piwik no script img

Versauerung der MeereDer kleine Bruder des Klimawandels

Die Ozeane werden saurer. Die dramatischen Folgen dieser Entwicklung haben Wissenschaftler in Deutschland untersucht.

Sinkender ph-Wert, steigende Temperaturen und weniger Sauerstoff im Wasser: ein „tödliches Trio“ Foto: reuters

Norwegen ist ein Land der Fjorde und, was kaum einer weiß, ein Land der Korallen. Lophelia pertusa, so der lateinische Name einer Kaltwasserkorallenart, bildet dort vor der Küste Kolonien. Rund um den Globus kommen die Tiere in bis zu Tausenden Metern Tiefe vor, wo sie ohne Licht leben und Plankton fressen.

Wissenschaftler aus 20 deutschen Forschungseinrichtungen haben sich vor acht Jahren zusammengetan, um in dem Projekt Bioacid zu ergründen, wie Lebewesen wie Lophelia pertusa auf den Klimawandel reagieren. Genau genommen auf die immer saurer werdenden Ozeane, in deren Wassermassen sich rund ein Drittel des Kohlendioxids gelöst haben, das die Menschheit seit Beginn der Industrialisierung in die Atmosphäre geblasen hat. Auf der kommenden Weltklimakonferenz in Bonn im November will Bioacid seine Ergebnisse präsentieren.

Für die Kaltwasserkoralle gibt es nur scheinbar gute Nachrichten. Die Wissenschaftler haben sie in Aquarien untersucht und festgestellt: Das CO2 greift zwar ihre Skelette aus Aragonit an, doch schnelleres Wachstum durch wärmeres Wasser kompensiert den Effekt. Allerdings gilt das nur bedingt. Zu warmes Wasser setzt den Korallen zusätzlich zu – sodass ihre riesigen, vom Menschen kaum beachteten Kolonien bedroht sind.

Wissenschaftler bezeichnen die Versauerung der Meere deshalb als „bösen kleinen Bruder der Erwärmung“. Bis heute sank der ph-Wert an der Meeresoberfläche von im Schnitt 8,2 auf 8,1 – das entspreche einem Anstieg des Säuregehalts um 30 Prozent, schreiben die Bioacid-Wissenschaftler rund um das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Dazu kommen steigende Temperaturen und weniger Sauerstoff im Wasser – ein „tödliches Trio“.

Wie lange können wir noch Fisch essen?, fragen sich die Wissenschaftler

Die Wissenschaftler leiten daraus direkte Forderungen ab. Etwa die, den Klimawandel endlich in den Fischereiverordnungen zu berücksichtigen, weil nur so „Fischbestände auf lange Sicht ökonomisch und ökologisch nachhaltig genutzt werden können“. Durch das wärmere Wasser könnten einige Fischarten mehr Nahrung benötigen, die aber wegen des saureren und wärmeren Wassers immer knapper werde. Bereits heute sind die Ozeane überfischt. „Wie lange können wir noch Fisch essen?“, fragen sich die Wissenschaftler.

In der Barentssee lässt sich nachweisen, dass Kabeljau und Schellfisch nach Nordosten abwandern, aus dem Süden kommen Makrelen nach, die Laichgebiete verschieben sich. In Nordnorwegen haben die Wissenschaftler mit lokalen Küstenfischern über die Auswirkungen gesprochen: Diese müssen immer weiter aufs Meer hinaus, um noch fischen zu können. Inzwischen haben sie sich angepasst und investieren beispielsweise in Aquakulturen. Ihre armen Kollegen in Ländern des globalen Südens haben diese Möglichkeit nicht.

Bereits bei einer globalen Erwärmung von im Schnitt 1,2 Grad – die sich nicht mehr verhindern lässt – geht die Hälfte der tropischen Korallenriffe verloren. Doch bis zu dieser Grenze könnten, so der Bericht, viele Arten die Anpassung schaffen – vor allem Mikroorganismen, die kurze Generations­zyklen haben. Den Übergang in eine „Hochrisikozone“ für die Ozeane sehen die Wissenschaftler ab einer CO2-Grenze, die etwa einer Erwärmung von 1,8 Grad entspricht. Das Klimaabkommen von Paris sieht vor, die Erd­erwärmung auf „maximal 2 Grad“ zu begrenzen.

