Verkehrstote im ersten Halbjahr: Scheuer, bitte kommen

Die Zahl der getöteten RadfahrerInnen steigt weiter. Dagegen könnte der Bundesverkehrsminister etwas unternehmen. Macht er aber nicht.

Ein weiß lackiertes Rad, mit Blumen verziert, davor Grablichter

Sogenannte „Geisterräder“ erinnern in vielen deutschen Städten an tödlich verunglückte RadlerInnen Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Der traurige Trend ist ungebrochen: In den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der getöteten RadfahrerInnen gestiegen – obwohl insgesamt weniger Menschen im Straßenverkehr ums Leben kamen. Das zeigt, wie überfällig ein umfassendes Programm für sicheres und angenehmeres Radfahren ist.

JedeR, der und die regelmäßig in Städten mit dem Rad unterwegs ist, bewegt sich mit Angst und Schrecken durch den Verkehr. Das muss aufhören. Im ersten Halbjahr 2019 sind in Deutschland bei Verkehrsunfällen 1.465 Menschen gestorben – dass es 40 Getötete weniger sind als im ersten Halbjahr vorigen Jahres, ist für die Hinterbliebenen kaum ein Trost. Details über nähere Umstände liegen bislang nur für die ersten fünf Monate vor. Danach sind unter den Getöteten 158 RadfahrerInnen, das waren 16 Personen oder 11,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das ist kein Ausreißer, es sterben immer mehr Radler im Straßenverkehr. Im gesamten Jahr 2018 sind 445 RadfahrerInnen bei Unfällen im Straßenverkehr gestorben, im Jahr 2017 waren es 382.

„Deutschland muss jetzt einen Zahn zulegen beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur, sonst werden wir ständig solche Hiobsbotschaften bekommen“, warnt der Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Burkhard Stork. Zwei Drittel aller Fahrradunfälle sind Kollisionen mit Autos beim Einbiegen, Abbiegen oder Kreuzen. Nach Angaben des ADFC tragen die Autofahrenden zu 75 Prozent die Verantwortung für den Zusammenstoß.

Zu Recht fordert der Fahrrad-Club neue Konzepte, um Kreuzungen für RadlerInnen sicherer zu machen. In den Städten sollte Tempo 30 die Regelgeschwindigkeit, wo Kinder leben grundsätzlich nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt sein. Jede Hauptstraße muss einen Radweg bekommen – und zwar einen, auf dem man auch bequem überholen kann. In den Niederlanden und in Skandinavien sind unzählige Beispiele zu besichtigen, wie RadlerInnen Kreuzungen gefahrlos passieren können. Und in Deutschland? Fehlanzeige.

Eine verquere Prioritätensetzung

Auch autofreie Innenstädte wären ein sinnvoller Beitrag zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Doch im Autoland Deutschland sind solche Forderungen ein Sakrileg. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bezeichnet sich zwar gerne als „Radminister“, denn das macht sich in Zeiten der Klimakrise gut. Doch RadlerInnen haben davon nicht viel.

Auf das große Radinfrastrukturprogramm aus dem Hause Scheuer werden Interessierte wohl vergeblich warten müssen. Zurzeit ist der Minister dabei, die Straßenverkehrsordnung zu reformieren. Immerhin sollen Autos zum Beispiel künftig nicht mehr auf Radstreifen halten dürfen, in der zweiten Reihe zu parken soll teuer werden – das ist nicht nichts.

Aber was Scheuer vorhat, ist bei Weitem nicht das, was erforderlich ist. Er lässt Sicherheitslücken, die ohne Weiteres zu schließen wären: etwa dass Kommunen Lkws ohne Abbiegeassistenten aus den Innenstädten verbannen können. Diese Assistenzgeräte warnen Lkw-FahrerInnen mit einem akustischen oder optischen Signal, wenn sich in ihrem toten Winkel eine Person befindet – sie können also Leben retten.

Die Zahl der tödlich verunglückten AutonutzerInnen sinkt auch, weil Hersteller viel für deren Sicherheit tun – mit der Entwicklung von Airbags, Gurten oder Antiblockiersystemen. Aber für den Schutz von FußgängerInnen und RadlerInnen tun die Hersteller nichts – obwohl ihre Produkte potenziell tödlich sind. Das ist eine verquere Prioritätensetzung, denn an erster Stelle müsste der Schutz der möglichen Opfer stehen. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Autobauer solche Systeme entwickeln und der Gesetzgeber ihren Einsatz erzwingt.

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