, hat auch mit anderen Faktoren wie der Temperatur und damit einhergehender Verdunstung sowie der Bodenbeschaffenheit zu tun.

Nicht überall auf der Welt werden Dürren zunehmen. An manchen Orten wird es sogar nasser. Für Land­wir­t:in­nen ist natürlich auch das ein Problem. In Europa ist laut Weltklimarat bisher besonders der Mittelmeerraum zunehmend von Dürren betroffen. Auch in Mitteleuropa könnten sie jedoch in Zukunft bei fortschreitender Erderhitzung häufiger werden.

„Wir Bäuer:innen, hier und überall auf der Welt, spüren die Folgen der Erderhitzung an allen Ecken und Kanten“, sagt Allhoff-Cramer, der hofft, dass sein Sohn seinen Hof irgendwann übernehmen kann. „Sie ist existenzbedrohend für uns.“

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11 Kommentare

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  • Dass ein Landwirt, der Nutztiere hält, nun wegen des Klimawandels klagt, ist bizarr. Sachlage ist, dass die Haltung von Nutztieren und gerade von Kühen nicht in einem schwachen, sondern in einem äußerst starken Ausmaß zum Klimawandel beiträgt. Zudem sind die aus den Tieren gewonnenen Produkte völlig nutzlos, da die pflanzlichen Alternativen ressourcenschonender und gesünder sind. Studien zeigen, dass wegen des höheren Landgebrauchs die Bio-Nutztierhaltung in der Gesamtbilanz ebenso schädlich ist wie die konventionelle Nutztierhaltung. Alles andere ist ein Mythos. Es klagt hier also eindeutig die falsche Person. Dabei könnte der Landwirt auch tatsächlich etwas gegen den Klimawandel tun, indem er - wie andere vor ihm - auf eine vegane Landwirtschaft umstellen würden.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      Rinderhaltung und CO2-Emission: Auf der Weide grast sich's schöner

      Weidehaltung kann umwelt- und tierfreundlicher sein als die Fütterung im Stall, sagt eine Studie. Sind Rinder doch keine Klimakiller?



      taz.de/Rinderhaltu...Emission/!5850382/

    • @PolitDiscussion:

      Das Ergebnis wäre für diesen Bauern aber erstmal das gleiche: braune Äcker, nichts zu ernten.



      Insofern hat er ja Zeit, sich mit der Klage zu befassen, schließlich ist sie ja nicht gegenstandslos, nur weil einem der Kläger grade mal nicht passt.

    • @PolitDiscussion:

      Ich finde das gut, dass gegen VW geklagt wird. Wir sollten alle klagen gegen die Verursacher der Klimakatastrophe. Wer hat denn den Krupps, Porsches, Fords überhaupt erlaubt, so viel CO² in die Atmosphäre zu schicken, an allererster Stelle, um Geschäfte damit zu machen und an zweiter Stelle natürlich um möglichst viele von sich abhängig zu machen. Die, die damit angefangen haben, mussten wohl niemanden fragen, aber das Recht, so zu wirtschaften, sollte heutzutage wohl eher nicht mehr vererbt werden, zumal sich immer wieder herausstelltWenns schief geht und jetzt viel zu warm wird, soll ein Staatswesen alles ausbügeln. Das Verursacher-Prinzip jetzt nur bei den Kleinen abzuladen, die inzwischen weitgehend abhängig von den Handelsketten, die mit ihren Produkten spekulieren, wäre zu kurz gesprungen.

      • @Dietmar Rauter:

        Das ist wie das Ei/Huhn Problem. Ist jetzt Volkswagen schuld, weil sie die Autos bauten, oder die Verbraucher die diese Autos ( kaufen ) fahren ?? Es wird das produziert was sich verkaufen lässt, also das was die Verbraucher verlangen.



        In meinen Augen ist es billig jetzt Volkswagen alleine anzuprangern.

  • Ende diesen Jahres will VW den sog. "Amarok" den hiesigen Landwirten schmackhaft machen. Pickup mit 4 Motorvarianten: 1x Benziner und 3 x Diesel. Elektro ist von vornherein gar nicht vorgesehen. So sieht, weiter, die Zukunft der Autobauer aus - es muß Geld rein.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Da bin ich mal auf die Anspruchsgrundlage gespannt, mit der ein Methanerzeuger zivilrechtlich gegen den Hersteller von CO2-Emittenten vorgeht.

    • @47351 (Profil gelöscht):

      Auch Sie sind Methanerzeuger.

      • 4G
        47351 (Profil gelöscht)
        @Günter Witte:

        Mag sein. Mir käme dann umso weniger in den Sinn, Sie wegen Methanerzeugung zu belangen.

  • Wie im Klima-Beschluss des BVerfG schon deutlich gemacht, soll den Staat eine Pflicht zur generationenübergreifenden Freiheitssicherung treffen. Diese Begründung fußt aber eben darauf, dass die Bundesrepublik a) hoheitlich die Gesamtemissionsmenge regulieren kann und b) überhaupt zum (intertemporalen) Grundrechtsschutz ihrer Bürger verpflichtet ist. Beides tritt auf VW nicht auch, auch nicht mittelbar. Auch ich rechne daher mit einer Klageabweisung.

  • Viel Spaß! Volkswagen ist ein brutaler Konzern. Neulich fragte ich nach, ob es stimme, dass Strafgefangene für 1,37 euro schuften, und vw davon profitiere. Es wurde einfach der hörer aufgeknallt.