Von IDF getötete Journalist:innen: Wer setzt sich für sie ein?
2024 wurden erneut mehr Journalist:innen in Gaza getötet als sonst wo auf der Welt. Wer glaubt, die Folgen blieben auf den Ort beschränkt, irrt sich.
H inter den 29 laut Reporter ohne Grenzen im vergangenen Jahr im Gazastreifen getöteten Journalistinnen und Journalisten stehen Namen und Geschichten.
Etwa die von Mariam Abu Dagga, einer Fotojournalistin unter anderem für die Nachrichtenagentur AP. Die Mutter eines damals 13-jährigen Jungen machte Ende August noch Bilder vom Einschlag einer Panzergranate in das Al-Nasser-Krankenhaus, bevor sie Minuten später von einem zweiten Schuss getötet wurde.
Oder Anas al-Scharif. Der Korrespondent des katarischen Fernsehsenders Al Jazeera wurde Anfang August mit seinem gesamten Fernsehteam durch einen Luftangriff getötet. In einem Pressezelt. Neben einem Krankenhaus.
Das humanitäre Völkerrecht wird die meisten dieser Angriffe kaum decken, unabhängig davon, ob wie bei al-Scharif möglicherweise eine Nähe zur Hamas bestand. Nicht nur blieb Israel fast immer belastbare Belege über eine Hamas-Mitgliedschaft schuldig, den Schutz von Journalisten würde eine solche nicht aufweichen, wenn sie nicht militärisch aktiv sind. Stattdessen sprechen mehrere Angriffe in schneller Abfolge auf Presseleute und Ersthelfer wie im Nasser-Krankenhaus eher für mehrfache Kriegsverbrechen.
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Wir sollten uns an die Getöteten erinnern, nicht nur, weil sie Menschen mit Eltern, Geschwistern und Kindern waren, sondern weil ihr Tod nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. „Ich fürchte, dass ich genauso enden könnte“, sagte Malak Tantesh, die bis zu ihrer Ausreise auch für die taz aus Gaza berichtete, im September im Interview und fragte sich: „Wenn ich getötet würde, würde sich die Welt für mich einsetzen?“ Wenn wir erlauben, dass palästinensische Journalisten ohne Strafe getötet werden, wird es früher oder später alle treffen. Das ist bereits jetzt deutlich zu spüren.
Israel hat die Regeln über den Einsatz militärischer Gewalt in einem bewaffneten Konflikt in den zwei Jahren seit dem Hamas-Terror am 7. Oktober mit Füßen getreten. Spürbare internationale Konsequenzen gab es kaum.
Luftangriffe wegen Müllverbrennung
Wo diese Entgrenzung hinführt, lässt sich nun beinahe täglich beobachten: Ende November wurden israelische Soldaten dabei gefilmt, wie sie im Westjordanland zwei unbewaffnete, gefangene militante Palästinenser exekutierten. Polizeiminister Itamar Ben Gvir beförderte den befehlshabenden Offizier.
Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.
Vergangene Woche schlug der rechtsextreme Knessetabgeordnete Zvi Sukkot im Umweltausschuss vor, Müll verbrennende Palästinenser im Westjordanland mit Luftangriffen zu töten. Die anwesende Umweltministerin Idit Silman pflichtete ihm bei und nannte Müllverbrennung eine „Form von Terrorismus“.
Die Radikalisierung trifft auch die eigene Bevölkerung. Eine Vision von Israel mit Todesstrafe, schwachen Bürgerrechten und eingeschränkter Pressefreiheit ist längst keine ferne Dystopie mehr. Die ideologische Härte, mit der Israels rechte Regierung ihre antidemokratischen Vorstellungen durchdrückt, macht auch vor israelischen Journalisten nicht Halt.
Mit einigen Ausnahmen haben viele von ihnen das Vorgehen gegen ihre palästinensischen Kollegen schweigend hingenommen, wenn nicht gar offen gerechtfertigt. Doch Pressefreiheit lässt sich nicht auf der einen Seite schützen, auf der anderen ignorieren.
Es braucht internationalen Druck
Zwar droht ihnen nicht der Tod, doch eine Reihe von Gesetzesvorschlägen dürfte massive Einschränkungen bringen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll abgewickelt, Verbote von Medien leichter werden. Selbst der populäre Armeesender Galei Zahal soll abgeschaltet werden. Kulturerbe-Minister Amichai Eliyahu sagte jüngst: Medien in Israel stünden „nicht unter Artenschutz“.
Auch Angriffe und Behinderungen gegen internationale Reporter durch Siedler und israelische Sicherheitskräfte im Westjordanland häufen sich und zeugen von einer um sich greifenden Akzeptanz, dass Angriffe auf Journalisten vertretbar sein können.
Die jüngste Diffamierungskampagne mehrerer Springer-Medien und offizieller israelischer Stimmen gegen die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann zeigt: Die Delegitimierung von Berichterstattung macht auch vor internationalen Medien nicht halt.
Die 220 seit Kriegsbeginn getöteten Journalistinnen und Journalisten in Gaza wurden nicht im Verborgenen, sondern manche von ihnen vor laufender Kamera getötet. Diese Fälle müssen aufgearbeitet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Im heutigen Israel wird das nicht passieren, gefordert sind die internationale Gemeinschaft und internationaler Druck. Bleibt der aus, bestätigt es die Täter und trifft am Ende alle.
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