Verschwendung unschöner Lebensmittel: Normen auf den Müll
Zigtausend Tonnen Erdbeeren verfaulen jedes Jahr, weil sie angeblich nicht schön genug aussehen. Die EU muss ihre Vermarktungsnormen ändern.
D ass ein Drittel aller Lebensmittel in Europa weggeworfen werden, ist ein Skandal. Denn während wir Nahrungsmittel verschwenden, hungern etwa 820 Millionen Menschen in armen Ländern. Zu allem Überfluss werden große Mengen Treibhausgas ausgestoßen, um das Essen für die Tonne zu produzieren.
Es ist höchste Zeit, die Ursachen zu beheben. Zum Beispiel, dass die EU und viele Händler den Verkauf von Lebensmitteln verhindern, die angeblich nicht schön genug aussehen. Deshalb werden jährlich zum Beispiel zigtausend Erdbeeren entsorgt, wie die taz aufgedeckt hat. Dabei schmecken sie genauso gut wie optisch makelloses Obst. Doch die Landwirte können sie nicht einmal als Verarbeitungsware etwa für Fruchtjoghurt verkaufen, weil sie gegen Billiglohnländer wie Polen keine Chance haben.
Polnische Erdbeerimporte könnte nur der Ökobauernverband Bioland für Produkte mit seinem Siegel verbieten. Bioland lässt dennoch massenweise Importe zu, offenbar wegen der hohen Lizenzzahlungen von Molkereien, die lieber Billigware wollen. So schadet die Bioland-Führung den eigenen Verbandsmitgliedern.
Aber die Bioland-Mengen sind winzig im Vergleich zum konventionellen Lebensmittelmarkt. Dort Obst-Importe etwa aus Polen zu verhindern ist wegen des EU-Binnenmarkts unmöglich. Aber die EU könnte ihre Vermarktungsnormen ändern. Ästhetische Kriterien sollten weitgehend gestrichen werden. Auch eine Erdbeere, die weniger als 18 Millimeter groß ist, sollte verkauft werden dürfen.
Gleichzeitig müssten der Deutsche Bauernverband, Agrarminister und EU-Kommissare Supermarktketten anprangern, die härtere Schönheitskriterien fordern, als das Gesetz vorschreibt. Mit Kampagnen könnte der Staat dazu beitragen, dass die auf Äußerlichkeiten konditionierten Verbraucher aufwachen und wieder echte Qualität suchen. Die Politik muss den Druck weiter erhöhen, indem sie Handel und Landwirtschaft vorschreibt, die Lebensmittelverluste innerhalb einer Frist um eine bestimmte Menge zu reduzieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen