Viele Verletzte, viele Verhaftungen: Straßenschlachten in Athen
Autonome aus ganz Europa lieferten sich am Sonntag mit der Polizei Straßenschlachten. Es flogen Brandsätze und Steine. Polizisten auf Motorrädern jagten Krawallmacher. Die Proteste gehen weiter.
ATHEN dpa/ap | Tausende griechische Schüler und Studenten haben am Montag ihre Proteste in Athen und anderen Städten fortgesetzt. Nach schweren Krawallen am Wochenende versammelten sich im Zentrum der griechischen Hauptstadt rund 4000 Menschen und protestierten gegen "Polizeiwillkür". Die Demonstration verlief zunächst friedlich. Einige Dutzend vermummte Demonstranten warfen Steine auf die Polizei, die zunächst nicht reagierte. Auch in anderen Städten des Landes gingen Schüler auf die Straßen, berichtete das Radio weiter.
Am Sonntag waren die Proteste nach einer von mehreren tausend Menschen besuchten Gedenkveranstaltung für den am 6. Dezember 2008 erschossenen Alexandros Grigoropoulos in Gewalt umgeschlagen. Es flogen Steine und Brandsätze, die Polizei setzte Tränengas ein. Bei den Ausschreitungen waren mindestens 30 Menschen verletzt worden, darunter mindestens 16 Beamte.
Im Großraum Athen waren mehr als 6.000 Polizisten im Einsatz. Berichten zufolge waren zu den Protesten auch zahlreiche Linke und Autonome aus dem Ausland angereist. Randalierer warfen im Stadtzentrum von Athen Fensterscheiben von Banken ein, beschädigten Autos, rissen Müllcontainer um und zündeten sie an und bewarfen Polizisten mit Steinen.
Polizisten auf Motorrädern jagten die Krawallmacher. Diese wiederum versuchten die Beamten von ihren Motorrädern zu stoßen. Ein Polizist verlor dabei die Kontrolle über seine Maschine und fuhr eine Passantin an, die danach verletzt in ein Krankenhaus transportiert werden musste.
Vermummte Demonstranten drangen auch in die Athener Universität ein, rissen eine griechische Flagge herunter und ersetzten sie mit einem anarchistischen Banner. Der Dekan der Universität wurden nach Angaben der Behörden bei der Aktion der Demonstranten verletzt. Er sei auf die Intensivstation eines Krankenhauses gebracht worden, hieß es.
Auch in Thessaloniki gab es Krawalle. Jugendliche schleuderten Molotow-Cocktails gegen Beamte und schlugen die Scheibe eines Cafés ein. Auch in Patras und Ioannina kam es zu Demonstrationen.
In Athen wurden 177 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung verhaftet. Weitere 103 wurden in Thessaloniki verhaftet.
Die seit Oktober amtierende Regierung der linksgerichteten PASOK verteidigte das härtere Vorgehen der Polizei und kündigte eine "Null-Toleranz"-Strategie an. Der für den Zivilschutz zuständige Minister Michalis Chrisochoidis sagte: "Vandalen und Hooligans haben mit Demokratie nichts zu tun."
Razzia am Samstag löst erste Krawalle aus
Bereits am Samstagabend gab es im Athener Stadtteil Keratsini eine Razzia in einem Haus, das laut Polizei als Werkstatt für Brandbomben genutzt wurde. Die Beamten wurden nach eigenen Angaben von rund 60 Jugendlichen mit Steinen angegriffen, drei Einsatzfahrzeuge wurden zerstört.
In dem von mutmaßlichen Linksextremisten als Lager genutzten Haus wurden den Angaben zufolge Gasmasken, Vorschlaghammer und 200 leere Bierflaschen beschlagnahmt, die – so jedenfalls die Version der Polizei – als Brandbomben eingesetzt werden sollten. Anschließend verschanzten sich die Randalierer mehrere Stunden lang im Rathaus, 41 Menschen wurden festgenommen.
Präsident Karolos Papoulias hat die Bevölkerung angesichts des Jahrestags zur Ruhe aufgerufen. Der Tod des 15-Jährigen hatte zu zwei Wochen andauernden Ausschreitungen in Athen und anderen griechischen Städten geführt. Zwei Polizisten müssen sich wegen Mordes beziehungsweise versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Der Prozess soll am 20. Januar beginnen.
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