Von Flüchtlingen besetzte Schule in Berlin: Bezirk klagt gegen die Bewohner
Friedrichshain-Kreuzberg will die Geflüchteten aus der ehemaligen Schule klagen. Die Verhandlungen seien gescheitert, sagt die Bezirksbürgermeisterin.
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) bestätigte im Gespräch mit der taz die Klage. Sie zeigte sich enttäuscht, dass dieser Weg nun nötig geworden sei: „Den Bewohnern sind sehr weitgehende Angebote gemacht worden. Am Ende haben sie alles, alles abgelehnt“, sagte Herrmann.
Ihr zufolge verharren die zwölf im Haus verbliebenen Männer, sowie zwölf weitere Betroffene, die sich einst erfolgreich gegen eine Räumung gewehrt hatten, auf ihrer Forderung, einen rechtlichen Status als Flüchtlinge zu erlangen. Dieser Lösung stehe allerdings die Senatsverwaltung des Inneren um Senator Frank Henkel (CDU) im Weg. Die Männer seien allesamt ohne Duldung oder gar Aufenthaltserlaubnis.
Henkel selbst reagierte am Nachmittag: „Es ist ein kleines Wunder, dass sich Frau Herrmann endlich dazu durchringt, Recht und Ordnung in der Gerhart-Hauptmann-Schule wiederherzustellen. Das begrüße ich sehr“, sagt er und fügte hinzu: „Es wäre wichtig, zu einem juristischen Erfolg gegen die Besetzer zu kommen. Ich hoffe, dass Herrmanns lange Tatenlosigkeit die Chancen vor Gericht nicht verschlechtert hat.“
Herrmann betonte, dass an Lösungen alles diskutiert wurde, „was die Phantasie hergibt“. Auch sei es den Bewohnern und ihren Unterstützern nicht gelungen, einen Träger für ein von ihnen selbst verwaltetes Flüchtlingszentrum zu finden. Eine Integration in den so genannten „Campus Ohlauer“, der derzeit vom Bezirk auf dem Gelände errichtet wird, ist damit vom Tisch. In einem Neubau auf dem Schulgelände sollen Wohnungen für sozial Schwache, Studierende, Geflüchtete und von Obdachlosigkeit betroffene Frauen errichtet werden, dazu eine Fahrradtiefgarage und eine Bibliothek.
Zeithorizont unklar
Der Nordflügel des Schulgebäudes ist bereits renoviert und soll Platz für 110 Geflüchtete bieten. Abgetrennt von dem Projekt ist der besetzte Südflügel. Wie viel Zeit bis zu einer Gerichtsentscheidung und einer eventuellen Räumung der Bewohner vergehen werde, konnte Herrmann nicht sagen. Ebenso wenig, wie es um die Erfolgschancen in dem Prozess bestellt ist.
Was mögliche Reaktionen betrifft, zeigte sich die Herrmann gelassen, auch wenn die Unterstützung für die Geflüchteten insbesondere aus der linken Szene in der Vergangenheit enorm war. „Das ist kein unangenehmes Thema für mich, sondern für das Land Berlin. Wir als Bezirk haben bis zur Grenze des Möglichen getan, was wir konnten“, so Herrmann. Die Grüne will auch nach der Wahl weiter als Bezirksbürgermeisterin arbeiten.
Die ehemalige Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße war im Dezember 2012 von Flüchtlingen besetzt worden. Zeitweilig lebten dort bis zu 200 Menschen. Im Sommer 2014 endete ein Räumungsversuch nach tagelangen Protesten mit der Unterzeichnung eines Einigungspapier, das mehreren Dutzend Bewohnern den Verbleib zusicherte.
Ein Jahr später wollte der Bezirk diesen Zustand juristisch beenden, scheiterte aber am Einspruch von 24 Bewohnern vor dem Verwaltungsgericht. Dieses argumentierte, es müsse geprüft werden, ob die Betroffenen ein Wohnrecht erworben hätten. Besondere Gründe für eine Räumung, etwa eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, verneinte das Gericht.
Ende September 2015 wurde dieses Urteil in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. Die Eigentümerrechte müssten vor einem Zivilgericht eingeklagt werden, hieß es damals. Diesen Weg geht der Bezirk nun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste