Verwirrung bei Kandidatenkür in Hamburg: BSW setzt auf Dieter-Bohlen-Effekt
Der Hamburger Landesverband des Bündnis Sahra Wagenknecht kürt am Wochenende die Kandidaten für die Bundestagswahl, nicht ohne Show für die Presse.
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War es ein kleiner Polit-Krimi oder einfach eine Panne? Am Freitagnachmittag teilte die Pressestelle des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) mit, dass Hamburgs Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic eine „politische Pause“ machen wolle und ihren Nachfolger Konstantin Eulenburg unterstütze. Sie brauche Zeit, um „politische Kraft zu schöpfen“. Kurz darauf berichtete die Berliner Zeitung, Nastic sei von der Parteiführung aufgefordert worden, bei der Bundestagswahl in Hamburg nicht auf Listenplatz 1 zu kandidieren. Und das Hamburger Abendblatt zitierte Eulenburg mit dem Eingeständnis, dass die Zitate nicht mit Nastic abgestimmt waren.
Am Samstag trat eine strahlende Nastic am Arm von Eulenburg aus dem Wandsbeker Bürgersaal, wo zuvor die Partei hinter gewohnt verschlossener Tür getagt hatte. Alles nur ein Missverständnis, sagte Eulenburg. „Sie hat die Kräfte zurückgefunden.“ Und Nastic erklärte, nach der Rücktrittserklärung habe sie so viel Zuspruch erreicht, dass sie doch antreten wolle.
BSW erteilt wieder Hausverbote
Auf dem Parteitag hatte es am Morgen wieder Hausverbote gegen Unerwünschte gegeben. Partei-Rebell Dejan Lazić, gegen den ein Ausschlussverfahren läuft, durfte nicht rein, ebenso Bijan Tavassoli, der auf Listenplatz 1 des von den Partei-Rebellen zuerst gegründeten Landesverbandes kandidiert, den das BSW aber nicht anerkennt. Tavassoli bekam sogar einen Platzverweis von der Polizei und durfte sich bis 20 Uhr nicht vor dem Bürgerhaus und in den angrenzenden Straßen aufhalten.
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Die dann öffentliche Kandidatenkür für die Bundestagswahl musste mehrfach unterbrochen werden. Denn Lazić, der hier dabei sein durfte, schlug Tavassoli als Gegenkandidaten zu Nastic für Listenplatz 1 vor und Alexander Konstantinov als Gegenkandidaten zu Konstantin Eulenburg für Platz 2. Beide durften nicht in den Saal. Konstantinov wartete eine Weile auf dem Gehsteig, bevor er ging. Gegen Tavassoli musste erst der Platzverweis aufgehoben werden. Die Nachricht, dass er nun doch rein dürfe, erreichte ihn erst, als bereits abgestimmt worden war. Die Partei-Rebellen sehen hier mögliche Anfechtungsgründe.
Dieter-Bohlen-Effekt soll es richten
Nastic bekam 73 Prozent der Stimmen, nachdem sie eine Rede hielt, in der sie „Diplomatie statt Waffenlieferungen“ forderte. Eulenburg, der auf Listenplatz 2 gewählt wurde, hielt es flapsiger: „Lasst uns zusammen die Bürgerschaftswahl und die Bundestagswahl rocken. Wir kommen locker über fünf Prozent.“ Und mit Blick auf die Schlagzeilen sagte er: „Wir nutzen den Dieter-Bohlen-Effekt. Bohlen war es immer wichtig, in der Presse zu sein, egal wie.“
Auf Listenplatz 3 wurde der Kriminologie Sebastian Scheerer gewählt. Scheerer merkte dezent an, im BSW-Programm sei bei den Themen Innere Sicherheit und Migration noch „Luft nach oben“. Zugleich legte er den Kritikern nahe, sie sollten die Partei verlassen „für ihren Frieden und für unseren“.
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