Von der Leyens Energiemarkt-Plan: Wo bleibt der Preisdeckel?
Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Energieunternehmen die Übergewinne abzuschöpfen, ist richtig. Er reicht aber nicht.
E s klingt nach einem großen Aufschlag, aber das ist es nicht: Eine Gewinnabschöpfung und eine Krisenabgabe für Energieunternehmen hat Ursula von der Leyen in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament vorgeschlagen. Endlich sollen auch die Energiekonzerne zur Kasse gebeten werden, die zurzeit ohne eigenes Zutun Geld scheffeln, während Privatleute und Firmen kaum wissen, wo sie es hernehmen sollen.
Öl-, Gas- und Kohleunternehmen sollen sich mit einer Abgabe an den Kosten der Krise beteiligen, an der sie kräftigst verdienen. Der Vorschlag wirkt, als würde auf dem völlig aus den Fugen geratenen Energiemarkt endlich etwas Gerechtigkeit einziehen. Aber: Die für die Gewinnabschöpfung veranschlagten 140 Milliarden Euro an möglichen Einnahmen sind, auf 27 Länder verteilt, nicht viel. Und was die Krisenabgabe bringt, ist unklar.
Was von der Leyen vorgelegt hat, ist leider keine Antwort auf die bange Frage, wie Europa durch den nächsten Winter kommt. Dass die Europäische Union endlich beherzt in den Energiemarkt eingreift, ist gut. Unklar aber ist, was die Verbraucher:innen davon haben werden. Krisenabgabe und Gewinnabschöpfung schaden nicht. Doch das Geld muss auch sinnvoll eingesetzt werden. Es ist nötig, notleidenden Haushalten und Unternehmen zu helfen – aber Almosen alleine lösen nicht die grundlegenden Probleme.
Und das sind die galoppierenden Energiepreise, die die Inflation anheizen und so manche:n in die Pleite treiben. Die Lage ist dramatisch. Obdachlosenheime fürchten, dass sie im Winter schließen müssen, weil sie die Gasrechnung nicht bezahlen können. Pflegeeinrichtungen wissen nicht, wie sie die steigenden Energietarife schultern sollen, immer mehr Firmen geraten wegen der kaum zu kalkulierenden Kosten ernsthaft in die Bredouille, und Millionen von Haushalten fürchten, im Winter nicht heizen zu können, weil es zu teuer ist.
Es reicht nicht, dass Energie vorhanden ist, sie muss auch bezahlbar sein. Das ist sie für viele nicht. Doch von einem Preisdeckel hat von der Leyen nicht gesprochen. Immerhin: Die Bundesregierung führt Gespräche auf EU-Ebene über eine Strompreisbremse. Hoffentlich mit Erfolg. Das Modell sieht vor, dass es einen staatlich subventionierten Grundbedarf für Haushalte und kleine und mittlere Betriebe gibt.
Für den Verbrauch darüber hinaus muss der hohe Marktpreis bezahlt werden. Das geht in die richtige Richtung. Allerdings: Etwas Ähnliches für Gas ist nicht vorgesehen. Das ist fatal. Denn Gas ist mindestens so wichtig wie billigerer Strom. Ohne einen Energiepreisdeckel für den Grundbedarf drohen in den kommenden Monaten schlimme soziale und wirtschaftliche Verwerfungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“