piwik no script img

Volksentscheid DW-Enteignen„Ablenkungsmanöver ohne Umsetzung“

Gastkommentar von Elif Eralp und Niklas Schenker

Giffey und Wegner wollen die Vergesellschaftung endgültig verschleppen. Ein Gastbeitrag von Linken-Politiker:innen Niklas Schenker und Elif Eralp.

Der Wille zur Vergesellschaftung ist ungebrochen: Hier beim „Karneval der Enteignung“ Anfang Februar Foto: Christian Mang

I n ihrem Koalitionsvertrag haben CDU und SPD ein Vergesellschaftungsrahmengesetz vereinbart. Das soll einen Rechtsrahmen und qualitative Indikatoren für eine Vergesellschaftung in verschiedenen Feldern der Daseinsvorsorge (Wohnen, Energie, Wasser) sowie Grundsätze der Entschädigung definieren. Für eine Vergesellschaftung reicht ein abstrakter Rahmen aber nicht aus. Für jeden Anwendungsfall braucht es ein eigenes Umsetzungsgesetz. Und den Rahmen dafür gibt Artikel 15 im Grundgesetz bereits vor. Ein Rahmengesetz ist deshalb unnötig.

Nach Beschlussfassung will Schwarz-Rot gegen ihr eigenes Rahmengesetz eine Normenkontrollklage einreichen und es so vor das Bundesverfassungsgericht bringen. Um die Prüfung zu ermöglichen, soll das Gesetz erst zwei Jahre nach Beschlussfassung in Kraft treten. Damit ist fraglich, ob in dieser Legislatur überhaupt ein Gesetz kommt. Keine Akteurin im Senat wird dafür kämpfen.

Weil ein Rahmen aber noch keine Vergesellschaftung macht, ist vor dem Bundesverfassungsgericht gar nicht viel zu gewinnen. Bestenfalls kann das Gericht die grundsätzliche Landeskompetenz feststellen. An der fehlenden Kompetenz scheiterte zwar noch der Mietendeckel, doch selbst Kri­ti­ke­r*in­nen und auch die Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on sehen diese bei einer Vergesellschaftung als gegeben an. Ehin Umsetzungsgesetz für die Vergesellschaftung von Wohnraum würde dennoch wieder vor Gericht landen.

Mit Verweis auf den Mietendeckel versucht Schwarz-Rot den Eindruck zu vermitteln, es handele sich bei der Vergesellschaftung von Wohnraum um ein praktisch unmögliches Vorhaben. Dabei wurde kein anderes Vorhaben in Berlin in den vergangenen Jahren so intensiv rechtlich geprüft: 15 Monate (!) Prüfung durch die Innenverwaltung, unzählige Gutachten (die meisten positiv), eine exzellent besetzte Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on und ein von der Fachwelt gelobter Gesetzentwurf von der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen (DWE) – es ist ausreichend Substanz produziert, um die Vergesellschaftung von Wohnraum in ein Gesetz zu gießen. Zumindest, wenn der politische Wille dafür da ist.

Elif Eralp, Jahrgang 1981, Sprecherin für Migration, Partizipation und Antidiskriminierung der Linksfraktion, seit 2021 im Abgeordnetenhaus

Unnötig verkompliziert

Niklas Schenker, Jahrgang 1993, Sprecher für Mieten, Wohnen, öffentlichen Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung, Rad- und Fußverkehr, Clubkultur der Linksfraktion, seit 2021 im Abgeordnetenhaus

Es scheint zunächst verlockend, die Vergesellschaftung auf mehr Bereiche als Wohnen auszudehnen, wie von Schwarz-Rot geplant. Die gesamte Infrastruktur der Daseinsvorsorge muss der Profitlogik entzogen werden. Das ist aber mit Sicherheit nicht der Plan einer CDU-geführten „Großen Koalition“. Stattdessen wird das Anliegen so verkompliziert. Einheitliche qualitative Indikatoren, die gleichermaßen für Felder wie Wohnen, Energie und Wasser gelten, werden nur schwer definiert werden können.

Außerdem rückt die schwarz-rote Koalition damit vom zentralen Vorhaben des Volksentscheids ab, die Wohnungen aller privaten, profitorientierten Unternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, zu vergesellschaften. Dieses quantitative Kriterium ergibt auch Sinn: Zusammen mit den landeseigenen und genossenschaftlichen Wohnungen würde der Anteil Berlins am Wohnungsmarkt 50 Prozent betragen – ebenso viele Haushalte haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein.

Welche qualitativen Indikatoren Schwarz-Rot anlegen möchte, lässt der vage formulierte Vertrag offen. Vorstellbar wäre etwa eine systematische Missachtung des Mietrechts oder eine zu geringe Investi­tionsquote. Nur werden diese Indikatoren mangels passender Instrumente zur Wohnraumerfassung, wie dem Mietenkataster, schwer messbar sein. Auch führt das weg vom eigentlichen Zweck der Vergesellschaftung: Sie ist keine „Strafe“ für böse Vermieter*innen, sondern soll weite Teile des Wohnungsmarktes in Gemeineigentum überführen.

Selbst wenn alle diese Hürden genommen werden, macht Schwarz-Rot die „Verhältnismäßigkeit“ zur Grundvoraussetzung für eine Vergesellschaftung. CDU und SPD könnten dann darauf beharren, Vergesellschaftung nur als „letztes Mittel“ anzuwenden. Dann müsste bewiesen werden, dass bereits alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden. Eine solch restriktive Auslegung ist juristisch nicht nötig und würde das Vorhaben endgültig verunmöglichen. CDU und SPD würden genug Argumente einfallen, warum noch lange nicht alle Instrumente ausgeschöpft sind.

Braucht es einen neuen Volksentscheid?

SPD, Grüne und Linke haben in ihren Sondierungen lange über Vergesellschaftung verhandelt. Als Kompromiss mit der SPD wurde sich zwar ebenfalls auf die Einführung eines Rahmengesetzes verständigt – aber nur unter der Maßgabe, dass zeitnah auch ein Umsetzungsgesetz für die Vergesellschaftung von Wohnraum erarbeitet und beschlossen wird.

Giffey und Wegner wollen den Volksentscheid jedoch ins Leere laufen lassen. Das Rahmengesetz ist ein reines Ablenkungsmanöver ohne Umsetzungsperspektive. Was also tun? Die Initiative könnte einen zweiten Volksentscheid starten, der diesmal bei Erfolg rechtlich bindend ist. Dazu müsste sie einen konkreten Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen, statt wie zuvor den Senat aufzufordern, ein Gesetz zu erarbeiten.

Das erfordert viel Kraft und Ausdauer. Und auch dann könnte Schwarz-Rot sabotieren und die Initiative nach der ersten Stufe der Unterschriftensammlung vor das Verfassungsgericht zerren. Das hatte der damalige SPD-Innensenator Andreas Geisel schon beim ersten Volksentscheid versucht, war aber am Widerstand von Linke und Grünen in der Regierung gescheitert.

Wie alles im Leben hat aber auch ein Rahmengesetz, wenn es denn überhaupt kommt, etwas Gutes. Es wird Zeit, dass wir eine Vergesellschaftung auch für andere zentrale Lebensbereiche wie Energie, Gesundheit, Bildung, Kultur und Mobilität auf die Tagesordnung setzen. Die Berliner Linke sollte zusammen mit einer breiten Vergesellschaftungsbewegung ein Transformationsprogramm für Berlin entwickeln.

Schwarz-Rot muss sich auf viel Gegenwind gefasst machen – im Parlament und auf der Straße. Und wer weiß, vielleicht bekommen es Giffey und Wegner dann bald mit vielen Vergesellschaftungs-Initiativen zu tun. Wir wünschen es ihnen und unserer Stadt von Herzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Die SPD hat nicht nur in Berlin einen tiefgreifenden Wandel hinter sich: Von der Partei der kleinen Leute zu einem Zweckverband von Karieristen, die sich hochgedient haben, aber von den kleinen Leute (noch) gewählt werden und dann eine Politik des Systemerhaltes um jeden Preis betreiben. Das Rot in der Parteiflagge sollte durch ein verwaschenes Grau ersetzt werden. Eine Fusion mit der Union zur Allgemeinen Volksverarschungspartei Deutschlands (AVD) kommt dann am Ende dabei heraus.

  • Handeln ist jetzt gefragt.



    Was spricht dagegen, wenn der Senat ausschließlich mit gemeinnützigen Wohnungsbau Unternehmen die notwendigen Wohnungen baut, Grundstücke zur Verfügung stellt oder erwirbt.



    Wer sollte es dem Senat vorschreiben, mit welcher Gesellschaft die notwendigen Wohnungen mit Sozialbindung gebaut werden...



    Pragmatismus vor Ideologie!

  • Enteignung ist keine Lösung, auch wenn die TAZ das ständig Mantra artig runterbetet. Es wird Millarden als Entschädigung kosten, dieses Geld wird dann im sozialen Wohnungsbau fehlen. Denn Enteigung schaffte keinen Wohnraum , das ist Fakt! Im Gegenteil Eineignung verhindert weiteren privaten Wohungsbau in Berlin. Und der Staat hat es ja nicht geschafft kommunale Wohnungen zu bauen oder? Was hat den RRG gebaut, nichts ! Aber sein eigenes Unvermögen hinter einer Enteignung zu verstecken. Die Enteignung hilft nur denjenigen die in solch einer Wohnung wohnen Ihre Mietkosten von der Allgemeinheit subventioniert zu bekommen. Zu den Entschädigungskosten der Enteignung kommen dann noch die Kosten für die Sanierung der Wohnungen (EU Dämmrichtlinie, Habecks Heizungsgesetz etc) Berlin wäre auf Jahre hinaus pleite. Somit würden auf Jahre in Berlin weder öffentliche noch private zusätzlichen Wohnungen gebaut werden. Die Enteignung ist eine linke Totgeburt einzig und allein von denen getrieben, die in solch einer Wohnung wohnen und sich dadurch persönliche Vorteile hoffen. Mein Vorschlag , Berlin bekommt kein Geld mehr aus dem Länderfinanzausgleich und dieses Geld wird benutzt um in den Geberbundesländer kommunale Sozialwohnungen zur bauen! Dann steigt wenigstens die Anzahl der Wohnungen in Deutschland!

    • @Thomas Zwarkat:

      Warum kostet das Unsummen an Entschädigung? Es gibt doch die Sozialbindung des Eigentums! Ein Grundrecht auf Ausplünderrung der Allgemeinheit durch einzelne Reiche hatten die " Väter des Grundgesetzes" wahrscheinlich nicht im Sinn. Das gilt auch für die anderen Privatisierungsgewinner, die sich risikofrei auf Kosten des Staates bereichern können, da ihre Branchen systemrelevant sind. Ich will die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Ehrhardt zurück!

      • @Matt Gekachelt:

        Na ja ganz einfach einfach mal Artikel 14 GG lesen, Enteignung geht über ein Gesetz. Und das Gesetz muss zwingend eine Entschädigung vorsehen.

        Als Minimum Entschädigung wäre Kaufpreis der Wohungen damals von Berlin, plus Zinsen, Investitionen die getätigt wurden anzusetzen. In Deutschland wurden ca 500 Verfahren wegen Enteignung von Grundsstücken davon waren über 450 zum Marktwert. Wenn also hier das Verfassungsgericht der Enteigung zustimmen würde und Marktwert ansetzen würde sind wir schnell mal bei zweistelligen Millardenbeiträgen. Eine Enteigung ohne Entschädigung ist ganz sicheraussichtslos. Dazu bräuchte es eine Änderung des Grundgesetz. Dazu braucht man den Bund, das wird ohne CDU, SPD und FDP auf Bundesebene unmöglich!