Ob Lophelia pertusa dann stirbt? Wo genau die Anpassungsgrenze der Kaltwasserkoralle liegt, das müssen die Wissenschaftler noch genauer erforschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Zum Massenbewusstsein der Lemminge heute.

     

    Es ist wie die Verdoppelung der Körner -von Feld zu Feld- auf einem Schachbrett. Wie die Lemminge zieht die bürgerliche Klassengesellschaft gemeinsam -Schritt für Schritt- in die ökologische Selbstvernichtung. Dabei auch noch ohne Nuklearkrieg. Die menschliche Gesellschaft vernichtet sich selbst.

     

    “Nach uns die Sintflut“, das ist des Grundgesetz der Vorstände und Aufsichtsräte der kapitalistischen Wirtschafts- und Monopolverbände, der Finanz- und Monopolbourgeoisie, deren Lobbyisten in allen bürgerlichen Parteien, staatlichen Institutionen und Ministerien. So auf allen Ebenen der spätbürgerlichen Gesellschaftordnung.

     

    Wäre es nicht so, dann hätten wir, trotz relativen Wohlstand und Massenkonsum, heute in den Weltwirtschaftsmetropolen, bereits eine sozialrevolutionäre und sozialökologische Revolution in Deutschland und Europa, weltweit.

    • @Reinhold Schramm:

      Da wiederum stimme ich Ihnen zu. Wachstum stößt an Grenzen. Die Rohstoffe und Ackerflächen sind irgendwann alle, die wildlebenden Tiere alle tot. Und dann?

  • Uns als Menschheit hilft nur noch strikte Bevölkerungskontrolle. Ich empfehle das Buch "Countdown" von Alan Weisman.

    • @Energiefuchs:

      Es geht um soziale Gleichheit und Teilhabe am vorhandenen Reichtum.

       

      Es geht weniger um “Bevölkerungskontrolle“, als vielmehr um Reichtumsverteilung. Mit steigenden Wohlstand, einschließlich sozialer Absicherung (bei Krankheit/Unfall/Behinderung, Erwerbslosigkeit, Alterssicherung), vermindert sich die Anzahl der Kinder, die zur Unterhaltssicherung benötigt werden.

       

      Der Bildungs- und Entwicklungsfortschritt, insbesondere die qualitative Produktivität, dient der ganzen Gesellschaft. Die ökonomische, soziale und ökologische Wertschöpfung kommt insgesamt der Gesellschaft zugute. Sie steht nicht mehr der persönlichen Bereicherung zur Verfügung.

       

      Voraussetzung hierfür ist die Überführung der (gesellschaftlichen) Produktions- und Reproduktionsmittel in Gemeineigentum. Gesellschaftliches Gemeineigentum an: Grund und Boden, Rohstoffen und Bodenschätzen, Luft und Wasser, Tier -Natur- und Pflanzenwelt.

       

      Zugleich damit vor allem die Herstellung gleichberechtigter Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den sog. Schwellen- und Entwicklungsländern. Angemessene Preise für Rohstoffe und Bodenschätze. Ein Ende der ökonomischen/finanziellen Korrumpierung der (bisherigen) Eliten, Clans und Oligarchen [dies wäre vor allem die Aufgabe der jeweiligen sozioökonomischen Gesellschaften selbst]. Förderung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Projekten zur Selbsthilfe. Verarbeitung der Rohstoffe und Bodenschätze – zu qualitativ hochwertigen und weltmarktfähigen Waren und Gütern aller Art – in den [Entwicklungs-] Regionen selbst. // Keine Entsorgung der Industrie- und Konsumabfälle aus den Weltwirtschaftsmetropolen in den sog. Entwicklungsländern. Auch dafür Schaffung einer ökonomisch-ökologischen Kreislaufwirtschaft. Rückführung der “Abfälle“-Rohstoffe in eine qualitativ hochwertige Neu-Verarbeitung.

       

      Unter Durchführung dieser Maßnahmen bedarf es keiner (erzwungenen) “Bevölkerungskontrolle“. Werden die Menschen gleichberechtigt beteiligt, gibt es auch kein Bevölkerungsproblem!

