Verschwendung unschöner Lebensmittel: Normen auf den Müll

Zigtausend Tonnen Erdbeeren verfaulen jedes Jahr, weil sie angeblich nicht schön genug aussehen. Die EU muss ihre Vermarktungsnormen ändern.

Frische Erdbeeren

Nicht alle Erdbeeren sind so schön wie diese Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Dass ein Drittel aller Lebensmittel in Europa weggeworfen werden, ist ein Skandal. Denn während wir Nahrungsmittel verschwenden, hungern etwa 820 Millionen Menschen in armen Ländern. Zu allem Überfluss werden große Mengen Treibhausgas ausgestoßen, um das Essen für die Tonne zu produzieren.

Es ist höchste Zeit, die Ursachen zu beheben. Zum Beispiel, dass die EU und viele Händler den Verkauf von Lebensmitteln verhindern, die angeblich nicht schön genug aussehen. Deshalb werden jährlich zum Beispiel zigtausend Erdbeeren entsorgt, wie die taz aufgedeckt hat. Dabei schmecken sie genauso gut wie optisch makelloses Obst. Doch die Landwirte können sie nicht einmal als Verarbeitungsware etwa für Fruchtjoghurt verkaufen, weil sie gegen Billiglohnländer wie Polen keine Chance haben.

Polnische Erdbeerimporte könnte nur der Ökobauernverband Bioland für Produkte mit seinem Siegel verbieten. Bioland lässt dennoch massenweise Importe zu, offenbar wegen der hohen Lizenzzahlungen von Molkereien, die lieber Billigware wollen. So schadet die Bioland-Führung den eigenen Verbandsmitgliedern.

Aber die Bioland-Mengen sind winzig im Vergleich zum konventionellen Lebensmittelmarkt. Dort Obst-Importe etwa aus Polen zu verhindern ist wegen des EU-Binnenmarkts unmöglich. Aber die EU könnte ihre Vermarktungsnormen ändern. Ästhetische Kriterien sollten weitgehend gestrichen werden. Auch eine Erdbeere, die weniger als 18 Millimeter groß ist, sollte verkauft werden dürfen.

Gleichzeitig müssten der Deutsche Bauernverband, Agrarminister und EU-Kommissare Supermarktketten anprangern, die härtere Schönheitskriterien fordern, als das Gesetz vorschreibt. Mit Kampagnen könnte der Staat dazu beitragen, dass die auf Äußerlichkeiten konditionierten Verbraucher aufwachen und wieder echte Qualität suchen. Die Politik muss den Druck weiter erhöhen, indem sie Handel und Landwirtschaft vorschreibt, die Lebensmittelverluste innerhalb einer Frist um eine bestimmte Menge zu reduzieren.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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