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Volker Beck über Hitzlsperger„Kein Glaubensbekenntnis“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck über Homophobie im Fußball und die Bedeutung des Bekenntnisses zum Schwulsein.

Schöne Farben, kein Glaubensbekenntnis. Bild: photocase / twobot

taz: Herr Beck, ist Ihnen schon mal dazu gratuliert worden, bekennender Schwuler zu sein?

Volker Beck: Nein.

Herzlichen Glückwunsch!

Danke. Wobei ich es nicht schätze, wenn das Attribut „bekennender Schwuler“ bei jeder Gelegenheit vergeben wird. Denn ich halte Homosexualität nicht für ein Glaubensbekenntnis.

Ist es denn in Ordnung, davon zu sprechen, dass Thomas Hitzlsperger sich dazu bekannt hat, schwul zu sein?

In seiner spezifischen Situation, in seinem gesellschaftlichen Umfeld, ist das das Coming-out als Bekenntnis nicht falsch beschrieben. Es wäre dennoch falsch, ihn künftig als „bekennend“ zu apostrophieren, nur weil er nun offen schwul lebt. Niemand spricht ja beispielsweise von bekennenden Vätern oder bekennenden Müttern, es sind einfach Familienväter oder Familienmütter. Daraus macht man ja auch keinen Akt.

Bild: dpa
Volker Beck

Jahrgang 1960, ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Menschenrechtler.

Haben Sie mit einem so großen Echo auf das Outing von Thomas Hitzlsperger gerechnet?

Es war mir klar, als ich über zeit.de davon las, dass es eine Riesenwelle gibt, wenn der erste hochkarätige Profifußballer in Deutschland sagt, dass er schwul ist. Das hat natürlich einen hohen Nachrichtenwert. Denn Homophobie ist in den Stadien ein großes Problem. Das ist ja der Grund, warum aktive Profifußballer sich bislang zurückhalten, weil sie Angst vor den negativen Reaktionen haben.

Tut der DFB genug, um diese Situation zu ändern?

Theo Zwanziger hat vieles auf den Weg gebracht, und der DFB hat jetzt durch Hitzlsperger die Möglichkeit zu zeigen, dass er hinter einem Fußballer steht, der damit offen umgeht und damit also diesen Schritt nutzt, um anderen Mut zu machen.

Was sollte das Coming-out für Sotschi bedeuten?

Ich will hier gerne den Lesben- und Schwulenverband zitieren der sagt, in Sotschi sind wir alle Lesben und Schwule, weil Lesben und Schwule unterdrückt werden. Deshalb wäre es gut, wenn sich auch die heterosexuellen Sportfunktionäre und Sportlerinnen und Sportler solidarisieren mit Verfolgten in Russland.

Durch einen Boykott der Spiele?

Nein, jeder, der nach Sotschi gehen will, der soll das tun. Aber er oder sie soll zeigen, dass er mit Putin und seinem System in der Menschrechtsfrage nicht einverstanden ist. Wie soll sich eine solche Solidarisierung ausdrücken? Durch Symbole oder Gesten, durch Regenbogenbuttons oder ein Regenbogenhandtuch. Man kann auch in Interviews darauf hinweisen oder sich demonstrativ mit Lesben und Schwulenorganisationen treffen, um zu zeigen, auf welcher Seite man steht.

Frau Merkel hat Thomas Hitzlsperger dazu gratuliert, dass er schwul ist. Ist das angemessen?

Es wäre dann angemessen, wenn sie damit ein Zeichen gegen Vorurteile setzen will.

Aber vielleicht will sie das?

Aber dann muss sie auch die Konsequenzen ziehen und eben keine vorurteilsbeladene Politik mehr machen. Das hieße, dass Frau Merkel die Eheschließungsfreiheit für gleichgeschlechtliche Paare gewähren müsste. Dies würde dann auch das Recht auf gemeinsame Adoption beinhalten.

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8 Kommentare

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  • Ich finde, dass wir endlich auch weitere Partnerschaftsformen legalisieren und tolerieren müssen. Unzählige Polygamist*Innen und viele Bigamist*Innen müssen noch immer ihre präferierte Lebenseinstellung geheim halten. Solange diese Menschen weiterhin diskriminiert und juristisch verfolgt werden, sind wir keine offene Gesellschaft.

     

    Stellen Sie sich mal vor, es würde sich jemand der Vielweiberei outen und wäre gleichzeitig prominent. Ich bin sicher, dass die Bundeskanzlerin keine lobenden Worte finden würde.

    • HB
      Harald B.
      @Alexander Geilhaupt:

      Ja, man sollte auch Partnerschaften mit mehreren Männern UND mehreren Frauen gleichzeitig erlauben als besondere Form der sexuellen Lebenseinstellung. Solche Partnerschaften werden leider immer noch diskriminiert.

    • H
      Hans
      @Alexander Geilhaupt:

      Völlig richtig. Es sollte jedoch auch Vielkerlerei geben.

       

      Oder wir schaffen einfach das gesellschaftliche Geschlecht ganz ab.

      • D
        DETLEF
        @Hans:

        das gesellschaftliche Geschlecht?

         

        Übung:

        1) Gehen sie ins Schlafzimmer

        2) Optional: ziehen sie die Vorhänge zu

        3) ziehen sie sich aus

        4) stellen sie sich vor einen Spiegel

        5) Betrachte aufmerksam die Region, in der die Beine zusammenlaufen

        6) hier findest du ein Geschlechtsorgan

        7) Nutze 6) um dein biologisches Geschlecht zu bestimmen

         

        und jetzt bist du dran zeige mir wie ich mein gesellschaftliches Geschlecht finde.

        • H
          Hans
          @DETLEF:

          Als studierteR BiowissenschaftlerIn bin ich mir über das biologische Geschlecht durchaus im Klaren und würde dieses auch nicht verleugnen. In der Gesellschaft ist es so, dass die Definition des Gesellschaftlichen Geschlechts weitere gesellschaftliche Konsequenzen hat. Sie müssen sich in fast allen Bereichen als Mann oder Frau definieren. Doch warum? Ist es für den Beruf, Ämter, etc. so relevant, welches Geschlecht wir haben? (klar ist es das!) Handelt es sich hierbei nicht schon um Diskriminierung? Brauchen wir eine gesellschaftliche Diskriminierung von "Mann" und "Frau", und was ist mit Menschen die nicht in dieses Schema passen?

           

          Sie können gerne weiter sich als "Mann" sehen und ggf. "Frauen" als Geschlecht der Zuneigung definieren. Doch ist es relevant ob sie auf Helga oder Bettina stehen, ob Helga oder Bettina auf ihrem Ausweis Mann oder Frau stehen haben. Sie stehen ggf. auf die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale des biologisch weiblichen Geschlechts. Viel Freude. Aber müssen wir deifinieren, dass Bettina und Helga "Frauen" sind.

           

          Wir Menschen sind von Natur aus geneigt, Dinge die sich unterscheiden zu definieren und differenzieren, doch im gesellschaftlichen Gefüge sorgt dies für Diskriminerung.

  • KANZLERIN MERKEL OUTET MIT!

     

    Aus dem Kanzleramt verlautet,

    dass Frau Merkel findet's cool,

    wenn sich Hitzelsberger outet

    und bekannt macht, dass er schwul.

     

    Vor dem Gesetz sie freizustellen,

    verwehrt Ihro Scheinheiligkeit

    all den Homosexuellen

    wohl bis in alle Ewigkeit.

     

    © Werner Färber

    • G
      gast
      @Werner Färber:

      Hat es einen künstlerischen Grund, dass sie Hitzelsberger und nicht Hitzlsperger schreiben?

  • Egal wo man hinsieht - überall erfolgt mit dem Attribut 'schwul' sofort eine Konzentration auf die Genitalien eines Menschen. Die sind aber auch nicht anders als bei den anderen Menschen.

     

    Normalität herrscht bei uns erst, wenn sich kein Mensch mehr dafür interessiert, wer mit wem und in welcher Weise die Genitalien in verantwortlichem gegenseitigen Einvernehmen zum Lustgewinn beider benutzt. Und ich finde, das geht überhaupt niemanden etwas an. Das Intimleben zweier Menschen gehört ihnen und sonst niemanden. Das sollte nicht auf Titelseiten oder in den TV-Nachrichten erscheinen. Da hat etwas Normales einfach nichts verloren.

     

    Vielleicht nutzt es ja, wenn es totgelabert wird. Aber vielleicht stellt es die betroffenen Menschen auch in eine Exotenecke, in die sie längst gar nicht mehr wollen - wie sie es aber auch selbst in ihren freizügigen bunten Umzügen getan haben und dabei vielfach etwas zur Schau gestellt haben, was ansonsten (erst!) seit 50 Jahren in unserem Straßenbild völlig normal ist: nämlich sich zu küssen.

     

    Schwule sind nicht häufiger als Heteros promiskuitive Exoten - und ihre Neigung zum gleichen Geschlecht ist weder vererbbar noch ansteckend. Sie sind normal und sollten sich endlich auch so fühlen können. Und da bin ich optimistisch...