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Verkehrstote in BerlinWie viele noch?

Eine Mutter und ihr Kind sterben bei einem Verkehrsunfall auf der Leipziger Straße. Auf einer Mahnwache werden Konsequenzen gefordert.

Teil­neh­me­r*in­nen der Mahnwache fordern eine „Vision Zero“ Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Von der Vision Zero, der Vision null Verkehrstote, sei man weit entfernt, sagt Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, am Sonntagnachmittag in Mitte. Die Rücksichtslosigkeit der Au­to­fah­re­r*in­nen nehme sogar weiter zu.

Vor der Mall of Berlin haben sich rund 150 Menschen versammelt, um der 41-jährigen Frau und ihres 4-jährigen Sohnes zu gedenken, die am Samstagvormittag in einem schweren Verkehrsunfall auf der Leipziger Straße umgekommen waren. Ein 83-jähriger Autofahrer war mit überhöhter Geschwindigkeit in die Frau mit Kinderwagen gefahren, die die Straße überqueren wollten. Die Mutter und ihr Sohn wurden lebensgefährlich verletzt und starben im Krankenhaus.

Auf der Mahnwache am Sonntagnachmittag forderten die Teil­neh­me­r*in­nen daher Konsequenzen. Aufgerufen zu der Veranstaltung hatten unter anderem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, der Verkehrsclub Deutschland Berlin und der Verein Fuss e.V., der sich für die Rechte von Fuß­gän­ge­r*in­nen im Straßenverkehr engagiert.

„Die Vision Zero zu erreichen ist eine Verantwortung, die wir für die Menschen tragen“, sagt Kapek. Das sei jedoch nur möglich, wenn es eine Temporeduktion auf der Leipziger Straße gebe sowie geschützte Rad- und Fußwege. „Wir wissen, was politisch nötig ist, wir haben kein Erkenntnisdefizit. Aber wir müssen handeln“, sagt Kapek.

Forderungen nach mehr Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen

Auch der Sprecher des Vereins Fuss e.V., Roland Stimpel, fordert von der Verkehrssenatorin, Manja Schreiner (CDU), Abstand zu nehmen von ihrem Plan, auf der Leipziger Straße und 29 weiteren Straßen, das Tempolimit von 30 auf 50 zu erhöhen. Gerechtfertigt hatte diese ihr Vorhaben damit, dass die Leipziger Straße die Voraussetzung für eine Tempo-30-Zone auf einer Hauptstraße nicht erfülle: nämlich ein Ort „außerordentlicher Gefahr“ zu sein. „Spätestens seit gestern sollten Ihnen die Augen geöffnet sein“, sagt der Sprecher.

An die Au­to­fah­re­r*in­nen appelliert er: „Leute, verdammt nochmal, es gibt Regeln, haltet euch daran!“ Von der Innensenatorin Iris Spranger (SPD) fordert er, dass sie das Geld für Blitzer „lockermache“, und vom Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP): „Lassen Sie endlich Tempo 30 auf allen Stadtstraßen zu. Erhöhen Sie die Strafen für Raserei und den Missbrauch von Geh- und Radwegen.“

Anschließend wurden am Unfallort Gedenkfiguren der Mutter und des Kindes angebracht, Blumen und Kerzen niedergelegt und eine Schweigeminute abgehalten. Dann wurden die Teil­neh­me­r*in­nen verabschiedet: „Kommt alle sicher nach Hause und kommt sicher durch die Stadt.“

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17 Kommentare

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  • das die üblichen verdächtigen diesen schrecklichen unfall zum anlass nehmen ihre bekannten forderungen zu stellen wundert mich nicht. nur hilft es leider nicht und hinterlässt einen bitteren beigeschmack der instrumentalisierung bei mir. bisher ist nur bekannt was passiert ist aber noch nicht warum es passiert ist. warum fährt ein 83 jähriger mit überhöhter geschwindigkeit über einen radweg an einem stau vorbei, warum überquert eine mutter mit kleinem kind zwischen im stau stehenden fahrzeugen an diese stelle die strasse? das traurige ist, das dieser unfall durch das einhalten der grundregeln der StVO hätten vermieden werden können, nicht durch mehr blitzer, geschwindigkeitsbeschränkungen, assistenzsysteme. sich an ständige vorsicht und gegenseitige rücksicht im strassenverkehr zu halten könnte viele unfälle vermeiden.

  • Schön das die Grünen im Land Berlin aus der Regierung geflogen sind. Jetzt sind sie nicht mehr zu faulen Kompromissen gezwungen, die ja auch nicht honoriert wurden und können Opposition ohne Handbremse machen. Hoffentlich auch bald im Bund. Dann werden wir die einzige und hoffentlich auch größte Oppositionspartei, die auch echte Alternativen anbietet.

  • Das Carsharing Mobil mit dem ich kürzlich unterwegs war, hat auf dem Display bei exakt jeder Strasse die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingeblendet.

    Was bedeutet: die Technik ist vorhanden..jetzt müste man nur noch dem Auto "mitteilen" dass es diese Geschwindigkeit auch einhält. Das wäre mit Elektronik für etwa einen Euro zu bewerkstelligen.

    Warum wird darüber nicht nachgedacht.

    - ??? -

    • @Wunderwelt:

      Mein Auto (Baujahr 2024) macht genau das. Wenn Sie mir eine Werkstatt zeigen, die sowas für einen Euro nachrüsten, dann rüste ich das in den drei anderen Wagen gerne nach.

      Nur bei all der Technik dürfen Sie nicht vergessen, dass der Fahrer ungeachtet des Warnignals stets schneller fahren kann.

