Volksentscheid über Ehe für alle: Regenbogen über der Schweiz
Die Schweizer haben klar für die Ehe für alle gestimmt, selbst in konservativen Kantonen. Toleranz und Freiheit sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
D er rechte Rand in der Schweiz zog alle Register: Um vor den angeblichen Gefahren der Ehe für alle zu warnen, plakatierten sie Zombies und warnten vor „Kindern mit einem Toten“, um die Samenspende für lesbische Paare zu verunglimpfen.
Auf anderen waren die Bäuche schwangerer Schwarzer zu sehen, auf denen „Sklavinnen“ geschrieben stand – dass die Leihmutterschaft gar nicht zur Abstimmung stand, spielte bei dieser Geschmacklosigkeit keine Rolle. Hauptsache, man würde der Bevölkerung auf dem Land wieder einmal Angst machen. Dass das nicht geklappt hat, dass selbst ein ultrakonservativer Kanton wie Appenzell für die Ehe für alle stimmte – das zeigt, dass die wirklichen Zombies am rechten Rand stehen.
Für fast zwei Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer gab es schlicht keinen Grund, Schwulen und Lesben Rechte vorzuenthalten, die selbstverständlich für alle gelten sollten. Das überwältigende „Ja“ ist ein Erfolg nicht nur der Vernunft, sondern vor allem der LGBTQ+-Bewegung, die hartnäckig um ihre Anerkennung gestritten hat. Ihrem erfolgreichen Kampf ist es zu verdanken, dass sich kaum noch jemand versteckt, wenn er oder sie schwul, lesbisch oder intersexuell ist. Auch in Appenzell kennen heutzutage die meisten Menschen persönlich schwule Paare, haben eine lesbische Tochter oder sehen im Fernsehen, wie traditionelle Geschlechterdefinitionen Toleranz und Freiheit gewichen sind.
Niemandem fällt mehr das Alphorn aus der Hand, wenn sich ein Politiker, eine Politikerin outet, selbst in einer konservativen Partei. Der Regenbogen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Deshalb konnte selbst eine teure Kampagne rechter Gestriger das deutliche Ergebnis nicht verhindern und wird den Fortschritt auch in Zukunft nicht zurückdrehen können.
Selbst wenn Zombies untot sind und ihr Unwesen vermutlich weiter treiben werden, haben Menschen ihnen gegenüber doch einen klaren Vorteil: Sie besitzen ein Hirn – und ein Herz. Beides haben die Schweizerinnen und Schweizer an diesem Sonntag eingesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch