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Vier Jahre PegidaDresden marginalisiert den Hass

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis mobilisiert 10.000 Menschen gegen Pegida. Auch Ministerpräsident Kretschmer positioniert sich deutlich.

Die Zivilgesellschaft war am Sonntag in Dresden auf der Straße Foto: dpa

Dresden taz | Am Sonntagnachmittag gewann das aufgeklärte und menschenfreundliche Dresden nicht nur kulturell, sondern auch zahlenmäßig überraschend deutlich gegen die Reste von Pegida. Cheforganisator Prof. Gerhard Ehninger sprach von 10.000 Teilnehmern, die unter dem Motto „Herz statt Hetze“ ein Zeichen gegen den vierten Jahrestag der Pegida-Bewegung setzten.

Der international renommierte Krebsforscher begründete sein seit 2015 bestehendes Engage­ment gegen Pegida übrigens mit dem Satz: „Ich bin Experte für die Erkennung bösartiger Krankheiten!“ Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ mobilisierten zu ihrem vierten Jahrestag nach Schätzungen maximal 3.000 Anhänger.

„Für ein solidarisches Dresden ohne Rassismus“ hatte ein ungewöhnlich breites Bündnis zur Präsenz auf der Straße aufgerufen. Parteien spielten nur eine Nebenrolle, während zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen offenbar eine für Dresden ungewöhnliche Mobilisierungskraft entfalteten.

Bemerkenswert bleibt aber die Präsenz der Sächsischen Staatsregierung und der Dresdner Stadtspitze. Mit dem Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Michael Kretschmer positionierte sich erstmals auch ein prominentes Unionsmitglied eindeutig.

Für Respekt und Demokratie

Allein der von führenden Regierungsmitgliedern, der Stadtverwaltung, Wissenschaftlern und Künstlern angeführte Zug wuchs auf etwa 3.000 Personen an. Der Christopher Street Day stellte einen Lautsprecherwagen, auf dem die Band Schwitzende Fische spielte. Am Pirnaischen Platz vereinigte er sich mit etwa 6.000 überwiegend jüngeren Menschen, die der Musik von „Tolerave“ und der Linken gefolgt waren. Die Gruppe von etwa 200 Dresdnern, die sich hartnäckig jeden Montagabend Pegida entgegenstellt, begleitete deren Geburtstagsreden in unmittelbarer Hör- und Sichtweite an der Frauenkirche mit einem lauten Pfeifkonzert.

Die beiden SPD-Minister Eva-Maria Stange und Martin Dulig betonten eingangs, dass sie sich nicht als Gegendemonstranten verstehen. Vielmehr träten sie für Respekt und Demokratie ein, für etwas eigentlich Selbstverständliches. Wirtschaftsminister Dulig zeigte die Grenzen auf, die beim Verständnis für die Ängste besorgter Menschen auch gezogen werden müssen.

Michael Kretschmer fordert Bürger auf, Fake News im Internet anzuprangern

Wissenschafts- und Kunstministerin Stange warnte vor Ausgrenzungen anderer und den Folgen, die wie einst nach Auschwitz führen könnten. „Wo sind wir hingekommen, dass man Angst hat, nach Dresden und Sachsen zu kommen?“, fragte sie. Universitätsrektor Hans Müller-Steinhagen erinnerte daran, dass die wissenschaftliche und künstlerische Reputation Dresdens wesentlich auf Offenheit und internationalem Austausch beruhe.

Ministerpräsident Michael Kretschmer lobte das „ganz tolle Signal“, das von den zahlreichen Demonstrationsteilnehmern ausgehe und zitierte den ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert: „Wenn die Mehrheit zu leise wird, wird die Minderheit zu laut.“ Er erinnerte an die Dresdner Künstlerdemo vor fast genau 29 Jahren 1989 mit 50.000 Teilnehmern. Kretschmer forderte die Bürger auf, Fake News im Internet anzuprangern und sich mit Blick auf die Kommunalwahlen im kommenden Mai politisch zu engagieren.

Auffallend oft bezogen sich Redner von „Herz statt Hetze“ auf die wesentlichen Grundgesetzartikel 1 bis 5. Wie wenig Pegida für dieses Grundgesetz übrig hat, zeigt eine von Gerhard Ehninger genannte Zahl. Etwa 200 Strafverfahren sind in den vier Pegida-Jahren gegen Redner und Teilnehmer eingeleitet worden.

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1 Kommentar

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  • Natürlich freue ich mich als Dresdenbewohner über den endlich größeren Zuspruch für Gemeinsames, Offenes, Buntes, ein Miteinander, als für den scheuklappengegenalles Pegidawahn. Leider bekommt in den Medien nun die plötzlich und viel zu spät erscheinende mitschreitende Politprominenz, bspw. der sächsische Ministerpräsident, solch ein Rampenlicht, dass dies für die eigentlichen bereits lang agierenden Organisatoren eine erneute Enttäuschung ist, für den MP Sachsens einfachste im Vorbeigehen erfahrende PR.



    Ach Medien ..... (wenn auch nicht alle)