      • @DiMa:

        Hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Ich meinte nicht dass das Fahrzeug den Fahrer lediglich warnen soll..Nein.. wenn (aus gutem Grund) eine bestimmte Höchst-Geschwindigkeit vorgeschrieben ist, dann hat sich der Lenker oder ggf das Fahreug verbindlich.!! daran zu halten.

        Die Einhaltung von Höchstgeschwindigkeit technisch zu erzwingen, wird sicherlich manchem PS Liebhaber nicht gefallen. Aber es geht hier um Menschenleben.

        Und wenn die EU ihr selbst gestecktes Ziel (die Halbierung der Verkehrstoten) erreichen will, wird sie vermutlich um solche oder ähnliche Massnahmen nicht herum kommen..

        Denn es gibt noch wesentlich weiter reichende Möglichkeiten, wie etwa die Überwachung des Verkehrsgeschehens per Satelit oder Flugzeug. Auf dieser Basis könnten dann auch nicht nur illegale Autorennen entdeckt werden, sondern das widerrechtliche Parken auf Rad- und Gehwegen, das vorsätzliche einsetzen von Fahrzeugen zum Zwecke der Bedrohung, etc..

        Freiheit geht halt immer mit Verantwortung einher. Und da offenbar immer mehr Autofahrende sich dessen nicht ausreichend bewusst sind, muss man sie eben notfalls auch in ihrer "Freiheit" beschneiden.

        • @Wunderwelt:

          Vorweg, ich persönlich halte mich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen, ob mit oder ohne Assistenz.

          Ansonsten gilt im Fahrzeug der Grundsatz, dass der Fahrer stets das letzte Wort hat und den Assistenten stets überstanden kann und muss. Ansonsten gibt es haftungsethische Fragen, die in der Praxis kaum zu beantworten sind. Der Fahrer entscheidet und er trägt auch die Verantwortung. Aus diesem Grund heißen Assistenzsysteme Assistenzsystem und nicht Autopilot.

  • Strafen fürs Zuschnellfahren wie in der Schweiz und massive Tempolimits und es würde viel weniger Verkehrstote geben. Doch Politik handelt nicht, nimmt die Verkehrstoten in Kauf.

    • @Lindenberg:

      "... und massive Tempolimits".

      Am Ort des aktuellen Unfalles ist Tempo 30 vorgeschrieben. An welches Tempolimit denken Sie ganz konkret mit Ihrer Forderung? 10? 20?

      • @DiMa:

        Teil eins des Satzes gilt für diesen Fall (Strafe für zu schnelles Fahren), Teil 2, den Sie wohl absichtlich auf diesen Fall beziehen, allgemein...

        • @blutorange:

          Und was bringt "im Allgemeinen" wenn dies im konkreten Fall nichts gebracht hätte?

          • @DiMa:

            Das bringt dann in anderen Fällen was...



            Nicht alle Unfälle und Gefahrenstellen haben etwas mit überhöhter Geschwindigkeit zu tun. Ein strenges Tempolimit von 30 in der Innenstadt kann in sehr viele Richtungen etwas bringen. Gefahrenminderung, Lärmreduktion, Luftverbesserung. Das ist längst bekannt, nur nicht gewollt.

  • 83jähriger, zu schnell gefahren.



    Warum man mit 83 überhaupt noch in Berlin Auto fahren muss, das ist doch die entscheidende Frage.



    Da sind dann einfach nicht die Übersicht und Aufmerksamkeit vorhanden, um die Situation zu erkennen und die Reflexe um rechtzeitig korrekt zu reagieren.



    Greise weg vom Steuer müsste es heißen, zumindest in den Städten mit öffentlichem Nahverkehr!

    • @TeeTS:

      Das nenne ich Altersdiskriminierung. Dieser Horror-Unfall ist geschehen, weil er absichtlich zu schnell und zudem auf einer Radspur unterwegs war. Solches Verhalten kenne ich auch von jungen Rasern.

      • @Günter Hartmann:

        Woher wissen Sie, dass der Fahrer absichtlich zu schnell gewesen ist? Es würde mich nicht wundern, wenn im Strafverfahren herauskommt, dass irgendein medizinisches Problem vorgelegen hat. Dann wären wir wieder bei der Frage des Alters.

        Also erst mal die Ermittlungsergebnisse abwarten.

  • Der Fahrer ist nach Presseberichten mutmaßlich mit überhöhter Geschwindigkeit und über einen Fahrradstreifen gefahren und hat damit mindestens zwei wichtige Verkehrsregeln gebrochen. Weshalb sollte in solchen Fällen in Zukunft ein Tempolimit helfen? Gegen rücksichtse Raserei hilft kein Tempolimit. Eine derart reflexhafte Forderung wird den Geschädigten nicht gerecht.

    Viel wichtiger wäre es, in solchen Fällen den Straftatenkatalog nachzuschärfen und Strafen deutlich zu erhöhen.

    • @DiMa:

      Doch, ernsthafte Strafen für das Missachten eines Tempolimits (wie z.B. Auto einkassieren) helfen auch gegen rücksichtslose Raserei. Wenn Führerschein und Auto danach weg sind, überlegt man sich das spätestens beim nächsten Mal.

      • @blutorange:

        Ganz ausdrücklich (nicht nur augenscheinlich) wird in diesem konkreten Fall von mir die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbeschränkung (bzw. deren Beibehaltung) kritisiert, weil diese hier nichts gebracht hätte.

        Ferner wird von mit ausdrücklich die Erhöhung von Strafen gefordert (siehe letzter Satz!).