Vertreibung durch die Klimakrise: Verlorenes Zuhause
Klimamigration wird besonders in Ländern zum Problem, die stark von der Landwirtschaft leben und ein mittleres Einkommensniveau haben.
E r ist das Schreckgespenst des rechten Klimaschutzes: der Klimaflüchtling. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) etwa, die lange eher den menschengemachten Klimawandel leugnete, hat sich in dieser Frage gewandelt; sonst könnte sie schließlich schlecht Ressentiments gegenüber Geflüchteten schüren, die infolge der Klimakrise nach Dänemark kommen könnten.
Diesem nationalistischen Dreh des Themas fehlt die wissenschaftliche Grundlage, zeigt eine Metastudie, die kürzlich im Fachmagazin Nature Climate Change erschienen ist. Umweltbedingte Migration wird mit Fortschreiten des Klimawandels zwar tatsächlich bedeutsamer. Betroffene Bevölkerungsgruppen ziehen aber oft an Orte innerhalb ihrer eigenen Region um und kehren nach relativ kurzer Zeit wieder zu ihrem alten Zuhause zurück.
Abgesehen davon, was ethisch geboten wäre, wenn Menschenmassen aus einem besonders klimakrisengebeutelten Land nach Dänemark drängen würden – dass das passiert, ist nicht absehbar.
Oftmals regionale Migration
Der Klimawandel wird aber sehr wohl vielen Menschen die Lebensgrundlage rauben. Am meisten sind Migrationsbewegungen in Ländern zu erwarten, die stark von der wetter- und klimaabhängigen Landwirtschaft leben und ein mittleres Einkommensniveau haben, zeigt die Metastudie. „Sowohl in Ländern mit niedrigem als auch in Ländern mit hohem Einkommen sind die Auswirkungen der Umwelt auf die Migration schwächer“, sagte Leitautor Roman Hoffmann, Sozialwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Die Erklärung: Migration kostet Geld. Wer das nicht hat, ist auch unter widrigen Bedingungen an seinem Wohnort gefangen. Und wer viel Geld hat, kann die Folgen der Klimakrise eher abfedern und muss vielleicht gar nicht weg.
„Besonders Kleinbauern sind auf stabile klimatische Bedingungen angewiesen und leiden unter Veränderungen und Schocks, da sie nicht über ausreichende Anpassungskapazitäten verfügen“, sagte Raya Muttarak, Koautorin der Metastudie und Soziologin am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse bei Wien.
Für die Untersuchung hat die Forschungsgruppe Studien aus 30 Ländern zusammengeführt. Besonders gefährdet ist demnach die Bevölkerung in Lateinamerika und der Karibik, in mehreren Ländern Afrikas, insbesondere in der Sahelzone und in Ostafrika, sowie in West-, Süd- und Südostasien.
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