        • @Thomas Zwarkat:

          "Als Minimum Entschädigung wäre Kaufpreis der Wohungen damals von Berlin, plus Zinsen, Investitionen die getätigt wurden anzusetzen"

          Wenn das stimmt, dann wäre der Preis ja nicht so viel höher als der Kaufpreis: lange 'Nullzinsphase' und kaum bis keine Investitionen und Reparaturen.

          Aber Sie haben grundsätzlich Recht, Wohnen sollte dem Markt entzogen werden und das muss auf Bundesebene durchgesetzt werden. Der Markt kann es nicht richten.

  • Tricks und Winkelzüge statt Demokratie..

    Das kann ja heiter werden mit dieser Koalition..weil das ist weder Demokratisch...noch Sozial..noch Christlich...

    Glückwunsch..

  • Der Vorschlag für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz wurde erstmals von der die Linke öffentlich präsentiert (siehe taz.de/Reaktion-au...-Berlin/!5916399/).

    Merkwürdig, dass genau dieses Vorgehen jetzt kritisiert wird.

  • Gegen den Bundestrend ist die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen in Berlin seit 2016 stetig zurückgegangen. Die Wohnungspolitik des RRG-Senats war eine Sackgasse, aber die Autoren rennen unverändert gegen die Wand. Die Zeiten des billigen Geldes sind vorbei und die Baukosten steigen. Seelig sind die, die eine Wohnung haben; alle anderen haben entweder genug Geld oder Pech gehabt.

    • @unbedeutend:

      Richtig , das schreien nach Enteignung hat bis jetzt nur eins erreicht, das vollständige stoppen des privaten Wohnungsbau! Gleichzeitig hat die Stadt aber zu wenig sozialen Wohnungsbau in Eigenregie gestartet! Toll gemacht RRG

  • Beeindruckend!



    Eine Partei, die über etliche Jahre in der Verantwortlichkeit für den Baubereich, keine erkennbaren Verbesserungen erreicht hat, kennt nun in der Opposition die Lösungen der Probleme.

  • Theoretisch ist eine Enteignung aufgrund der Verfassung sicherlich möglich...



    Praktisch aufgrund der fälligen Entschädigung nicht durchführbar... Es wird bei allen Befürwortern der Enteignung immer verschweigen das es seit bestehen der Bundesrepublik noch eine eine Enteignung unter Marktwert gegeben hat ... Ich habe nie eine Antwort von DW enteignen erhalten auf diese Tatsache. Keiner kann erklären wieso es auf einmal anders sein sollte ... Was bedeutet das Enteignen würde über 30 Milliarden kosten was absolut nicht durchführbar wäre bzw. dazu noch hochgradig Schwachsinnig wäre - denn mit so viel Geld könnte man 6 Million qm Neubau schaffen und damit neue Wohnungen zu schaffen - das würde wiederum dazu führen das die Mieten insgesamt sinken. Aber im postfaktischen Zeitalter sind populistische Thesen wichtiger wie Logik...

    • @Bernd Meier:

      Aber D ist klein. Wo sollen ganzen Grundstücke herkommen?

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Ärgerlich. Würde 2024 ein Gesetz nach Vorstellung der Autoren verabschiedet, würde der Instanzenweg bis zum EuGH gehen, weil etwa bei Heimstaden der europäische Binnenmarkt tangiert ist.Auch DW gehört zu 25% US Investoren. Entscheidung dann so gegen 2032 und sicher mit Entschädigungen zum Marktniveau, dass wegen starker Zuwanderung noch steigen könnte.... Bis dahin dann Abwarten und alle paar Wochen gegen Senat demonstrieren????

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Einfach gar nichts machen, hat ja bis jetzt nachweislich am besten geholfen......