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Videospiel „Kingdom Come: Deliverance 2“Ein Ritter für die Rechte

Mit seinem neuen Mittelalter-Epos „Kingdom Come: Deliverance 2“ ist Videospielmacher Daniel Vávra zum Feindbild seiner eigenen Fans avanciert.

Gehyped und gehasst: „Kingdom Come: Deliverance 2“ Foto: Deep Silver/ Warhorse Studios

Berlin taz | Computerspiele generieren inzwischen weltweit mehr Umsatz als die Film- und Musikindustrie zusammen und die Zielgruppe ist längst über männliche, weiße Nerds hinausgewachsen. Doch obwohl sich laut der US-amerikanischen NGO GLAAD, die sich gegen Queerfeindlichkeit in den Medien einsetzt, 17 Prozent der Gaming-Community auch als LGBTQ identifizieren, erzählen nur zwei Prozent der Spiele repräsentative Inhalte. Diese zwei Prozent reichen „anti-woken“ Gamern, den Untergang der Spielekultur zu prophezeien. Ein aktuelles Beispiel: „Kingdom Come: Deliverance 2“, eines der meist erwarteten Spiele für 2025.

Der Creative Director des tschechischen Spiels ist Daniel Vávra: Shooting-Star „anti-woker“ Gamer, weil er unter anderem 2017 mit dem T-Shirt der rechtsextremen Metal-Band Burzum auf der größten deutschen Spielemesse aufgetreten ist und sich während der GamerGate-Affäre um 2014 sexistisch positionierte.

Auch in dem 2018 veröffentlichten Teil eins von „Kingdom Come: Deliverance“ lässt sich Vávras politische Position wiederfinden: Das Spiel erzählt den historischen Krieg um Čechy (Böhmen) im Jahr 1403 aus der Sicht des Schmiedesohnes Heinrich und soll laut eigenen Aussagen ein realistisches Mittelalter widerspiegeln. Vávra imaginiert das Mittelalter jedoch als eine Epoche, in der weiße, heterosexuelle Männer ihr Heimatland gegen exotisierte Invasoren verteidigen, während Frauen in passiven Rollen verbleiben. Vávra wiederholt damit typisch rechte Rhetorik.

Vávra sieht sich auf X offen antisemitischen und queerfeindlichen Posts ausgesetzt

Wenige Wochen vor der Veröffentlichung von Teil zwei hat sich die Stimmung gegen ihn gewendet, weil sich Gerüchte über das Auftauchen einer Schwarzen und mehrerer queerer Figuren in der Fortsetzung verbreitet haben. Nun sieht sich Vávra auf der Plattform X offen antisemitischen, queerfeindlichen und rassistischen Posts ehemaliger Fans ausgesetzt.

Der Journalist Maurice Weber hat ein treffendes Beispiel auf seinem Threads-Account gesichert: Es zeigt einen User, der sich mit Verweis auf Vávras jüdischen Hintergrund nicht über die „wokeness“ des Spiels wundert. Daniel Vávra antwortet auf diesen antisemitischen Post mit: „I don’t talk to nazi shitheads like you.“

„Anti-woker“ Protest

In „Kingdom Come: Deliverance 2“ kann Heinrich tatsächlich mit zwei Männern romantisch interagieren, es gibt ein schwules Paar, eine weitere Handvoll queerer Figuren und eine Schwarze Figur. Diese nehmen aber einen Bruchteil der über 120 Stunden langen Geschichte des Spiels ein und bestätigen die Kritik von GLAAD, wie wenig LGBTQ-Repräsentation in Spielen stattfindet.

Trotzdem gelingt es „anti-woken“ Gamern erneut, mit ihrem Protest Aufmerksamkeit zu erhalten und Vávra zu einem Statement zu bewegen. Vávra begründet den bisexuellen Heinrich mit dem Rollenspiel-Aspekt seines Spiels; naheliegend ist auch eine gezielte Entschärfung des kontroversen Creative Directors für die bessere Vermarktbarkeit des Spiels.

Zweiteres scheint zu funktionieren, weil Vávras Statements gegen den Hass für manche eine progressive Lesart seiner Person zulassen, wie Kommentare unter Webers Post zeigen: „Ja hat keiner mit gerechnet das hinter dem ‚anti-woke‘ […] einfach nur Faschismus, steckt… Und stark wie Daniel zurückschlägt.“ Ein anderer User imaginiert eine Sonderauszeichnung beim Deutschen Computerspielpreis für den Creative Director.

Doch Vávras politische Haltung hat sich nicht verändert: Noch im Dezember provozierte er auf X wegen des angeblichen Misserfolgs des Fantasy-Rollenspiels „Dragon Age: The Veilguard“, das mit seinem vielfältigen Charakter-Editor und einer Story mit mehreren non-binären Figuren zum Feindbild der „anti-woken“ Szene wurde. Das widerspricht einer progressiven Lesart von Vávra. Er muss sich nun lediglich gegen eine Community wehren, zu deren Hass er selbst beigetragen hat und immer noch beiträgt. Seine Abgrenzung zu „Nazi-Shitheads“ sollte das nicht vergessen machen.

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11 Kommentare

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  • Das Blöde an "realistischen" historischen Settings ist halt, dass die fehlende Vielfalt / Passivität der Frau usw. nun mal genau so waren. Wie es Frauen erging, die in (etwa) der dargestellten Epoche aus diesen Tollen ausgebrochen sind, kann man z.B. an Margarete von Tirol oder der heiligen Johanna von Orleans erkennen.



    Bei KCD2 wurde z.B. schon ein jüdisches Viertel in Kuttenberg erfunden, welches es nicht gab (funktioniert aber gut im Spiel, auch die "schwarze" Nebenfigur Musa von Mali ist Recht plausibel hergeleitet) und auch sonst ein klein bisschen gedreht, um etwas mehr Diversitätseffekt zu generieren.

    Wer akkurate Topographie, plausible Architektur und Ausstattung will, aber auf die politischen Empfindlichkeiten des 21. Jahrhunderts nicht verzichten möchte, sollte die neueren Assassin's Creed Spiele in Betracht ziehen - auch sehr schön gemacht!



    (Ich habe aktuell 80 Stunden in KCD2, wie viel Zeit ich mit AC Origins und Valhalla verbracht habe, weiß ich nicht mehr)

  • Die Einordnung dieses Vorgangs in die richtige Schublade ist wirklich nicht ganz einfach. Vavra war bis dato ein Held der "anti-woken" Spieler. Nun wird ihm von denen ein Einknicken vor den modernen Branchentrends vorgeworfen.

    Meine Meinung als Videospieler (für "Gamer" bin ich zu alt): "Wokeness" ist eigentlich nur die besonders plakative Spitze des Eisberges. Was viele weitaus mehr umtreibt, ist die mit dem Mainstreamerfolg des letzten Jahrzehnts einhergehende Trivialisierung der Spielmechaniken. Die Anzugträger bestimmen jetzt das Geschäft und treiben eine "Entnerdisierung" voran um ein größeres und anspruchsloseres Publikum anzusprechen.

    Das eigentlich interessante beim Warhorse-Fall:

    Den "Progressiven" ist ihre amerikazentrische Weltsicht böse auf die Füße gefallen. Ähnlich wie beim polnischen CD Projekt Red (Witcher-Serie) konnten sie mit dessen mitteleuropäisch-slawischen Hintergrund nichts anfangen. Sie redeten von "Nicht-Weißen" meinten aber Afroamerikaner. Sie sahen ein "Weißes Utopia", ignorieren aber dass Polen und Tschechen in Beziehung zu ihren Nachbarn oft genug in der Position der "Schwarzen" waren. Nicht umsonst kommt "Sklave" etymologisch von "Slawe".

    • @Chris McZott:

      Sehr wichtiger Hinweis!

  • Es wäre zur Einordnung mal interessant, wieviele Menschen welcher geschlechtlicher Zuordnung und welchen Alters überhaubt solche komplexeren Spiele spielen und wie oft. Dann könnte man mal einschätzen von welcher gesellschaftlichen Relevanz man ausgehen muss.

