Verkehrswende ausgeblieben: Auto bleibt Nummer 1
Trotz höherer Spritpreise und Appellen zum Klimaschutz: Anteil der Pkw-Pendler bleibt seit Jahren konstant. 60 Prozent der Deutschen fahren mit dem Auto zur Arbeit.
Einen Monat die Fahrerlaubnis abgeben und dafür kostenlos Busse und Bahnen nutzen können - das würden viele sicher gerne tun, vor allem wenn sie ihre Führerscheine gar nicht brauchen.
Kein Wunder, dass die im November gestartete Werbeaktion des Hannoverschen Verkehrsverbundes gut anläuft. Innerhalb kurzer Zeit waren 400 Führerscheine eingesackt und Monatskarten verteilt. Der Haken: Nur maximal 500 Hannoveraner kommen in den Genuss der Umsonst-Tickets. Dafür ist der öffentliche Personennahverkehr wieder in aller Munde.
Das haben die Betreiber von Bussen und Bahnen auch bitter nötig. Denn 60 Prozent der Deutschen fuhren im vergangenen Jahr mit dem Auto zur Arbeit, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mit. Zwölf Jahre zuvor, 1996, war der Anteil der Autofahrer an den Berufspendlern etwa genauso hoch. Weder steigende Kraftstoffpreise noch die Appelle für mehr Klima- und Umweltschutz haben die Pendler dazu bewogen, ein anderes Verkehrsmittel zu wählen. Für die Untersuchung der Statistiker wurde 1 Prozent der Bevölkerung befragt, das Ergebnis ist also repräsentativ.
Für die öffentlichen Verkehrsmittel ist das Ergebnis ernüchternd: Nur 13 Prozent der Erwerbstätigen nutzen sie für ihren Weg zur Arbeit. Dabei ist der Anteil der Busfahrer leicht gesunken, während der der Bahnfahrer gestiegen ist. An Popularität leicht gewonnen hat das Fahrrad, das von 8,3 Prozent der Pendler benutzt wird; 1996 waren es 7,4 Prozent. Demgegenüber fiel der Anteil der Fußgänger von 10,6 Prozent auf 9,5 Prozent zurück.
Signifikant ist die Veränderung der Länge der Arbeitswege. So hatten die Pendler 2008 weitere Arbeitswege zu bewältigen als zwölf Jahre zuvor. So gaben nur 46 Prozent der Befragten an, weniger als 10 Kilometer zur Arbeit zu fahren; 1996 waren es noch 52 Prozent. Zugleich erhöhte sich der Zeitaufwand für den Weg zur Arbeit deutlich.
Nicht geklärt sind allerdings die Ursachen für weitere Arbeitswege, weil die Statistiker danach nicht fragten: Liegt es daran, dass Berufstätige immer flexibler sein müssen und auch immer weitere Wege in Kauf nehmen, um einen Job zu kriegen oder den Job zu behalten? Oder liegt es daran, dass Berufstätige ihren Wohnort wechseln, weil zum Beispiel junge Familien ins vermeintlich grüne Umland der Städte ziehen?
Obwohl das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins bleibt, lassen sich auch Anzeichen für den Trend weg vom Auto erkennen: So nutzen auf kurzen Wegen immer mehr Pendler das Fahrrad, während auf langen Wegen die Bahn deutlich gewinnt. Bei den Entfernungen unter 10 Kilometern stieg der Anteil der Fahrradfahrer von 13,5 auf 17,0 Prozent, während der Anteil der Autofahrer um knapp 3 Prozentpunkte auf 47,8 Prozent sank. Bei den Entfernungen von 25 bis 50 Kilometern steigerten die Bahnen ihren Anteil von 11,6 auf 14 Prozent; bei den Entfernungen über 50 Kilometer gewannen die Bahnen sogar 5,4 Prozentpunkte auf 16,3 Prozent.
Deutliche Unterschiede beim Pendeln gibt es zwischen Männern und Frauen. 60 Prozent der Männer nutzten das eigene Auto, bei den Frauen ist es gut jede zweite.
Allerdings steigen immer mehr Frauen auf das Auto um. Nahmen 1996 knapp 46 den eigenen Pkw, waren es 2008 rund 51 Prozent. Jedoch nutzen Frauen für ihren Weg zur Arbeit immer noch häufiger den öffentlichen Personennahverkehr, fahren Fahrrad oder laufen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es Frauen durchschnittlich weniger weit zur Arbeit haben als Männer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?