Vom Umgang mit Kritik: Die Kunst der Verdauung

Die Hundekot-Attacke an der Staatsoper Hannover lässt Fragen offen. Ein fiktives Gespräch unter Hun­de­be­sit­ze­r*in­nen über den Umgang mit Kritik.

Ein TV-Kameramann filmt die Staatsoper in Hannover.

Hannovers Medienereignis der Woche: Ein Kamermann filmt die Staatsoper nach der Hundekot-Attacke Foto: dpa | Julian Stratenschulte

„Also, diese Theaterleute!“, sagt eine Dackelbesitzerin zur anderen am Isebek-Kanal.

„Ja, Darm mit Charme geht anders“, sagt die andere.

„Mir tut der Hund leid!“, mischt sich ein Mann mit Labradoodle ein.

„Wieso?“, fragt einer mit Cocker Spaniel.

„Na, der wurde gar nicht gefragt, ob es ihm recht ist, so eine Ausscheidung ist doch nun eine persönliche Angelegenheit!“

„Außerdem hat der Goecke hinten rum alles auf seinen armen Dackel geschoben, meinte, der sei so alt, habe keine Kontrolle mehr über die Peristaltik und deshalb in die Tasche gemacht. Da erst habe er die Vision gehabt, so sei es spontan geschehen!“

„Ach ja? Ich las, er habe grad den vollen Plastikbeutel in der Hand gehabt, da kam die Wiebke des Weges und so trug es sich aus dem Bauch heraus zu!“

„Papperlapapp, das war von langer Hand geplant, der hatte das in ’ner Tupperdose und passte Frau Hüster ab! Wahrscheinlich war es sogar sein mutwillig selbst erschaffener Stuhl!“

„Aber warum sollte er der Öffentlichkeit diesen Überekel-Triumph vorenthalten?“

„Na, weil er eben doch ein bisschen clever und nicht komplett hybrid ist! Alles auf den Punkt inszeniert!“

„Seiner Hybris wär’ es zuzutrauen!“

„Gibt es da gerichtsmedizinische Untersuchungen?“

„Man muss mit Kritik umgehen können, sonst ist man am Arsch in dieser Welt“

„Authentischer Menschenkot, der Skandal wär’ ungeheuer!“

„Ja? Wo ist der Unterschied?“

„Scheiße bleibt Scheiße, egal wo sie rausgekommen ist!“

„Jetzt wird’s hier aber ’ne Spur zu eklig!“

„Kritik ist auch eklig, ich kritisiere niemanden und will auch nicht kritisiert werden, ich mach alles mit mir selbst ab.“

„Im Ernst? Da fressen Sie aber so einiges in sich rein, das soll man nicht, das schlägt auf die Psyche und die Darmflora!“

„Man muss mit Kritik umgehen können, sonst ist man am Arsch in dieser Welt.“

„Wer kann schon mit Kritik umgehen?“

„Meine Chefin nicht, deswegen spuck’ ich ihr immer heimlich in den Kaffee, wenn sie wieder fiese war!“

„Und damit geht es Ihnen gut?“

„Ganz und gar, ich hab meinen Frieden und sie ihren.“

„Aber Kritik an der Kritik ins Gesicht schmieren ging ja nicht heimlich!“

„Der wollte den Auftritt!“

„Martin Walser hat Ranicki mal in einem ganzen Roman ermordet.“

„Auge um Auge, Wort um Wort.“

„Eine saubere Sache.“

„Was ist an Kacke eigentlich so schlimm?“

„Sie stinkt!“

„Das ist alles?“

„Sie ist in der Regel zu nichts mehr zu gebrauchen!“

„Meint ihr, man braucht Kunst?“

„Gute Kunst schon.“

„Was ist gute Kunst?“

„Die, die Gefühle auslöst?“

„Das tut schlechte Kunst auch.“

„Die, die gute Gefühle auslöst?“

„Das wären dann eher Filme mit Hugh Grant.“

„Wahrhaftige Kunst ist das, was diese neue Maschine nicht produzieren kann.“

„Das ist nur ’ne App, oder?!“

„An ChatGPT würde alles abprallen, so viel ist sicher!“

„Und die könnte man einfach abputzen mit diesen feuchten Tüchern von dm!“

„Die Kritikerin hat bestimmt sehr lange geduscht.“

„Meint ihr, die ist traumatisiert?“

„Na ja, sie wird sich erholen, gibt Schlimmeres.“

Putin.“

„Der schwenkt schon lang die Atombombe im Plastikbeutel.“

„Weiß man nicht, ob da wirklich eine drin ist.“

„Am Ende ist’s auch nur von seinem Hund.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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