      • @Reinhold Schramm:

        Nein, inzwischen geht es echt um Bevölkerungsreduktion. Es sind zuviele Menschen, die allen anderem Leben auf diesem Planeten keinen Platz lassen. Ihre Ansätze sind zu langsam.

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Eine Verschiebung des PH-Wertes von 8,2 auf 8,1 ist ja nun nicht beunruhigend, denn der saure Bereich beginnt erst unterhalb von 7,0. Eine kuenftige Erwaermung des Meerwassers ist pure Spekulation. Die Fantasie dieser Herren in Fischereiverordnungen manifestieren zu wollen, erscheint recht bizarr.

    • @21272 (Profil gelöscht):

      Das also kommt heraus, wenn Menschen ihte Informationen von Eike e.V. bzw deren Webseite beziehen ...

      - Die Meere haben sich bereits erwärmt. Das ist physikalisch messbar, eine allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnis und sicher keine 'bizarre Zukunfts-Fantasie'.

      - Zwar gelten erst pH-Wert von unter 7 als sauer. Jedoch geht es im Artikel darum, dass die Meere 'saurer' werden, also ihr pH-Wert sinkt. Nicht erst die Änderung von (leicht-)basisch nach (leicht-)sauer bringt Beeinträchtigungen von Flora und Fauna, sondern schon eine geringe pH-Verringerung im immer noch leicht basischen Milleu.

      - "EIKE e. V. ist kein Forschungsinstitut und publiziert nicht in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Der Verein wird von der Fachwelt nicht als seriöses Institut, sondern als klimaskeptische und politisch aktive Lobbyorganisation betrachtet" (Zitat aus Wikipedia)

      • 2G
        21272 (Profil gelöscht)
        @gefährlichesHalbwissen:

        Dann informieren Sie sich mal weiter bei Klimakaspern wie Schellnhuber oder Lesch, denen es nicht um Wissenschaft, sondern nur um ihre Pfruende geht.

    • @21272 (Profil gelöscht):

      Ich würde sagen das sind chinesische Lügen, der PH-Wert will uns doch unterwandern.

    • @21272 (Profil gelöscht):

      Auf welchen Studien beruht eigentlich Ihr umfangreiches Wissen?

      • 2G
        21272 (Profil gelöscht)
        @Ute Krakowski:

        Zur Weiterbildung in Sachen Klima empfehle ich Ihnen die webseite eike klima.

        • @21272 (Profil gelöscht):

          Ja, ein bizzarrer Haufen von Klimaänderungsleugnern tummelt sich da. Wenn man über 60 ist, kann man gerne mitmachen, es betrifft einen ja kaum noch.

          • @Energiefuchs:

            Ich bin übrigens Ü60 und habe trotzdem hier was zum Thema:

            Eike ist (ich zitiere:)"die Speerspitze der Lobby, die den menschengemachten Klimawandel leugnet." (Quelle: https://lobbypedia.de/wiki/Europ%C3%A4isches_Institut_f%C3%BCr_Klima_und_Energie)

            Auch interessant (Zitat:) "In Deutschland gibt es mit 'Eike' eine Organisation, die sich selbst als 'Institut' bezeichnet, 'ein Zusammenschluss einer wachsenden Zahl von Natur, Geistes- und Wirtschaftswissenschaftlern, Ingenieuren, Publizisten und Politikern', die den menschengemachten Klimawandel ablehnen..." (Quelle: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5393097/)

            Oder (Zitat:) "Der Verein wird von der Fachwelt nicht als seriöses Institut, sondern als klimaskeptische und politisch aktive Lobbyorganisation betrachtet." (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Institut_f%C3%BCr_Klima_und_Energie#Verbindungen_zur_AfD)

            • @Ulrich Mandel:

              Mein ich doch. Ich habe übrigens "auch was gegen den menschengemachten Klimawandel"! Ich möchte, dass die Menschen aufhören, im Klima rumzupfuschen. Ich möchte, dass neben den Menschen auch noch andere Kreaturen auf diesem Planeten existieren können. Und ich möchte, dass die, die jetzt Kinder sind, auch noch Sinn und Freude im Leben finden.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @21272 (Profil gelöscht):

      Endlich wieder eine gute Nachricht. Dann ist ja alles ok.