Verschärftes Polizeigesetz in NRW: Verdächtig sind alle, die so aussehen
Wie andere Bundesländer verschärft auch NRW das Polizeigesetz. Damit stellt es seine Bürger unter Generalverdacht.
Konkret sieht das Gesetz die Ausweitung des sogenannten Unterbindungsgewahrsams auf bis zu einen Monat vor – bisher konnte die Landespolizei eine solche vorbeugende Haft nur für maximal 48 Stunden anordnen. Geplant ist außerdem eine verstärkte Telefon-, Internet- und Videoüberwachung sowie die Einführung von elektronischen Fußfesseln und Elektroschockpistolen.
Auch die Schleierfahndung brachte der Innenminister im Gesetzesentwurf unter – aus Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner FDP wird sie jetzt allerdings „Strategische Fahndung“ genannt: Ohne jeglichen Verdacht soll die Polizei künftig jedeN an allen öffentlichen Orten nach der Identität befragen und durchsuchen dürfen.
Reuls Entwurf bedeute „Überwachung, Kontrolle und schränkt die Freiheit aller massiv ein“, warnten deshalb nicht nur AktivistInnen vom Netzwerk „Nein zum Polizeigesetz NRW“ bei einer Demo vor dem Düsseldorfer Parlament. Das Land sei auf dem Weg zum „Polizei- und Überwachungsstaat“, kritisierte auch Frank Nobis von der Strafverteidigervereinigung NRW. Reul wolle der Polizei „Befugnisse wie letztmalig 1945“ verschaffen. Im Gesetz werde überhaupt nicht definiert, wer künftig als „Gefährder“ gelten und deshalb überwacht oder gar präventiv in Haft genommen werden soll. Reuls Initiative könne sich damit längst nicht nur gegen potenzielle Terroristen, sondern auch gegen „Whistleblower, Demonstranten, Streikführer oder Fußballzuschauer“ richten.
Noch härter sind die Regelungen in Bayern
Nordrhein-Westfalen ist nicht das einzige Bundesland, in dem eine Verschärfung des Polizeigesetzes geplant oder gar schon umgesetzt ist. In Niedersachsen präsentierte SPD-Innenminister Boris Pistorius im Namen der in Hannover regierenden Großen Koalition ebenfalls am Donnerstag Pläne für Fußfesseln, Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung. Potenzielle „Gefährder“ sollen sogar bis zu 74 Tage vorbeugend in Haft genommen werden können.
Noch härter sind die Regelungen im bayerischen Polizeigesetz, das die CSU des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer bereits im vergangenen Sommer durch den Landtag gepaukt hat – dort können vorbeugend bis zu drei Monate Freiheitsentzug angeordnet werden. Verschärfungen gab es auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg und im schwarz-grün regierten Hessen. Der Entwurf in NRW soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“