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Völkermord an den ArmeniernUni sagt Veranstaltung ab

Eine Istanbuler Privat-Uni cancelt eine geplante Diskussionsrunde zum 100. Jahrestag des Massakers. Angeblich liegt keine Anmeldung vor.

Schon vor zehn Jahren gab es Proteste nationalistischer Türken vor der Bilgi-Universität. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Eine Historikerkonferenz in Istanbul zum 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich droht zu scheitern. Die private Bilgi-Universität, wo im Rahmen der Konferenz die öffentliche Diskussionsveranstaltung „Armenischer Völkermord“ stattfinden sollte, hat diese laut der türkisch-armenischen Wochenzeitung Agos abgesagt.

Die Veranstalter der Konferenz, Professoren von der Bilgi- und anderen Universitäten Istanbuls, warfen der Leitung der Hochschule vor, unzulässig in die Freiheit von Forschung und Lehre einzugreifen. Das Rektorat der Bilgi-Universität wies dies zurück.

Es gehe nicht um einen inhaltlichen Eingriff in Forschung und Lehre, vielmehr hätten die Veranstalter es versäumt, ihre Tagung anzumelden. Das Ganze sei ein Organisations- und Kommunikationsproblem.

Die Durchführung einer Veranstaltung zum Völkermord an den Armeniern in Istanbul hat gerade anlässlich des 100-jährigen Gedenkens in diesem Jahr hohe symbolische Bedeutung. Die türkische Regierung weist nach wie vor den Vorwurf, es habe 1915 einen Völkermord an den Armeniern des Osmanischen Reiches gegeben, kategorisch zurück.

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Der Türkeikorrespondent der taz, Jürgen Gottschlich, hat auf der Leipziger Buchmesser sein Buch „Beihilfe zum Völkermord. Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier“ vorgestellt – das Gespräch hier zum Anhören und Anschauen.

Um den Gedenkfeiern in der armenischen Hauptstadt Jerewan am 24. April etwas entgegenzusetzen, veranstalten Präsident Tayyip Erdogan und Premierminister Ahmet Davutoglu eine große Gedenkfeier auf den Schlachtfeldern an den Dardanellen. Dort begann am 25. April 1915 mit der Landung alliierter Truppen die größte Schlacht des Ersten Weltkrieges in der Türkei.

Deshalb wäre es wichtig, dass auch in der Türkei in diesem Jahr eine große regierungskritische öffentliche Veranstaltung zum Völkermord stattfindet. Gäbe es tatsächlich nur ein Kommunikationsproblem zwischen Veranstaltern und Universitätsleitung, hätte die Bilgi-Universität das sicher lösen können.

Tatsächlich fürchtet sie aber wohl Druck der Regierung und scheut die Auseinandersetzung. Das war vor zehn Jahren noch anders. Im Herbst 2005 fand an der Bilgi-Universität die erste regierungskritische Armenierkonferenz in der Türkei überhaupt statt. Die Organisatoren hoffen nun, an einer anderen Istanbuler Universität ihre Tagung durchführen zu können.

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1 Kommentar

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  • Wir Deutsche müssen mit einer historischen Schuld leben, die rein nach Zahlen erheblich höher liegt. Sie mahnt uns immer wieder und bringt unsere kritischen und klugen jungen Leute und alle, die selbst noch in die Schuld verstrickt waren dazu, zum größten Teil sehr sensibel mit Minderheiten und Schwächeren umzugehen. Die Generation dazwischen musste miterleben, wie Erinnerung und selbst die Verdrängung dieser an die Schuld die meisten Täter in der Seele krank machte und befähigte sie dazu, die Folgegeneration entsprechend mit Empathie und sensiblem Umgang mit Schwächeren auszustatten, sodass sie auch heute imstande ist, sich couragiert zum Schutz von Minderheiten einzusetzen. Das macht froh.

     

    Dennoch, auch bei uns zwängt sich immer wieder die trotzige Dummheit derer (und ihrer Anhänger) durch die Ritzen des Alltags ans Licht, die nicht sehen wollten und nicht nachdenken konnten. Auch deren kranke Saat wird mindest in kleinen Teilen aufgehen - jedoch auf Dauer nicht von Erfolg gekrönt sein.

     

    Ich weiss nicht, ob es nur an der politischen Spitze der Türkei liegt, wenn die längst allgemeine Kenntnis der historischen Schuld der Türkei am Völkermord an den Armeniern nicht anerkannt zu werden vermocht wird. Ist die Türkei dafür noch nicht reif?

     

    Umso mehr Respekt und Achtung verdienen die Menschen in der Türkei, deren Überzeugung, Mut und Anstand sie befähigt, gegen die Verdrängung der historischen Wahrheit zu handeln.