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Verschmutzter StrandMysteriöse Ölpest an Israels Küste

170 Kilometer Strand sind verseucht, Behörden sprechen von einer der schlimmsten Umweltkatastrophen seit Jahrzehnten. Die Ursache ist unklar.

Aufräumen am Strand in der Nähe von Gaash Foto: AP

Jerusalem taz | „Ich glaube nicht, dass ich im Sommer mit meinen Kindern an diesen Strand kommen kann.“ Michal Hasson schüttelt den Kopf und hebt einen kleinen schwarzen Klumpen vom Boden auf. Normalerweise geht sie hier am Strand von Palmachim, eine halbe Stunde südlich von Tel Aviv, baden. Doch heute hockt sie mit einer Mülltüte, einer Maske gegen toxische Gase und Plastikhandschuhen im Sand und sammelt auf, was in den letzten Tagen aus dem Meer angespült wurde: Ölreste.

Die ersten Nachrichten über die Verschmutzung an Israels Stränden tröpfelten letzte Woche ein. Am vergangenen Donnerstag verendete ein Finnwal am Strand von Nitzanim. Bei der Autopsie wurde schwarze Flüssigkeit in dem Tier entdeckt. Kurz darauf spülten die Wellen an zahlreichen Stellen verklebte Schildkröten an die Strände; Ölreste lagerten sich auf einer Länge von 170 Kilometern Küstenlinie von Rosh Hanikra an der libanesischen Grenze bis hinunter zum Gazastreifen an.

Israelische Behörden sprechen von einer der schlimmsten israelischen Umweltkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte. Die Natur- und Parkbehörde befürchtet, dass die Reinigung Jahre dauern könnte. Es sei damit zu rechnen, dass weiterhin Öl und verklebte Tiere angespült werden.

Die Ursache der Verschmutzung ist indes noch nicht geklärt. Laut Umweltschutzministerium zeigen Satellitenbilder vom 11. Februar einen verdächtigen schwarzen Fleck auf der Meeresoberfläche etwa 50 Kilometer von Israels Küste entfernt. Zehn Schiffe seien um diese Zeit in der Gegend gewesen. Das Ministerium arbeite daran, den Vorgang aufzuklären. Ungeklärt ist bislang auch, ob die Quelle der Funde Rohöl oder schwerer Dieselkraftstoff war.

Wegen giftiger Dämpfe ins Krankenhaus

Am Wochenende kamen zahlreiche Freiwillige zum Säubern an die Strände. Einige von ihnen haben dabei wohl giftige Dämpfe eingeatmet und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die israelische Natur- und Parkbehörde schloss daraufhin am Sonntag vorerst die Strände und rief die Freiwilligen dazu auf, nur nach Anweisung vorzugehen.

Zahlreiche Umweltschutzorganisationen kritisierten die Krisenbewältigung der Regierung. „Allen ist klar, dass eine solche Verschmutzung eine Frage der Zeit war, dennoch ist die Regierung überrascht“, sagt etwa Leehee Goldenberg von der Umweltschutzorganisation Mensch, Umwelt, Recht: „Je mehr Öltanker im Mittelmeer unterwegs sind, desto höher ist das Risiko, dass es zu solch einer Katastrophe kommt.“

Goldenberg betont dies vor allem angesichts einer Vereinbarung, die Mitte Oktober 2020, kurz nach dem Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), getroffen wurde: der sogenannten Red-Med-Vereinbarung zwischen den Emiraten und der israelischen Eilat Ashkelon Pipeline Company. Darin geht es darum, Öl vom Golf über Israel nach Europa zu transportieren.

Pannen mit der Pipeline

Öl der Vereinigten Arabischen Emirate soll auf dem Seeweg mit Öltankern vom Persischen Golf nach Eilat am Roten Meer gebracht werden. Weitertransportiert werden soll es von dort mit einer Pipeline an das Mittelmeer, nämlich an den Hafen von Ashkelon. Von dort geht es mit Öltankern weiter nach Europa.

Die Pipeline dafür existiert bereits, wird derzeit aber nur wenig genutzt. „Es gibt immer wieder Pannen mit dieser völlig veralteten Pipeline“, sagt Dov Khenin, ehemaliges Knessetmitglied für die arabisch-jüdische Partei Chadash und Umweltaktivist. Im Dezember 2014 sorgte beispielsweise ein Unfall an der Pipeline dafür, dass mehrere Millionen Liter Rohöl ausliefen und einen großen Teil des Evrona-Naturschutzgebiets verunreinigten.

„Sollte Eilat in einen großen Ölhafen verwandelt werden, wäre die ganze Gegend bedroht“, so Khenin. Rund um die Hafenstadt Eilat am Roten Meer gibt es einzigartige Korallenriffe und Naturschutzgebiete unter Wasser, Ähnliches gilt für das angrenzende Sinai Ägyptens und die jordanische Küstenregion.

Entsalzungsanlage mit Ölhafen?

Dort, wo die Pipeline endet, in der Nähe von Ashkelon am Mittelmeer, liegt eine große Entsalzungsanlage, die Trinkwasser für Israelis bereitstellt. 75 Prozent des israelischen Trinkwassers wird aus Entsalzungsanlagen gewonnen. Im Fall eines Unfalls wären auch diese akut bedroht.

Khenin macht internationale Interessen mit für die Pläne verantwortlich. Einige Israelis gehen gar davon aus, dass die Möglichkeit, Öl vom Golf über Israel nach Europa zu bringen, zentraler ökonomischer Beweggrund für das von den USA vermittelte Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten gewesen sei. „Die EU redet viel von erneuerbarer Energie. Das hier ist der Test“, so Khenin: „Sie sollten dieses Öl auf keinen Fall kaufen.“

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3 Kommentare

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  • Als ob wir aus Kostengründen je auf Naturschutz gesetzt hätten! Lächerlich! Wir importieren sogar teures und zerstörerisches Frackinggas aus Amerika.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Das hier ist der Test“, so Khenin: „Sie sollten dieses Öl auf keinen Fall kaufen.“

    Gleiches gilt in Europa für Soja aus Brasilien oder Fracking Gas aus den USA.



    Mit von der Leyen werden wir bestenfalls schöne Sonntagsreden hören, aber "wenn man am Schluss ins Körbschen schaut, ist da nichts drin" (Zitat: Bütikofer, Grüne, EU-Parlament).

  • Beim Geldverdienen hört der Umweltschutz leider oft auf.