Verschwundener Holzpenis: Wenn ein Phallus fällt
Im Allgäu wurde ein berühmter Holzpenis geklaut. Aber warum die Trauer? Wirklich subversiv dagegen wären Vulven.
Das Städtchen Rettenberg im Oberallgäu ist um einen Penis ärmer. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat sich jemand an einem der bekanntesten „Kulturdenkmäler“ der Region zu schaffen gemacht und den berühmten Phallus vom Grünten geklaut.
Angeblich bekam ein Rettinger den Penis vor ein paar Jahren von seinen Freund*innen zum 18. Geburtstag geschenkt. Weil sein Vater ihn aber nicht in seinem Garten stehen haben wollte, schafften sie ihn auf den Gipfel des Grünten. Seitdem haben die Rettinger*innen den Penis offenbar lieben gelernt. Eine örtliche Brauerei benannte sogar ein Bier nach ihm. Auch Rettenbergs Bürgermeister Nikolaus Weißinger bedauerte gegenüber der Allgäuer Zeitung, dass das ungewöhnliche „Kulturdenkmal“ nicht mehr da sei.
Doch wieso die große Trauer? Ist ein Penis in der Öffentlichkeit wirklich so besonders, auch wenn er zwei Meter groß und aus Holz ist? Schließlich begegnet man Phallusdarstellungen – in mehr oder weniger abstrakter Form – andauernd.
Manhattan, Dubai und Shanghai sind ganze Wälder aus stilisierten Phalli, gebaut von Männern, die wahrscheinlich alle beweisen wollten, dass sie den Größeren haben. Sowohl männliche als auch weibliche Grundschüler*innen malen Penisse in die Hefte ihrer Sitznachbar*innen.
Penisse sind nicht provokant
Wenn sie besonders mutig sind, sprühen sie sie auf Hauswände und schreiben daneben „Sex“. Aber auch Teenager*innen finden es immer wieder witzig, mit Edding Penisse ins Gesicht von schlafenden betrunkenen Freund*innen zu malen – in Filmen und im echten Leben. Im Allgäu scheinen viele Menschen einen ähnlichen Humor zu haben. In sozialen Netzwerken beschimpfen sie die Täter*innen als „spießig“, „humorlos“ oder „oberchristlich“.
Dabei könnte man es auch andersherum sehen: Penisse, egal ob gemalt, als Gebäude stilisiert oder als große Holzfigur, sind in unserer patriarchalen, christlich geprägten Gesellschaft vollkommen akzeptiert und deswegen weder witzig noch provokant. Darstellungen von Vulven dagegen sind immer noch subversiv, auch wenn sie in den letzten Jahren – zumindest auf Berliner Hauswänden und evangelischen Kirchentagen – präsenter geworden sind. Doch eine zwei Meter große Vulva auf einem Berggipfel im katholischen Bayern? Das wäre aufsehenerregend im Land der Phalli.
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