    • @Axel Schäfer:

      Da Deutschland von den Ü60jährigen dominiert wird, wird die Relevanz meist unterschätzt...

  • "Vávra imaginiert das Mittelalter jedoch als eine Epoche, in der weiße, heterosexuelle Männer ihr Heimatland gegen exotisierte Invasoren verteidigen, während Frauen in passiven Rollen verbleiben. Vávra wiederholt damit typisch rechte Rhetorik."

    Was auch immer Vavra sonst so umtreibt: das ist kompletter Quatsch. Er hält sich recht gut an historische Gegebenheiten, das atestieren auch Historiker. Und im Mittelalter (man kann streiten, ob 1400 noch Mittelalter war) hatte die Frau nicht die Rolle, die sie inzwischen glücklicherweise hat. Etwas anderes zu zeigen, wäre nicht "woke", sondern einfach ahistorisch.



    Man kann immer von zwei Seiten vom Pferd fallen. Achtsamkeit, was rechtes Gedankengut angeht, ist wichtig und richtig, aber nicht alles ist gleich rechtsextrem.



    Da schaut lieber mal, wie die CDU unseren Staat jetzt umbauen will, da gibt es wahrlich genug Material für rechtes Gedanken"gut".

    • @Jalella:

      Dem kann ich nur zustimmen, ich speile es gerade selber und es stellt die damalige Zeit schon sehr realistisch dar.



      Abgesehen davon: es ist ein wirklich sehr gutes Spiel.



      Ich habe auch bisher nur positives gehört, den "Hass" auf dieses Spiel scheint es in der breiten Masse nicht zu geben.

    • @Jalella:

      Ich bin im Grundsatz bei Ihnen aber man muss schon sagen, dass die Darstellung der Frau schon SEHR eindimensional ist. Bei einem japanischen 0815 Rollenspiel würde niemand sich daran stören. Aber wenn man explizit damit nach außen geht, ein besonders authentisches Spiel geschaffen zu haben, dann ist das Ergebnis an dieser Stelle schon ein bisschen mau.

      Es ist sicher ein vergleichsweise authentisches Spiel. Aber vieles ist auch reine Männerphantasie. Muss es wohl sein wenn man Spiele macht...und das sage ich als Fan.

      • @Chris McZott:

        Das ist ja genau die Crux - eher schweigende Frauen sind für das Hoch-/Spätmittelalter leider eben "authentisch".



        Es hätte niemandem weh getan, ein paar mehr Figuren wie die Wirtin Betty einzubauen, und ob Catherine wirklich so ... pneumatisch sein muss, sei dahingestellt.



        Und was der unterschwellige Diss gegen JRPGs soll... die stellen glaube ich äußerst selten Authentizitätsansprüche.

  • Ehrlich gesagt bin ich der Diskussion um Kingdom Come Deliverance echt überdrüssig, unabhängig davon welcher Teil der Reihe von welchen Akteuren aus welchen Gründen instrumentalisiert wird.

    Die Vorwürfe, dass es sich beim ersten Teil um eine Art rechte, weisse Wunschfantasie gehandelt habe weil der Creative Director Vávra oft und gerne im Internet rumpöbelt und dabei kein Fettnäpfchen auslässt ist kein Stück weniger absurd als die haarsträubenden Verschwörungserzählungen der selbst erklärten "Anti-Woken". Alles muss eine tiefere, versteckte Bedeutung, eine geheime Agenda haben, nichts kann einfach nur "sein".

    Wie mittlerweile dutzendfach durchgekaut wurde, waren rund ein Dutzend Historiker als Berater an der Entwicklung beteiligt. Auch später befragten Spielemagazine, Websites und andere Akteure, die durch die künstlich aufgebauschte Debatte Klicks generierten, zahlreiche Historiker danach, ob es nicht vielleicht doch tausende schwarze Menschen im damaligen Böhmen gab, die der böse Vávra einfach "whitewashed" hat. Die Antwort: Es gibt weder Be- noch Hinweise dafür, eher unwahrscheinlich.

    • @Claudio M.:

      Dem kann ich zu 100% zustimmen. Es nervt einfach nur noch.