Volksbegehren Enteignen in Berlin: Kompromiss mit Potential
Die Einigung auf eine Expertenkommission ist eine Chance – falls sie keine verfassungsrechtlichen Probleme findet.
E s ist ein Minimalkompromiss, auf den sich SPD, Grüne und Linke in Bezug auf die Umsetzung des Enteignungs-Volksbegehrens geeinigt haben. Und doch ist es ein Kompromiss, mit dem gearbeitet werden kann, denn er bietet Perspektiven. Die Diskussion über die Vergesellschaftung der Bestände der großen privaten Wohnungskonzerne ist jedenfalls nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Sie wird noch an Fahrt gewinnen.
Fast wäre die werdende Koalition geplatzt. Wie hätte es auch anders kommen können angesichts einer SPD-Chefin Franziska Giffey, die Enteignungen als rote Linien bezeichnet hatte, und einer Linken, für die die Umsetzung des Volksentscheids höchste Priorität genießt. Nun soll also eine Expertenkommission Wege einer verfassungsgemäßen Umsetzung prüfen.
Eine Kommission, die in drei Monaten ihre Arbeit aufnimmt, an der die Initiative beteiligt werden soll und die mit eigener Geschäftsstelle auch öffentlich ihre Ergebnisse kommuniziert, wird die Debatte mit Leben und Inhalt füllen – sofern ihre Besetzung überparteilich erfolgt. Wer sich sicher ist, dass Vergesellschaftung rechtssicher möglich ist, kann gelassen auf das Ergebnis warten und muss nicht befürchten, dass sie nur dazu dient, den mehrheitlichen Willen der Berliner:innen versanden zu lassen.
Das Ziel, 240.000 Wohnungen in die öffentliche Hand zu bringen, erstmals unter Zuhilfenahme von Artikel 15 des Grundgesetzes, ist nicht ohne umfangreiche Prüfungen zu erreichen. Die Hoffnung der Initiative, das von ihr erarbeitete Vergesellschaftungsgesetz könnte sofort umgesetzt werden, war überhöht.
Was fehlt, ist die Zusage, dass auch wirklich vergesellschaftet wird, wenn es einen rechtssicheren Weg gibt. Der SPD bleibt also die spätere Möglichkeit, sich – etwa mit Verweis auf die Kosten – gegen ein Gesetz zu stellen, was keine große Überraschung wäre. Die Initiative ist aber in dem Fall gerüstet, auf Grundlage der Ergebnisse einen neuen Volksentscheid anzustreben – diesmal gleich mit einem fertigen Gesetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja