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Volksbegehren ArtenvielfaltLandwirte auf Einschüchterungs-Tour

Die Koordinatoren des niedersächsischen Volksbegehrens Artenvielfalt prangern an, dass sie von Bauern beim Unterschriftensammeln behindert werden.

Bild der Existenzangst: Für die einen geht es ums ökonomische, für andere ums ökologische Überleben Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hamburg taz | Wer das niedersächsische Volksbegehren Artenvielfalt unterschreiben möchte, muss bisweilen eine gewisse Hartleibigkeit an den Tag legen. Wie die Koordinatoren des Volksbegehrens berichten, ist es mehrfach vorgekommen, dass Interessenten von Bauern angegangen wurden. Der Omnibus für direkte Demokratie, der die Kampagne unterstützt, sei zum Teil regelrecht belagert worden. „Die stellen sich mit Treckern davor und bedrängen Leute“, sagt Josef Voß, einer der beiden Koordinatoren.

Das Volksbegehren wird von rund 170 Organisationen unterstützt, allen voran den Grünen, dem Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerverband und dem Naturschutzbund (Nabu). Es setzt sich für mehr Vielfalt in der Landschaft ein, für weniger Pestizideinsatz und mehr Ökolandbau, für artenreiche Wiesen und naturnahen Wald.

Um diese Ziele zu erreichen, haben sich die Umweltverbände Nabu und BUND, die Vertreter der Bauernschaft sowie die Landesregierung Ende Mai auf den „Niedersächsischen Weg“ geeinigt, der mehr Artenschutz und eine Zukunft für die Landwirtschaft zugleich ermöglichen soll. Das hat den Nabu aber nicht davon abgehalten, das Volksbegehren weiter voranzutreiben.

Viele Landwirte fühlen sich dadurch hintergangen. „Der Nabu verhält sich wie ein frisch verlobter Bräutigam, der trotzdem noch auf allen Dating-Portalen aktiv ist“, kritisiert Ulrich Löhr, Vizepräsident des Landvolks, also des niedersächsischen Bauernverbands. Das Volksbegehren enthalte für die Landwirtschaft in der Summe nicht leistbare Auflagen.

Martialischer Auftritt

Weil sie Angst um ihre Existenz haben, suchen die Bauern die Diskussion mit den Unterschriftensammlern und manchmal auch die Konfrontation. Voß berichtet von einem „martialischen Auftritt“, bei denen Landwirte mit Treckern ein Spalier zum Infostand bildeten.

„Das ist eine Szenerie, wo man sich sagt: Da geh ich erst mal nicht hin“, sagt Voß. Der Nabu-Geschäftsstelle Oldenburg hätten Bauern Mist in Kisten vor die Tür gestellt, der Geschäftsstelle in Hannover Kunstdünger in den Vorgarten geschüttet – „obwohl das ein Magerrasen ist“, sagt Voß.

„So etwas unterstützen wir nicht“, versichert Sonja Markgraf, Pressesprecherin des Landvolks. Ihr Verband werbe in einer Kampagne für die Umsetzung des Niedersächsischen Weges. Das Landvolk sei nicht auf Konfrontation aus, sondern wolle diesen Weg gemeinsam mit den anderen Akteuren gehen.

Über den Niedersächsischen Weg sei überhaupt erst verhandelt worden, nachdem die schwarz-rote Landesregierung vor knapp einem Jahr von dem Volksbegehren Wind bekommen habe, sagt Koordinator Voß. Kurz zuvor hatte der Bayerische Landtag sich veranlasst gesehen, das überaus erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ anzunehmen, das ebenfalls auf den Artenschutz zielte.

Der Niedersächsische Weg ist den Unterstützern des Volksbegehrens nicht sicher genug. Er greife das Anliegen des Volksbegehrens zwar auf, weshalb es für die Umweltverbände keinen Grund gegeben habe, das Papier nicht zu unterzeichnen.

Solange ich kein Gesetz beschlossen habe, solange ich nicht wirklich was in der Hand habe, kann ich ein Volksbegehren nicht hergeben

Holger Buschmann, Nabu-Landeschef

Zugleich müsse man sich vor Augen halten, dass der Weg konzipiert worden sei, um das Volksbegehren zu verhindern. Bei dem Dokument handele es sich lediglich um eine Absichtserklärung. „Wenn wir nachlassen würden, wäre der niedersächsische Weg eine Sackgasse“, sagt Voß. „Dann würde gar nichts passieren.“

Bereits Ende Mai, nach der Unterzeichnung des Niedersächsischen Wegs, hatte der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann betont, dass eine Vereinbarung mit dem Land das Begehren nicht überflüssig mache: „Solange ich kein Gesetz beschlossen habe, solange ich nicht wirklich was in der Hand habe, kann ich ein Volksbegehren nicht hergeben.“

Demgegenüber geht das Landvolk davon aus, „dass der Niedersächsische Weg – entgegen oftmals anderslautender Formulierungen – nach der gemeinsamen Ausgestaltung der Vereinbarung in konkreten Gesetzen, die einen finanziellen Ausgleich garantieren, münden wird“, wie es in einer Pressemitteilung aus der vergangenen Woche heißt.

Leistungen für den Naturschutz, die von den Landwirten erwartet würden, müssten auch vergütet werden – so wie es mit EU-Geld jetzt schon beim Anlegen von Blühstreifen geschehe, sagt Markgraf. Zum Niedersächsischen Weg habe sich die Landesregierung klar bekannt, als sie zur Unterzeichnung den Ministerpräsidenten und die beiden Fachminister aufgeboten habe.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Bauernverband in Niedersachsen hat sich mit Umweltverbänden (u.A. NABU) und Landesregierung zusammengesetzt und sich freiwillig zu mehr Naturschutz verpflichtet. Dafür hat er von Bauern viel Kritik bekommen. Der Vorwurf war, dass die Naturschutzverbände die Landwirte mit dem Angebot eines Kompromisses in freiwillige Verpflichtungen locken und die Bauern dann trotzdem über ein Volksbegehren an den Pranger stellen. Der Bauernverband hat den Umweltverbänden aber vertraut und sich auf freiwillige Verpflichtungen eingelassen. Nun macht der NABU genau das, was die Kritiker befürchtet haben. Er hat das Vertrauen des Bauernverbandes missbraucht und kartet nun nach. Deshalb sind die Bauern stinksauer.

    • @trimalcio:

      Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe handelt es sich bei der Vereinbarung im Wesentlichen um eine Gesetzesvorlage, die prinzipbedingt erst dann wirksam ist, wenn sie auch durch den Landtag ist.

      Oder wollen Sie hier im Grunde nur Lobbyarbeit betreiben?

  • Ich kann sehr gut verstehen, dass die Umweltverbände nicht nachlassen, bis es Gesetze gibt. Schließlich sagt die Bittere Erfahrung aus Jahrzehnten von Selbstverpflichtungen mit allen möglichen Branchen der Wirtschaft: eine Selbstverpflichtung dient zur Beruhigung der Protestler, damit man weitermachen kann wie bisher.

  • Also ich finde es voll in Ordnung, wenn die Landwirte den Mitbürgern erklären, welche Arten- und Naturschutzmaßnahmen schon umgesetzt werden. Viele Leute wissen doch gar nicht, was sich in der modernen Landwirtschaft schon alles geändert hat. Vielen fehlt der Bezug zur Herstellung von Lebensmitteln. Ich kann mir auch vorstellen, dass mancher Unterschriftensammler noch nie einen Landwirt oder einen Trecker gesehen und fühlen sich auf Grund dessen schon bedroht. Wenn man die Bauernproteste der letzten Zeit verfolgt hat, hat man ja gesehen, dass die Landwirte immer friedlich waren und das Gespräch gesucht haben.

    • @Butzi:

      Um den Artikel sinngemäß zu zitieren:



      Fast immer

  • Hier steht gewissermaßen Aussage gegen Aussage. Ich lese keine unabhängige Meinung zu dem Verhalten der Bauern, die für ihre Interessen vor Ort waren oder der NABU Seite. Könnten Sie den Artikel bitte auf Facebook veröffentlichen? Vielleicht kommen dann auch beide Seiten zu Wort. So klingt der Artikel parteiisch.

    • @Le Kralle:

      Von Land schafft Verbindung, die für solche Proteste einschlägig wären, hat sich leider niemand zurückgemeldet.