Vernetzungstreffen in Leipzig: Wie weiter in der Flüchtlingshilfe?

In Leipzig sind Ehrenamtliche zusammengekommen. Es gibt große Unterschiede zwischen ihnen, aber oft haben sie die gleichen Probleme.

Mann schiebt Wagen mit Kisten an anderen Kisten vorbei

Helfer in einer Kleiderkammer für Flüchtlinge in Hamburg Foto: dpa

LEIPZIG taz | „Farsi, Arabisch, Französisch, Englisch“ hat jemand auf ein großes Stück braunes Packpapier geschrieben, das an der Zeltwand hängt. Hinter jedem Wort sind kleine Punkte aufgemalt: Wer eine dieser Sprachen übersetzen kann, trägt sich hier ein. Viele Zuhörer auf den Bänken tragen Kopfhörer, sie bekommen die Diskussion simultan in ihre Muttersprache übersetzt.

Ein Zeichen, dass der Welcome-2-Stay-Kongress der Flüchtlingshilfe-Initiativen, der an diesem Wochenende auf dem Alten Messegelände in Leipzig tagte, eine erste Ankündigung schon wahrgemacht hat: Tatsächlich sind die deutschen Ehrenamtlichen nicht unter sich geblieben, sondern führen die Diskussion gemeinsam mit vielen Flüchtlingen, die gekommen sind.

Rund 700 Menschen sind zu dem Kongress angereist. Das sind mehr, als die OrganisatorInnen – ein Bündnis aus Willkommensinitiativen, der Linkspartei, Attac und anderen Gruppen – erwartet hatten. Es gibt viel zu besprechen: Überall im Land haben sich seit dem letzten Sommer Initiativen gegründet, um den Neuankömmlingen vor Ort zu helfen. Viele haben sich mittlerweile professionalisiert, das Chaos der Anfangstage ist überwunden. Und trotzdem, das wird an diesem Wochenende deutlich, gibt es an allen Ecken und Enden Pro­bleme: Mit der Bürokratie, die den HelferInnen das Helfen und den Flüchtlingen das Leben schwer macht, mit den rechtspopulistischen Gegenbewegungen, denen es oftmals besser gelingt, die öffentliche Diskussion zu prägen, und mit den Verschärfungen der Asylgesetze, deren Tempo und Tragweite die HelferInnen vor Ort oft ratlos zurücklässt.

„Nicht alle Menschen, die sich in Willkommensinitiativen engagieren, begreifen ihre Arbeit per se als politisch“, sagt Ulrike Hamann vom Berliner Institut für Migrationsforschung, die Ehrenamtliche aus den neuen Initiativen zu ihrer Motivation und ihren Erfahrungen befragt hat. „Aber viele von ihnen machen jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben Erfahrungen mit behördlicher Willkür, mit politischem Versagen, und das schafft natürlich Diskussionsbedarf.“

Wer sich auf dem Gelände zwischen den vielen parallel stattfindenden Workshops und Veranstaltungen umhört, bekommt einen Eindruck davon, wie vielschichtig dieser Diskussionsbedarf ist: Dort werden Pläne ausgeheckt, wie im Ernstfall eine Abschiebung verhindert werden könnte, da diskutiert, ob man gegen den verschärften Familiennachzug grundsätzlich politisch vorgehen oder lieber vorhandene Spielräume ausnutzen sollte. Spürbar wird dabei auch, wie unterschiedlich die Menschen sind, die sich hier zusammengefunden haben – Studierende und Rentner, linksalternativ oder kirchlich engagiert. Der bürgerlich-konservative Teil der Ehrenamtlichen ist dabei auf dem Kongress wenig vertreten.

Eine bundesweite Vernetzung gibt es bisher nicht

Eine bundesweite Vernetzung all jener, die sich vor Ort für Flüchtlinge engagieren und dabei oft vor ganz ähnlichen Problemen stehen, gibt es bisher nicht. Ob aus den vielen Einzelinitiativen wirklich so etwas wie eine gemeinsame Bewegung werden kann – ein Ziel des Kongresses –, bleibt auch nach dem Wochenende offen. Doch die nächste Verabredung steht: Zur bundesweiten Anti-AfD-Demonstration in Berlin am 3. September will man sich wieder treffen.

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