piwik no script img

Verpflichtung der BundesländerKlimaklagen scheitern

Wegen unklarer Maßstäbe: Das Bundesverfassungsgericht lehnt Klagen von jungen Menschen für mehr Klimaschutz der Bundesländer ab.

Brandenburg mit dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde hat noch kein Klimaschutzgesetz Foto: Patrick Pleul/dpa

Freiburg taz | Das Grundgesetz verpflichtet die Länder zum Klimaschutz. Das stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom Dienstag klar. Allerdings können Bür­ge­r:in­nen die Länder nicht mithilfe von Klagen zu ausreichendem Klimaschutz verpflichten, so die Richter:innen. Der Grund: Es fehle an einem geeigneten Maßstab.

Koordiniert von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hatten 50 Jugendliche und junge Erwachsene in Karlsruhe Verfassungsbeschwerden gegen die Klimapolitik von zehn Bundesländern eingereicht. Es ging zum einen gegen alle sechs Länder, die noch gar kein Klimaschutzgesetz haben. Das sind Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Außerdem gab es Klagen gegen vier Bundesländer, die ihr Klimaschutzgesetz jüngst änderten und so einen Aufhänger für eine Klage boten, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Ziel der Klagen: Die Länder sollten sich gesetzlich zum Klimaschutz verpflichten, CO2-Reduktionspfade festlegen und ausreichende Maßnahmen beschließen, um die Ziele auch zu erreichen.

Hoffnungen hatte ein sensationeller Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem letzten Frühjahr geweckt. Damals ließ das Gericht überraschend klimapolitische Verfassungsbeschwerden zu, obwohl keine „gegenwärtige“ Gefährdung von Grundrechten vorlag. Die Rich­te­r:in­nen argumentierten, dass in Zukunft massive Eingriffe in Freiheitsrechte drohen, wenn nicht rechtzeitig klimapolitisch umgesteuert wird.

CO2-Budget national, nicht regional

Konkret verlangte das BVerfG damals vom Bundestag zwar nur, frühzeitig Ziele für die CO2-Reduktion ab 2030 festzulegen. Die Politik nahm den Grundgedanken des Urteils aber ernst und verschärfte postwendend die Reduktionsziele im Klimaschutzgesetz auch schon bis zum Jahr 2030.

In dem Beschluss zur Bundes-Klimapolitik setzte das Verfassungsgericht wissenschaftliche Berechnungen zu einem nationalen CO2-Budget als Bewertungsmaßstab an. Dabei geht es um die Menge an Kohlendioxid, die Deutschland maximal noch ausstoßen darf, wenn es seinen Beitrag zu den international vereinbarten Klimazielen leisten will.

Eine solche Berechnung fehlt bisher auf Länderebene. Deshalb kann die Einhaltung eines CO2-Budgets deshalb nun auch nicht per Verfassungsbeschwerde eingeklagt werden, so eine mit drei Rich­te­r:in­nen besetzte Kammer des Bundesverfassungsgerichts.

Der Bundestag könnte den Ländern nun zwar per Gesetz konkrete Budgets zuweisen. Bisher verfolgt die Bundespolitik aber einen „sektoralen“ Ansatz und hat im Klimaschutzgesetz jährliche Minderungsziele für die Sektoren Verkehr, Energie, Industrie, Gebäude, Abfall und Landwirtschaft festgelegt. „Wenn die Ampelkoalition merkt, dass sie mit diesem Ansatz nicht weiterkommt, könnte sie auch die Länder stärker in die Pflicht nehmen“, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger nach der Entscheidung.

Allerdings geben die Rich­te­r:in­nen gleich auch zu bedenken, dass die Länder mit ihren geringen Zuständigkeiten nur „beschränkten Einfluss“ auf die Klimapolitik haben.

Unter dem Strich diente der Beschluss wohl vor allem dazu, übertriebene Erwartungen zu bremsen. Karlsruhe will nicht die Klimapolitik auf allen Ebenen kontrollieren oder gar steuern. Dazu passt auch der Hinweis, dass Klima-Verfassungsbeschwerden nur „gegen die Gesamtheit der zugelassenen Emissionen“ möglich sind, nicht gegen jede einzelne Maßnahme oder Unterlassung.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Richtig und machbar sind zweierlei.



    Richtig ist eine Energiepolitik, die nicht auf Kosten der Erde und unserer Nachfahren geht.



    Richtig ist es intensiv an diesen Zielen zu arbeiten und es möglichst schnell umzusetzen.



    Es ist aber nicht machbar die einzuklagen, weil es nicht von jetzt auf nachher machbar ist. Ein radikaler Umschwung würde Energie und Nahrung zu fast unbezahlbaren Gütern machen, was die unteren Einkommensschichten und Familien am härtesten treffen würde.



    Klar, jetzt kommen wieder welche mit "von oben nach unten" verteilen. Klingt gut, ging noch nie, geht auch jetzt nicht.



    Also bleibt Klimapolitik ein Balanceakt zwischen Notwenigkeit und Machbarkeit.



    Bedenkt man jetzt auch noch, dass 90% der anderen Länder eher gar nichts tun, bleibt das notwendige Ziel leider eh auf der Strecke.



    Um einen alten Spruch umzudeuten:



    "Ausgestorben, zu viel Egoismus, zu wenig Gehirn"

    • @Rudi Hamm:

      Energie und Nahrung sind für viele Menschen schon jetzt unbezahlbare Güter, oder schlicht nicht vorhanden. Das blüht immer mehr Menschen, auch hierzulande, wenn nicht schnell umgesteuert wird, denn Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und Brände werden von Ausnahmeereignissen zu Regelfällen, wenn die Energiewende nicht dramatisch beschleunigt wird. Es trifft nicht zukünftige Generationen, sondern uns alle, fragen Sie mal die Leute im Ahrtal.

    • @Rudi Hamm:

      "Also bleibt Klimapolitik ein Balanceakt zwischen Notwenigkeit und Machbarkeit."



      Wobei es ja auf die Notwendigkeit ankäme, wenn mensch keinen Ökozid wollte. Machbarkeit gleicht momentan offenbar der Seite des Scheiterns.



      "Ausgestorben, zu viel Egoismus, zu wenig Gehirn"



      Und angesichts einiger, wiederkehrender Kommentare, würde ich zu starkes Festhalten an "Rechtsstaatideal", Bürokratie, Eigentumslogik, Fortschrittsglauben hinzufügen.

  • Damit zeichnet sich dann auch der Ausgang der Verfahren gegen einzelne Emittenten aus. Die dogmatisch wacklige Argumentation des BVerfG im Klimabeschluss begründet hiernach erst recht keine Pflicht Privater. So wie negative Immissionen über das öffentliche Baurecht und Immissionenrecht(v. a. BImSchG) geregelt sind, regeln die Landesgesetze und das Bundesgesetz CO2-Emissionen abschließend. RWE und Co. dürfen aufatmen.