piwik no script img

Versorgung der FlüchtlingeNotdurft im Waschbecken

Flüchtlinge demonstrieren gegen die Zustände in den Messehallen. Ein Flüchtling erkrankte an Hepatitis. Die Karoviertel-Initiative organisiert jetzt Hilfe.

Genug Betten sind in der Messehalle für die Flüchtlinge aufgestellt worden: Aber an Toiletten mangelt es Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Flüchtlinge aus dem Karoviertel haben am Freitagabend gegen die Zustände in der Messehalle protestiert, in der sie untergebracht sind. Den Helfern aus der Stadtteilinitative berichten sie von immer unerträglicheren hygienischen Zuständen in der Unterkunft. Vergangene Woche gab es mindestens einen Flüchtling, der an Hepatitis A erkrankte und von freiwilligen Helfern ins Krankenhaus gefahren werden musste.

Für kranke Flüchtlinge bietet die Stadt Sprechstunden mit freiwilligen Ärzten im Umfang eines Hausarztbesuchs an. Neben Erkrankungen wie Krätze oder Hepatitis sind die größten gesundheitlichen Belastungen der Flüchtlinge seelischer Natur. In der „Refugees welcome“-Karoviertel-Initative haben sich deswegen Psychologen und Psychotherapeutinnen zusammengeschlossen, welche die Flüchtlinge beraten und unterstützen. Auch mit Hebammen möchte die Initiative helfen. Von der Stadt fordert die Initiative Räume.

Zu wenig Toiletten

Keine Informationen, wie es nach den Messehallen weitergeht, kein warmes Wasser, durchgängiger Lärm, keine Desinfektionsmittel, zu wenig Toiletten, sodass manche ihre Notdurft in Waschbecken oder Duschen verrichteten – das sind die größten Probleme, von denen die Flüchtlinge in den Messehallen derzeit erzählen.

Wer sich selbst ein Bild von der Lage machen will, wird nicht hineingelassen. Eine Helferin erzählt, dass sie einen Flüchtling bei Arztbesuchen unterstütze und sich dessen Krankenakte habe ansehen wollen. Der Zugang zur Halle sei ihr jedoch verwehrt worden.

Das Gesundheitsamt und Fördern und Wohnen, der Betreiber der Einrichtung, bestätigten einen Hepatitis-A-Fall in den Messehallen. „Seitdem werden die Toiletten mit einem speziellen Mittel dreimal am Tag gereinigt“, sagt Sprecherin Susanne Schwendtke. Zudem seien nach Bekanntwerden des Falles alle Mitarbeiter und sonstigen Kontaktpersonen des Flüchtlings auf ihren Impfzustand überprüft worden.

Krankenkasse kommt nicht nach

Für Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen sind Erkrankungen ein großes Problem. Normalerweise bekommen Asylbewerber in Hamburg eine AOK-Gesundheitskarte. Diese erleichtert den Behörden die Arbeit, gilt aber nur bei Akut- und Schmerzerkrankungen. Mit der Ausstellung der Karte kommt die Kasse wegen der vielen Flüchtlinge zudem nicht hinterher.

Deshalb stellt Fördern und Wohnen Behandlungsscheine aus, die 24 Stunden lang gültig sind. Sie gelten auch für Flüchtlinge, die noch nicht in einem Asylverfahren sind. Wer in den Messehallen außerhalb der Sprechstunden erkrankt, muss sich an Sozialarbeiter wenden.

Sprachbarriere ist ein Problem

Mit den Behandlungsscheinen können Flüchtlinge auch Psychologen aufsuchen. Eine Behandlung scheitert aber in der Regel an der Sprachbarriere. Leon Sautier aus der Karoviertel-Initative leitet die Psychologen-AG, die schon 50 Mitglieder hat und mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit jetzt so richtig beginnt.

„Die Leute haben einfach extrem viel Redebedarf und brauchen psychologische Behandlung“, sagt Sautier. Dolmetscher hat die AG selbst organisiert. Mit sieben Flüchtlingen ist sie bereits in Kontakt. Darunter ist eine Mutter, die Aufgrund der Zustände in den Messehallen Angst hat, ihr Kind zu verlieren. Seit gestern hat die Initiative auf karohilft.de eine eigene Internetseite, auf der alle Unterstützergruppen und Kontakte aufgelistet sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Gut, wie die Initiativen sich um die Menschen in den Messehallen kümmern. Aber es scheint mir der einzige Ort zu sein, der die taz interessiert! Warum wird nicht auch einmal über die bereits seit einiger Zeit bestehenden, sehr intensiven Bemühungen von Menschen z.B. in Bahrenfeld oder in Volksdorf geschrieben? Hat das etwa ein wenig auch mit "Eigenlob" des taz-Klientels zu tun? Also ran auch an die anderen Initiativen....