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Versuchte Abschiebung aus KirchenasylIn Bremen geht Recht vor Gnade

Bremens SPD-Innensenator Mäurer versucht schon wieder, einen Menschen aus dem Kirchenasyl abzuschieben – gegen grüne und linke Koalitionspartner.

Kein sicherer Ort: Bremens Kirchen (Symbolbild) Foto: Eckhard Stengel/Imago

Bremen taz | Bremens Innenbehörde versucht weiter, das Kirchenasyl zu brechen: Laut Informationen der Kirchengemeinden sollte am Dienstag der 27-jährige Somalier Abdi M. aus dem Kirchenasyl der Rembertigemeinde abgeschoben werden. Am Montag wurde das Vorhaben aus eher technischen Gründen abgeblasen: Die dänischen Behörden hatten offenbar nicht rechtzeitig die erforderliche Erlaubnis für den nötigen Zwischenstopp in Dänemark erteilt.

M. soll nach Schweden zurückgewiesen werden. Tatsächlich hatte er dort bereits mehrere Jahre gelebt und einen Asylantrag gestellt – nach der Dublin-Regelung ist der Fall damit rechtlich klar: Schweden ist zuständig. Das hat sich für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auch durch das Härtefall-Dossier, mit dem sich die Kirche beim Bamf für den Geflüchteten eingesetzt hat, nicht geändert. Man beharrt rein formal auf der rechtlichen Regelung.

Die Kirche argumentiert aus einer anderen Position: Sie sieht M. und alle weiteren Fälle von Kirchen­asyl als Härtefälle – und wünscht sich statt einer rein juristischen auch eine inhaltliche Prüfung ihrer Bedenken gegen eine Abschiebung.

Es lohnt sich, den Fall genauer anzusehen: Nachdem M.s Asylantrag in Schweden abschließend abgelehnt worden war, so berichtet es Lars Ackermann vom Verein Zuflucht, der das Härtefalldossier für M. verfasst hat, wurde dem jungen Mann jegliche Unterstützung im Land gestrichen. Die nächsten anderthalb Jahre kämpfte er sich obdachlos und ohne Einkommen durch, um der angedrohten Abschiebung zu entgehen. Bei einer Rückführung nach Schweden, so Ackermann, drohe ihm nun erneute Obdachlosigkeit – oder die Abschiebung nach Somalia.

„Ein cooler Typ“, sagt der Pastor

„Er ist weitgehend europäisiert“, sagt Uli Bandt, Pastor der Rembertigemeinde über M. „Ein cooler Typ irgendwie – aber natürlich auch schwer traumatisiert und depressiv.“ Zu seinem Heimatland hat M. laut dem Härtefalldossier keinerlei positive Beziehung: Aufgewachsen war er dort einige Jahre als Straßenkind. Adoptiveltern nahmen sich seiner an und schickten ihn auf eine private Koranschule, so berichtet es Bandt. Weil der Junge dort durch seine Intelligenz aufgefallen sei, habe ihn die Al-Shabab-Miliz als Kader nehmen wollen. „Der Adoptivvater widersetzte sich und wurde umgebracht“, erzählt der Pastor.

Die versuchte Rückführung des Somaliers ist der dritte gescheiterte Versuch einer Abschiebung aus dem Kirchenasyl durch die Bremer Innenbehörde innerhalb von zwei Wochen. In einer Nacht Anfang Dezember hatte das Migrationsamt versucht, einen jungen Somalier aus der Zionsgemeinde nach Finnland abzuschieben. Der Versuch wurde abgebrochen, weil sich an die 100 Menschen zum friedlichen Widerstand in der Kirche versammelt hatten. Eine weitere versuchte Abschiebung aus der Friedensgemeinde im Bremer Viertel eine Woche später konnte ebenfalls durch protestierende Menschen vereitelt werden.

Die fortlaufenden Versuche des Innensenators finden gegen Widerstand aus den Reihen der Regierungsfraktionen statt. Die Fraktionssprecher von Linken und Grünen haben gegenüber der Presse und in einer Bürgerschaftssitzung lautstark protestiert und den engagierten Menschen vor Ort ihren Dank ausgesprochen. Die Bremer Jusos identifizierten die Landes-SPD als Treiber einer „unmenschlichen Migrationspolitik“, die Grüne Jugend forderte den Rücktritt von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).

Unsere alltägliche Arbeit ist es, Leuten Nein zu sagen, die wir eigentlich für berechtigt halten

Uli Bandt, Pastor der Bremer Rembertigemeinde

Die weiter vorangetriebenen Brüche des Kirchenasyls finden statt, während sich der Innensenator zugleich in „vertrauensvollen Gesprächen“ (Bürgermeister Andreas Bovenschulte, SPD) mit der Kirchenführung befindet, um „zu einem gemeinsamen rechtsstaatlichen Verständnis von Kirchenasyl zurückzukehren“. Mit Verweis auf diese Gespräche will sich die Innenbehörde nicht zur geplanten Abschiebung äußern. Auch die Führung der Bremer Evangelischen Kirche antwortet am Mittwoch nicht mehr auf die Frage, ob nach dem erneuten Bruch noch eine Grundlage für weitere Gespräche besteht.

Niedersachsen will's nicht wieder tun

In Niedersachsen war die Dynamik nach einer erfolgreichen Abschiebung aus dem Kirchenasyl in Bienenbüttel im Mai dieses Jahres eine andere: Auch hier begab sich die Innenministerin, Daniela Behrens (SPD), nach dem Bruch in Gespräche mit Kirchenvertretern. Sie zog aus dem Vorfall mit einer öffentlichen Erklärung den Schluss, nicht weiter aus dem Kirchenasyl abzuschieben.

Auffällig ist, dass alle Bremer Fälle in westlich geprägte Länder – nach Finnland, Spanien, Schweden – zurückgewiesen werden sollten. Zuflucht-Vertreter Ackermann vermutet, dass diese Staaten der Bremer Öffentlichkeit leichter verkauft werden können als etwa Bulgarien oder Rumänien, die schon lange den Ruf haben, eine unmenschliche Migrationspolitik zu verfolgen.

„Aber es gab in den letzten drei Jahren eine extreme Veränderung der Asylpolitik in Europa“, sagt Ackermann. „Die Zahl der Kirchenasyle ist nicht einfach so gestiegen, sondern weil die westeuropäischen Staaten jetzt auch vielfach gegen das Menschenrecht verstoßen.“

Die Innenbehörde warf den Kirchen vor, sie suchten keine Einzelfälle aus, sondern machten Politik. „Jede Woche begegnet uns ein Übermaß an menschlicher Not“, sagt dazu Pastor Bandt. „Unsere alltägliche Arbeit ist es, Leuten Nein zu sagen, die wir eigentlich für berechtigt halten. Das ist ziemlich schrecklich.“ Auch Ackermann von Zuflucht betont, dass die individuelle Hilfe im Vordergrund stehe.

Eine Pauschalkritik am deutschen Asylrecht sei das Kirchenasyl gerade nicht: „Wir wollen keinen rechtsfreien Raum“, sagt Ackermann, „wir wollen im Gegenteil, dass die Menschen nach Ablauf ihrer Rückführungsfrist hier eine Chance auf ein neues Asylverfahren bekommen. Denn die Verfahren in Deutschland sind ziemlich fair.“

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2 Kommentare

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  • Kirchenasyl gehört weg. Sobald D für das Asylverfahren zuständig ist, machen sich die Kirchentrotz ihres Reichtums einen schlanken Fuss und zahlen darf der deutsche Staat. Wenn die Kirchen sich schon so sozial und gnädig geben, mögen sie auch alle Folgekosten übernehmen, die jahr(zehnt)elang auflaufen.



    Zudem nicht einzusehen ist, warum Schweden kein Land ist in dem man jemanden rückführen kann - steht auf dem Demokratieindex auf Platz 4 - vor Deutschland.....

    • @Sandra Becker:

      @Sandra Becker Im Text ist doch recht genau erklärt, was gegen eine Abschiebung nach Schweden spricht. Ich halte das für sehr überzeugend.



      Und es ist nun mal richtigerweise staatliche Aufgabe, die Kosten zu tragen.



      Daher: Finger weg vom Kirchenasyl!