Video der Woche: Schwärmt aus!
Ein Paradebeispiel der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Schwarmintelligenz gefällig? Die Stare von Rom liefern es in beeindruckender Schönheit.
Die Stare von Rom sind mittlerweile zu einem Paradebeispiel der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Schwarmintelligenz geworden. Mit dem schwächer werdenden Tageslicht versammeln sich im Herbst und Winter an die 5 Millionen Stare an dafür geeigneten Plätzen in Rom.
Beginnend mit ein paar hundert Vögeln werden sie schnell Tausende und bewegen sich in der Luft wie in Wolkenwellen. Dabei dehnt sich der Schwarm in Flugmanövern auseinander, als wolle er zerfallen, um sich im nächsten Moment wieder zusammen zu ziehen.
Besonders spektakulär wird dieses Wellenreiten tausender kleiner schwarzer Vögel, wenn sich dem Schwarm ein Falke nähert, wie es im Video zu sehen ist. Dann sieht man den größeren Falken in seinem Jagdflug auf den Schwarm zu sausen und darin verschwinden, während sich die Starwolken um ihn immer dichter, fasst zu einer Kugel schließen und den Greifvogel in ihrer Mitte verschwinden lassen. Wenn der Falke dann wieder herauskommt, wirkt er meist leicht verwirrt und ist in der Regel ohne Beute geblieben.
Dem Falken gelingt es im Gewimmel der Tiere nicht mehr sich auf einen Einzigen als Angriffsziel zu konzentrieren. Er verliert die Übersicht und muß im sich um ihn schließenden Schwarm auch noch befürchten, sich in den Kollisionen mit den Vögeln verletzen zu können. Aber wie sind diese Schwarmwellen organisiert?
Eine Arbeitsgruppe aus Biologen, Physikern und Computerwissenschaftlern um den italienischen Physiker Giorgio Parisi hat das Verhalten der Schwarmstare untersucht. Ausgehend von Filmbildern vom Schwarmflug der Vögel kam man zu einigen überraschenden Ergebnissen.
Was von unten, wenn man darunter steht, aussieht als sei es nur von einer einzigen Choreographie gestaltet, entpuppte sich als ein von lokalen Kleingruppen gespeistes Informationssystem, wie es sich Kleingruppentheoretiker wie der Fürst Kropotkin oder die Tierschwarmdenker Gilles Deleuze und Felix Guattari kaum besser hätten ausdenken können.
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Keine Entscheidungsinstanz
Die Stare hatten keine zentrale, übergeordnete Koordinations- und Entscheidungsinstanz in ihrem Schwarm. Die einzelnen Vögel hatten immer nur sechs bis sieben andere Vögel sehr genau im Auge. Auf die konzentrierten sie sich und deren Bewegungen folgten sie oder – und das ist wichtig: deren Bewegungen veranlassten sie selbst zum Bewegungs- oder Richtungswechsel. Was wie von einem Dirigenten koordiniert wirkt, ist das Zusammenspiel ultraschneller Selbstorganisation und Informationsübertragung.
Grundprinzip der Selbstorganisation sind dabei die sechs oder sieben genau beobachteten Nachbarn. Die Wissensübertragung erfolgt über das Verhalten, und die Wissensvielfalt wird schließlich über die große Zahl hergestellt. So wird auch die Reaktion auf den Falken nachvollziehbar.
Ein paar Stare am Rand des Schwarms bemerken den Feind und teilen es durch Bewegungen oder auch Rufe mit. Sehr schnell verbreitet sich das Wissen um den Feind über die Sechser-Gruppen auf den Schwarm und was dann zu tun ist, scheint das Ergebnis der Erfahrung mit den Gegnern in der Evolution zu sein.
Leser*innenkommentare
Horst Horstmann
Gast
ach wie schön, Herr Riechelmann,
schreiben Sie doch auch mal etwas über Hühner! Schöne Tiere.
Also Hähnchen, Legehennen und so. Muss ja nicht gleich Wiesenhof sein.
Reinhard Kaufmann
Gast
Ja, ganz nett. ich konnte die schwärme vergangenen herbst in rom live beobachten. einen nutzen für die lösung gesellschaftlicher probleme kann ich allerdings nicht erkennen. so würde mich zb die beobachtung meiner 6 - 7 nachbarn nicht näher zur überwindung der fossilen energiewirtschaft bringen.
Boiteltoifel
Gast
Wow! Tolle Aufnahmen, faszinierendes Verhalten und ein wirklich mal gelungener Bericht! Dankeschön!