Vertreibung der Rohingya aus Myanmar: „Schieß auf alles, was du siehst“
Zwei Soldaten aus Myanmar berichten von Befehlen ihrer Vorgesetzten. 2017 sollten sie Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya töten.
„Schieß auf alles, was du siehst und hörst“, sagten die Kommandierenden zu Myo Win Tun. Er gehorchte. Seine Einheit brachte mindestens 30 Rohingya um. Anschließend verscharrte man die Leichen.
„Der zweite befehlshabende Kommandeur ordnete an, dass wir alle Kalar auslöschen und ihre Ethnie damit vernichtet werde“, erzählt Myo Win Tun in einem Video. „Den Muslimen wurde in die Stirn geschossen und dann warf man sie in ein Grab.“ Kalar ist in Myanmar, wo Rohingya als illegale Einwanderer als Bangladesch betrachtet werden, ein abwertender Begriff.
Die Aussagen von Myo Win Tun und einem weiteren Soldaten entstammen Videos, die der taz vorliegen und über die am Dienstag gleichzeitig die New York Times, Canadian Broadcasting Corporation und die Menschenrechtsorganisation Fortify Rights berichteten.
Rebellengruppe filmte Videos
Gefilmt wurden sie von der Arakan Army, einer Rebellengruppe, die sich in der Heimat der Rohingya im Westen Myanmars seit fast zwei Jahren Gefechte mit dem Militär liefert. Im Februar drohte die Arakan Army per Twitter, GPS-Daten von angeblichen Rohingya-Massengräbern in Rakhine zu veröffentlichen.
Die beiden im Video gezeigten Soldaten flohen im letzten Monat unter unbekannten Umständen von Myanmar nach Bangladesch. Laut New York Times wurden sie am Montag nach Den Haag gebracht, wo der Internationale Strafgerichtshof gegen Myanmars Militär ermittelt.
Fortify Rights fordert, die beiden Deserteure in ein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Ungeklärt ist, wie sie in Kontakt mit der Arakan Army kamen und unter welchen Umständen oder warum sie ihre Geständnisse ablegten.
„Dies ist ein historischer Moment für die Rohingya und die Menschen in Myanmar, die nach Gerechtigkeit streben“, sagte Matthew Smith, Direktor von Fortify Rights. „Diese beiden Männer könnten die ersten Täter aus Myanmar sein, die vom Internationalen Strafgerichtshof verurteilt werden.“
Myanmars Regierung und Militär haben bisher nicht auf die Enthüllungen reagiert. Die regierende Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi läutete am Tag der Veröffentlichung den Wahlkampf ein. Am 3. November wird in Myanmar gewählt.
Im vergangenen Dezember verteidigte Aung San Suu Kyi das Militär gegen die Genozid-Vorwürfe vor dem ebenfalls in Den Haag ansässigen Internationalen Gerichtshof. Die Militäraktionen hätten sich nur gegen Mitglieder einer Rohingya-Rebellengruppe gerichtet.
„Diese Nachrichten sind ein Erfolg für uns. Es sieht so aus, als hätten die Täter selbst nun Mitgefühl mit uns Rohingya“, sagt Sawyeddollah, ein junger Rohingya-Aktivist. Er ist vor drei Jahren zeitgleich mit 700.000 anderen Rohingya vor dem Militär nach Bangladesch geflohen und lebt dort in einem Flüchtlingslager.
Weil die Rohingya dort nur mit der Unterstützung von Hilfsorganisationen überleben können, begeben sich viele in die Hände von Schmugglern. Rund 300 Rohingya, die sechs Monate lang auf einem Boot auf See gefangen waren, wurden am Montag von indonesischen Fischer in Aceh an Land gebracht.
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